Ein deutsches Forschungsteam hat untersucht, welche psychologischen Faktoren das Verhalten von Menschen in der Corona-Pandemie vorhersagen. Entscheidend seien dabei die Wahrnehmung des Verhaltens nahestehender Personen und weniger die eigene Persönlichkeit oder die subjektive Bedrohung. Die Ergebnisse könnten in die weitere Steuerung der Pandemiebekämpfung einbezogen werden, so das Forschungsteam.

In einer Befragungsstudie haben Juniorprofessorin Dr. Selma Rudert von der Universität Koblenz-Landau und ihr Kollege Dr. Stefan Janke von der Universität Mannheim verschiedene Verhaltensweisen kurz nach dem ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr untersucht. Neben sozialen Normen, unter denen man Regeln und Standards versteht, wie man sich in einem bestimmten Umfeld verhalten sollte, haben sie Einflussfaktoren wie Persönlichkeit oder empfundene Bedrohung durch die Pandemie sowie früheres Handeln erfasst, um das Verhalten in dieser Gesundheitskrise vorherzusagen.

Konkret untersucht haben die beiden Forschenden, ob Menschen sich an die Abstandsregeln und das Vermeiden von direktem sozialem Kontakt halten und andere Menschen während der Krise unterstützen, beispielsweise durch Nachbarschaftshilfen oder das Nähen von Masken, ob sie zu Hamsterkäufen neigen oder die geltenden Regeln missachten.

Soziale Normen geben Menschen Sicherheit in Krisenzeiten

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass insbesondere soziale Normen vorhersagen, ob Menschen sich an die geltenden Vorschriften und Empfehlungen halten oder sogar noch andere während der Pandemie unterstützen, oder ob sie gegen die Regeln verstoßen“, fasst die Landauer Sozialpsychologin Rudert zusammen. Soziale Normen entstehen hierbei insbesondere durch Verhaltensweisen, die Menschen bei Nahestehenden wahrnehmen, etwa in der Familie oder im Freundeskreis.

Das bedeutet: Geht eine Person davon aus, dass ihre Familienmitglieder oder Freunde sich an die Abstandsregeln halten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Person sich künftig ebenso verhält. Soziale Normen geben Menschen Sicherheit, insbesondere in Zeiten von Unsicherheit und Krise, und erfüllen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. „Die meisten Menschen sind bestrebt, sich korrekt und angebracht zu verhalten. Das Verhalten anderer ist typischerweise informativ dafür, was als ‚korrekt‘ gilt“, so Janke. Der Einfluss der anderen untersuchten Faktoren Persönlichkeit und Bedrohung fiel im Vergleich zu den sozialen Normen relativ gering aus.

Normen und Wertvorstellungen ändern sich, das ist nicht neu. Die Veränderungen im ersten Lockdown kamen allerdings quasi über Nacht. „Abrupte Veränderungen, wie es insbesondere zu Beginn der Corona-Pandemie der Fall war, bringen ein verstärktes Maß an Unsicherheit mit sich“, so Psychologin Rudert. Menschen blicken in einem solchen Fall noch stärker auf das Verhalten anderer, um Orientierung zu haben und mit der neuen Situation zurecht zu kommen. „Tatsächlich zeigen unsere Daten, dass der Einfluss sozialer Normen am stärksten war für Verhaltensweisen, die nicht gesetzlich reguliert waren, etwa Hamsterkäufe und prosoziales Verhalten“, ergänzt Janke.

Weitere Steuerung der Pandemie: Positive Rollenbilder etablieren

„Die Studienergebnisse betonen, wie stark unser Verhalten in der Pandemie davon abhängt, was wir denken was ‚die anderen‘ tun“, erklären die beiden Forschenden. Die Ergebnisse ließen sich auch auf die aktuellen Debatten im Hinblick auf das Für und Wider hinsichtlich Impfen oder Lockerungen übertragen und habe einen großen Einfluss für die weitere Steuerung der Pandemie.

„Wichtiger als an die Vernunft der Menschen zu appellieren oder die Bedrohung durch das Virus hervorzuheben, ist vermutlich, positive Rollenvorbilder in verschiedenen Gesellschaftsgruppen herauszustellen und Menschen dazu zu ermutigen, über gesellschaftlich erwünschtes Verhalten zu sprechen“, so Rudert. Die Impfpflaster-Selfies auf Instagram seien ein sehr gutes Beispiel, ebenso das Teilen eigener Erfahrungen im Freundes- und Bekanntenkreis. Will man die Akzeptanz von Corona-Maßnahmen und Impfungen erhöhen, sollte man sich solche Normprozesse zunutze machen, im Sinne von „Tue Gutes und rede darüber“.

Veröffentlicht wurde die Studie im Fachmagazin „Group Processes & Intergroup Relations“ (GPIR).


Quelle: Universität Koblenz-Landau

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