Xie K, Perna L, Schöttker B, Kliegel M, Brenner H, Mons U; Heidelberg, Deutschland; BMC Geriatr. 2022 May 26;22(1):455. doi: 10.1186/s12877-022-03151-y.
Einführung: Es gibt zahlreiche Belege für einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) und kognitiver Funktionsfähigkeit, einschließlich Demenz. Allerdings sind Längsschnittstudien über den Zusammenhang zwischen T2DM und dem Rückgang der kognitiven Funktion rar und berichten über heterogene Ergebnisse. Die Autoren verfolgen das Ziel, den Querschnitts- und Längsschnitt-Zusammenhang zwischen T2DM und globaler sowie bereichsspezifischer kognitiver Leistung darzustellen.
Methode: Es wurden multivariable Regressionsmodelle angewandt, um die Assoziation von T2DM mit kognitiver Leistung und kognitivem Abbau in einer Unterstichprobe einer bevölkerungsbasierten prospektiven Kohortenstudie (ESTHER) zu untersuchen. Diese Unterstichprobe (n = 732) war 70 Jahre oder älter und hatte an einer telefonischen kognitiven Funktionsbewertung (COGTEL) teilgenommen, bei der die globale und bereichsspezifische kognitive Leistung während einer 5- und 8-jährigen Nachbeobachtungszeit erfasst wurde.
Ergebnisse: Die COGTEL-Gesamtwerte der Patienten mit prävalentem T2DM betrugen 27,4 ± 8,3 und 29,4 ± 8,7 bei den 5- bzw. 8-Jahres-Messungen und waren nach Adjustierung für Alter und Geschlecht etwa zwei Punkte niedriger als die der T2DM-freien Teilnehmenden. In Querschnittsmodellen war die Leistung in verbalen Kurz- und Langzeitgedächtnisaufgaben nach Adjustierung für mehrere potenzielle Störfaktoren bei Teilnehmern mit T2DM statistisch signifikant niedriger. Jedoch schwächte sich der Zusammenhang nach weiterer Adjustierung für vaskuläre Risikofaktoren ab. Der Unterschied in den COGTEL-Gesamtscores, der die globale kognitive Funktion nach T2DM-Status widerspiegelt, entsprach nach vollständiger Adjustierung für weitere Einflussfaktoren und vaskuläre Risikofaktoren einer Abnahme der globalen kognitiven Funktion, die mit einem Altersunterschied von vier Jahren vergleichbar ist. In Längsschnittmodellen wurde ein statistisch signifikant stärkerer kognitiver Rückgang bei Patienten mit T2DM bezogen auf das Arbeitsgedächtnis beobachtet.
Schlussfolgerung: In dieser Stichprobe älterer Personen war T2DM mit einer schlechteren Leistung und einem stärkeren Rückgang in einem kognitiven Funktionstest verbunden. Gedächtnisbezogene Bereiche erwiesen sich als besonders anfällig gegenüber T2DM. Weitere groß angelegte prospektive Studien sind erforderlich, um potenzielle T2DM-bezogene Prädiktoren des kognitiven Abbaus und mögliche Konsequenzen für die Fähigkeiten zur eigenständigen Diabetestherapie zu klären.
Kommentar: Bisher haben vor allem US-amerikanische Studien auf das erhöhte Risiko kognitiver Leistungseinbußen bei Diabetes hingewiesen. Zuletzt wurde dies für Typ-1-Diabetes in der EDIC-Studie belegt, ebenso für Typ-2-Diabetes in Verbindung mit einer unzureichenden Qualität der Stoffwechseleinstellung. Das Verdienst dieser repräsentativen Studie mit einer großen deutschen Kohorte von 70jährigen und älteren Personen ist der Bezug zur deutschen Versorgungssituation und die Differenzierung verschiedenen Funktionsbereiche des Gedächtnisses. Sie weist noch einmal darauf hin, wie wichtig ein regelmäßiges Screening bei alten und hochbetagten Menschen mit Diabetes darauf bedeutsam ist, ob sie noch in der Lage sind, ihre Diabetestherapie – insbesondere eine Insulintherapie – noch sicher und zuverlässig selbst zu verantworten.
Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2022; 22 (3) Seite 47