Gehälter, Eingruppierung, ­Gehaltsverhandlungen – da es nach wie vor an einer bundesweit einheitlichen Vergütung von Diabetesfachkräften mangelt, verursacht dieser Themenkomplex häufig viele Fragezeichen. Um angestellten Diabetesberatern/innen, aber auch deren Arbeitgebern eine fundierte Orientierungshilfe zu bieten, hat der VDBD ein neues Merkblatt veröffentlicht. Kathrin Boehm, stellvertretende Vorstandsvorsitzende, erläutert im Interview, wie das Merkblatt entstanden ist und welche Ziele der VDBD verfolgt.

Diabetes-Forum (DF): Liebe Frau Boehm, der VDBD hat im Juli 2021 ein Merkblatt zu Vergütungsempfehlungen und Gehaltsverhandlungen für angestellte Diabetesberaterinnen und Diabetesberater herausgebracht. Welchen Zweck verfolgt die Veröffentlichung?
Kathrin Boehm:
Der VDBD e.V. hat immer wieder Anfragen zur Eingruppierung der Gehälter von Diabetesberaterinnen, aber auch von deren Arbeitergebern erhalten. Wir haben daher die Informationen zu den unterschiedlichen Vergütungsmodellen gesammelt und möchten Diabetesberatern/innen und auch Arbeitgebern damit eine Orientierung geben. Gleichzeitig soll das Merkblatt eine Hilfestellung zur Vorbereitung von Gehalts- bzw. Vertragsverhandlungen sein.

DF: Wie schätzen Sie die derzeitige Gehaltssituation für Diabetesberater/innen ein - warum ist ein solches Merkblatt überhaupt notwendig?
Boehm:
Aufgrund der unterschiedlichen Grundberufe haben wir eine große Spannweite bei der Vergütung. Zusätzlich ergeben sich noch weitere Unterschiede infolge der vielseitigen Settings innerhalb der stationären und ambulanten Arbeitsfelder. Gerade im ambulanten Bereich spielen die unterschiedlichen Strukturverträge der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und die damit verbundenen Vergütungskriterien von Schulungs- und Beratungsleistungen eine große Rolle. Die gleiche von einem/r Diabetesberater/in erbrachte Leistung wird daher in den einzelnen Bundesländern zu unterschiedlichen Pauschalen vom Arzt abgerechnet. Das wirkt sich mitunter auch auf die Bezahlung der/s Diabetesberater/in aus.

DF: Das Merkblatt dient als Orientierungshilfe für Diabetesberater/innen, die in einem Angestelltenverhältnis sind. Was ist mit selbstständig tätigen Fachkräften, gibt es für sie auch eine Orientierung?
Boehm:
Wir müssen hier unterscheiden zwischen rein selbstständig tätigen Diabetesfachkräften und nebenberuflichen Dienstleistungen, die normalerweise genehmigungspflichtig durch den Arbeitergeber sind. Bei einer reinen Selbstständigkeit müssen Diabetesberater/innen ihre Pflichtversicherungsabgaben ebenso wie Fehlzeiten, in denen sie keine Einnahmen haben - Urlaub, Krankheit und Fortbildung - in die Berechnung ihres Honorarsatzes einkalkulieren.

Ich rate daher Diabetesberatern/innen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen möchten, zunächst einen Termin bei einem Steuerberater oder einer Steuerberaterin zu vereinbaren, um die aktuelle Gesetzeslage sowie die Höhe der Abgaben zu klären. Auch die VDBD AKADEMIE hat regelmäßig Seminare zum Thema Existenzgründung im Angebot. Selbstständige müssen zudem darauf achten, dass sie bestimmte Kriterien erfüllen, wie z.B. mehrere Auftraggeber, da sonst eine Scheinselbstständigkeit besteht. Das kann zu hohen Nachzahlungen bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) führen. Es empfiehlt sich daher, auch mit dieser vorab in Kontakt zu treten.

Da das Thema Selbstständigkeit angesichts der Rahmenbedingungen, die es zu beachten gilt, recht komplex ist, plant der VDBD hierzu ein gesondertes Merkblatt. Daher richtet sich das aktuelle Merkblatt auch an angestellte Diabetesberater-innen und -berater.

DF: Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit Dia­betesberater/innen künftig adäquat vergütet werden?
Boehm:
Das Gehalt von Diabetesberatern/innen orientiert sich immer noch zu häufig am Grundberuf und nicht an den erworbenen Kompetenzen durch die Weiterbildung. Es gibt in Deutschland kein Bundesweiterbildungsgesetz. Das heißt, es gibt keine einheitliche bundesweit geltende Aussage für die Rahmenbedingungen und für die Abschlüsse von Aufstiegsweiterbildungen für Gesundheitsberufe, daher gibt es auch keine tarifrechtlichen Regelungen.

Die Gestaltung von Weiterbildungen unterliegt in Deutschland der Rechtshoheit einer Landesregierung. Für jedes Bundesland muss einzeln und differenziert das jeweilige Landesweiterbildungsgesetz betrachtet werden. Dieses föderalistische System blockiert den Weg einer staatlichen Anerkennung von Weiterbildungsabschlüssen. Solange es kein Bundesweiterbildungsgesetz gibt, wird es keine einheitlichen tarifrechtlichen Vergütungskriterien für Diabetesberater/innen und auch Diabetesassistenten/innen geben.

Der VDBD e.V. möchte Arbeitgeber dazu auffordern, sich stärker an den Handlungskompetenzen von Diabetesberatern/innen zu orientieren und die dadurch entstehenden Ressourcen zu nutzen. Orientierungshilfe geben zum Beispiel die Rahmenempfehlungen für ärztlich delegierbare Leistungen, die der VDBD gemeinsam mit dem BVND, BVDK und der DDG veröffentlicht hat und die frei zugänglich auf der Website des VDBD zur Verfügung stehen.
Arbeitgeber, die die Fähigkeit haben, das Potenzial von Diabetesberatern/innen zu erkennen und gezielt zum Wohle der Patienten einzusetzen, sollten im Umkehrschluss auch die Fähigkeit besitzen, diese Tätigkeit adäquat zu honorieren.

DF: Liebe Frau Boehm, wir ­danken für das Gespräch.

„Mehr als nur eine Phrase“


Als Berufsverband setzt sich der VDBD aktiv für die berufspolitischen Interessen von Diabetesfachkräften ein. Zu den Forderungen des VDBD zählen auch eine adäquate und leistungsgerechte Vergütung sowie faire Rahmenbedingungen. Mit dem im Juli 2021 erschienenen Merkblatt bietet der Verband ein fundiertes Informationsdokument und eine wichtige Orientierungshilfe. Vorstand und Geschäftsführung des VDBD haben beschlossen, das Dokument nicht nur Verbandsmitgliedern, sondern allen Fachkräften und auch Arbeitgebern kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Das Merkblatt finden Sie unter www.vdbd.de/ueber-uns/publikationen/merkblaetter

Mit dem Thema Vergütung hat der VDBD einen Nerv getroffen: einerseits zeigten das die vielen Anfragen der Mitglieder in der Vergangenheit und der dringliche Wunsch nach fundierten und auf einen Blick zur Verfügung gestellten Informationen, andererseits verdeutlicht das auch die aktuelle und längst überfällige politische Debatte um faire Löhne für Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Nicht zuletzt belegen auch die Fachmedien, die die Pressemitteilung zum Merkblatt aufgegriffen haben, dass der VDBD damit in der Debatte um eine gerechte Entlohnung von Diabetesfachkräften einen entscheidenden Schritt gegangen ist.

Die Forderung des VDBD nach einer angemessenen Honorierung sei Dank des Merkblatts mehr als nur eine Phrase, schreibt etwa die ÄrzteZeitung in einem Kommentar, „[s]ie hat Substanz und liefert Mehrwert.“

Interview:
Asja Harder
Assistenz der Geschäftsführung, Redaktion Digitale Medien
VDBD sowie VDBD AKADEMIE
Tel.: 030 847 122-495


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2021; 33 (9) Seite 46-48