Nazarzadeh M, Bidel Z, Canoy D, Copland E, Bennett DA, Dehghan A, Davey Smith G, Holman RR, Woodward M, Gupta A, Adler AI, Wamil M, Sattar N, Cushman WC, McManus RJ, Teo K, R Davis BR, Chalmers J, Pepine CJ, Rahimi K, für die Blood Pressure Lowering Treatment Trialists’ Kollaboration*; Oxford, Vereinigtes Königreich; Lancet Diabetes Endocrinol 2022; 10, 645 – 654.
Fragestellung: Es ist umstritten ob der Schwellenwert für blutdrucksenkende Behandlung zwischen Personen mit oder ohne Typ-2-Diabetes unterschiedlich sein sollte. Ziel war die Untersuchung der Effekte einer blutdrucksendenden Medikation auf das Risiko von schweren kardiovaskulären Ereignissen bezogen auf den Diabetesstatus, sowie bezogen auf die Ausgangswerte des systolischen Blutdrucks.
Methodik: Es wurde eine einphasige, individuelle Partizipanten-Ebenen Datenmetaanalyse aus großen randomisierten kontrollierten Studien durchgeführt, unter Verwendung des Blood Pressure Lowering Treatment Trialists’ Kollaboration Datensatzes. Studien mit Information über den Diabetesstatus zum Ausganszeitpunkt qualifizierten für einen Einschluss, falls die Effekte einer blutdrucksenkenden Medikation im Vergleich zu Plazebo oder anderen Kategorien einer blutdrucksenkenden Medikation verglichen wurden; oder einer intensiven im Vergleich zu einer standard-blutdrucksenkenden Behandlungsstrategie; und falls mindestens 1 000 Personenjahre Nachbeobachtung in jeder Gruppe berichtet wurden. Studien welche auschliesslich in Teilnehmern mit Herzversagen durchgeführt wurden, sowie in Kurzzeitbehandlungen und akutem Myokardinfarkt oder anderen Akutsituationen wurden ausgeschlossen. Der Behandlungseffekt einer 5 mmHg Verringerung des systolischen Blutdrucks auf das Risiko, ein schweres kardiovaskuläres Ereignis zu entwickeln, wurde als primärer Endpunkt ausgedrückt, definiert als ein erstes Auftreten eines tödlichen oder nicht-tödlichen Schlaganfalls oder zerebrovaskulärer Erkrankung, einer tödlichen oder nicht-tödlichen ischämischen Herzerkrankung, oder eines zu Tod oder Krankenhausaufnahme führenden Herzversagens. Cox-proportionale Risikomodelle, stratifiziert bezüglich der entsprechenden Studie, wurden zur Abschätzung der Risikoverhältnisse (HRs) separat bei Typ-2-Diabetesstatus zum Ausgangszeitpunkt verwendet, mit weiterer Stratifizierung für basale Kategorien des systolischen Blutdrucks in 10 mmHg Anstiegen von > 120 mmHg bis ≥ 170 mmHg. Zur Abschätzung der absoluten Risikoreduktion wurden Poisson Regressionsmodelle über die Dauer der Nachbeobachtung verwendet. Der Effekt von jeder der fünf Hauptmedikamentengruppen für Blutdrucksenkung, einschließlich von Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmern, Angiotensin II Rezeptorblockern, Betablockern, Kalziumkanalblockern und Thiaziddiuretika wurde mittels einer Netzwerk-Metanalyse abgeschätzt. Die Studie ist registriert mit PROSPERO, CRD42018099283.
Ergebnisse: Eingeschlossen wurden Daten aus 51 randomisierten klinischen Studien, publiziert zwischen 1981 und 2014; mit Einschluss von 358 533 Teilnehmern (58 % Männer), von denen 103 325 (29 %) einen bekanntem Typ-2-Diabetes zum Ausgangszeitpunkt hatten. Der basale mittlere systolische/diastolische Blutdruck von Personen mit oder ohne Typ-2-Diabetes war 149/84 mmHg (SD 19/11) bzw. 153/88 mmHg (SD 21/12). Über eine mediane Nachbeobachtung von 4,2 Jahren (IQR 3,0 – 5,0) reduzierte eine 5 mmHg-Reduktion des systolischen Blutdrucks das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse in beiden Gruppen, jedoch mit einem schwächeren relativen Behandlungseffekt bei Teilnehmern mit Typ-2-Diabetes [(HR 0,94 (95 % CI 0,91 – 0,980], verglichen mit Personen ohne Typ-2-Diabetes [0,89 [0,87 – 0,92); p Interaktion = 0,0013]. Allerdings war die absolute Risikoreduktion nicht substantiell unterschiedlich zwischen Personen mit und ohne Typ-2-Diabetes, wegen des höheren absoluten kardiovaskulären Risikos bei Personen mit Typ-2-Diabetes. Es wurden keine verlässlichen Belege für Heterogenität eines Behandlungseffektes bezogen auf basalen systolischen Blutdruck in beiden Gruppen gefunden. Im Einklang mit den primären Ergebnissen zeigte eine Auswertung unter Verwendung der stratifizierten Netzwerkanalyse keine Belege, dass die relativen Behandlungseffekte substantiell unterschiedlich waren zwischen Teilnehmern mit oder ohne Typ-2-Diabetes, für jegliche der untersuchten Medikamentenklassen.
Schlussfolgerung: Obwohl der relative günstige Effekt einer Blutdruckreduktion auf schwere kardiovaskuläre Ereignisse schwächer war bei Personen mit im Vergleich zu Personen ohne Diabetes, waren die absoluten Effekte vergleichbar. Der Unterschied in der relativen Risikoreduktion war nicht abhängig vom basalen Blutdruck oder der Zuordnung zu verschiedenen Medikamentengruppen. Daher scheint die Einführung von verschiedenen Blutdruckgrenzwerten, der Intensität der Blutdrucksenkung oder unterschiedlicher Medikamentengruppen zur Verwendung bei Personen mit oder ohne Typ-2-Diabetes nicht zu rechtfertigen.
Kommentar: Diese Auswertungen legen nahe, dass eine Einführung unterschiedlicher Blutdruckgrenzwerte spezifisch für Personen mit Typ-2-Diabetes möglicherweise nicht nötig ist. Ebenso könnten aufgrund dieser Studie unterschiedliche Intensitäten einer Blutdrucksenkung, sowie die Verwendung unterschiedlicher Medikamentengruppen zur Blutdrucksenkung bei Personen mit vs. ohne Typ-2-Diabetes in Frage gestellt werden.
Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2022; 22 (5) Seite 46-47