Eine intensive Blutzuckersenkung wie bei jüngeren Betroffenen ist bei vielen Senioren nicht mehr sinnvoll. Welche Bedürfnisse Menschen mit Diabetes im Alter haben und welche Behandlungsstrategien diese erfordern, erörtern die Teilnehmer der 53. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft vom 9. bis 12. Mai 2018 im CityCube in Berlin.
In Deutschland ist die Hälfte aller Menschen mit Typ 2-Diabetes über 65 Jahre alt. In der Altersgruppe der über 85-Jährigen hat sogar jeder Fünfte einen Typ-2-Diabetes. Und mehr als 100.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes hierzulande sind mittlerweile älter als 70 Jahre. Viele von ihnen leiden an weiteren chronischen Erkrankungen und Funktionsstörungen. Biologisch ältere, multimorbide Menschen mit Diabetes benötigen spezielle Vorgehensweisen bei Zielplanung, Allgemeinmaßnahmen und Pharmakotherapie.
Menschen mit Diabetes werden immer älter
Hatten Menschen mit Diabetes Typ 1 vor Jahrzehnten noch eine deutlich niedrigere Lebenserwartung als Stoffwechselgesunde, können sie heute, unter anderem dank technologischer Fortschritte in der Insulintherapie, ein hohes Alter erreichen. So mancher Patient lebt schon länger als 50 Jahre mit der chronischen Stoffwechselerkrankung. Auch die Zahl Älterer mit Diabetes Typ 2 nimmt stark zu, da immer mehr Menschen daran erkranken.
„Dadurch stehen Ärzte, Diabetesberater und Pflegende vor neuen Herausforderungen“, sagt Kongresspräsident Univ.-Professor Dr. med. Jochen Seufert aus Freiburg. „Im Rahmen des Diabetes Kongresses stehen in mehreren Symposien individuelle und interdisziplinäre Therapieansätze bei geriatrischen Patienten im Mittelpunkt“.
Erhalt der Selbstständigkeit und der Lebensqualität
Der Erhalt der Selbstständigkeit und eine gute Lebensqualität sind bei älteren Diabetes-Patienten die wichtigsten Ziele. „Ein HbA1c-Wert von 6,5 bis 7,5 Prozent wie bei jüngeren Patienten sollte nur bei Senioren ohne Begleiterkrankungen angestrebt werden, die sich gesund fühlen und körperlich fit sind“, sagt Dr. med. Rahel Eckardt-Felmberg, Chefärztin der Klinik für Geriatrie am St. Joseph Krankenhaus Berlin.
Bei älteren Senioren mit Begleiterkrankungen und einem erhöhten Hypoglykämie-Risiko sei dagegen ein Langzeitblutzuckerwert von 7,0 bis 8,0 Prozent ausreichend. Die größte Gefahr geht von Unterzuckerungen aus, von denen ältere Patienten häufiger betroffen sind als jüngere.
Hypoglykämien sollten möglichst verhindert werden
„Hypoglykämien können das Gehirn dauerhaft schädigen, lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen und die Entstehung einer Demenz fördern“, warnt Dr. Eckardt-Felmberg. Jede Hypoglykämie-Episode verlängere bei älteren Patienten einen Krankenhausaufenthalt um 2,5 Tage, verdreifache das Risiko, dass sie währenddessen versterben und verdoppele das Sterberisiko im darauffolgenden Jahr. Die Vermeidung von Hypoglykämien ist für Geriater deshalb wichtiger als ein normnah eingestellter Blutzucker.
Hochbetagte und gebrechliche Senioren sollten Blutzucker senkende Medikamente nur erhalten, wenn der HbA1C-Wert auf 8,0 bis 8,5 Prozent ansteigt oder zu Symptomen führt. „Ärzte sollten sich bei der Verordnung auf möglichst wenige Medikamente beschränken und solche einsetzen, die das Hypoglykämie-Risiko nicht zusätzlich erhöhen“, sagt Dr. Eckardt-Felmberg. „Zu aufwändige Therapieschemata erschweren die Therapietreue und können die Lebensqualität auch aufgrund von Neben- und Wechselwirkungen verschiedener Wirkstoffe massiv einschränken.“ Die Behandlung sollte daher so einfach wie möglich und nur so intensiv wie unbedingt nötig sein.
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)