Vasbinder A, Anderson E, Shadid H et al; Division of Cardiology, Department of Internal Medicine, University of Michigan, Ann Arbor, MI, USA; Diabetes Care 2022; 45: 692-700.
Fragestellung: Diabetes mellitus (DM) ist ein wesentlicher Risikofaktor für eine schwere Coronaviruserkrankung 2019 (COVID-19) aus bisher ungeklärten Gründen.
Studiendesign und Methoden: Die International Study of Inflammation in COVID-19 (ISIC), eine multizentrische Observationsstudie von 2 044 Patienten, die mit COVID-19 hospitalisiert wurden, wurde geprüft, um den Einfluss von DM auf die Hospitalisationsendpunkte zu charakterisieren und um den Beitrag der Inflammation und Hyperglykämie zum Risiko bei DM zu erfassen. Es wurden Biomarker der Inflammation bei Krankenhausaufnahme gemessen, und es wurden Daten von Blutzucker und Insulin gesammelt während des Krankenhausaufenthaltes. Der primäre Endpunkt war die Kombination von Tod im Krankenhaus, Notwendigkeit für maschinelle Ventilation und Notwendigkeit für Nierenersatztherapie.
Ergebnis: Bei Teilnehmern (mittleres Alter 60 Jahre, 58,2 % Männer) mit DM (n = 686) war die kumulative Inzidenz des primären Endpunktes signifikant höher (37,8 % vs. 28,6 %) und die Konzentrationen von inflammatorischen Biomarkern signifikant höher als bei denen ohne DM. Unter den Biomarkern war DM nur assoziiert mit höheren Konzentrationen von löslichem Urokinase-Plasminogen-Aktivator-Rezeptor (suPAR) in der multivariaten Analyse. Die Korrektur für suPAR-Konzentrationen hob die Assoziation zwischen DM und dem primären Endpunkt auf (adjustierte Odds Ratio 1,23 [95 % CI 0,78; 1,37]). In einer Mediationsanalyse wurde der Anteil des DM-Effektes auf den primären Endpunkt, vermittelt durch suPAR, auf 84,2 % geschätzt. Hyperglykämie und höhere Insulindosen waren unabhängige Prädiktoren für den primären Endpunkt, deren Effektgrößen unbeeinflusst blieben von der Adjustierung für die suPAR-Werte.
Schlussfolgerung: Diese Ergebnisse suggerieren, dass die Assoziation zwischen DM und Endpunkten von COVID-19 im wesentlichen vermittelt wird durch die Hyperinflammation wie durch die suPAR-Konzentrationen gezeigt, während der Einfluss der Hyperglykämie von der Inflammation unabhängig ist.
Kommentar: Diabetes mellitus ist eine chronisch entzündliche Erkrankung mit eingeschränkter Funktion des Immunsystems, besonders, wenn die Einstellungsqualität des Stoffwechsels schlecht ist. Menschen mit Diabetes mellitus besitzen ein höheres Risiko für schwere Verläufe und Mortalität bei COVID-19, nicht unbedingt für eine Infektion mit dem SARS-CoV-2, besonders dann nicht, wenn die Stoffwechselführung gut ist. Als Erklärung für das hohe Risiko eines schweren Verlaufs mit eventuell tödlichem Ausgang bei COVID-19 und Diabetes wurde immer angenommen, dass hier zwei Erkrankungen mit entzündlichem Milieu des Gesamtorganismus und potentieller Multiorganschädigung geradezu kollidieren und sich gegenseitig verstärken. Die Schädigung des Organismus, die über Jahre bei Diabetes entsteht in Abhängigkeit von der Blutzuckerlage, läuft bei COVID-19 wie im Zeitraffer ab. Diese Untersuchung liefert Daten, die diese Annahme unterstützen, zeigt aber auch, dass die Hyperglykämie ebenso eine direkte Rolle spielt, unabhängig vom Ausmaß der Inflammation. Möglicherweise zeigt sich hier der suppressive Effekt der Hyperglykämie auf das angeborene und adaptive Immunsystem, der das Infektionsgeschehen insgesamt begünstigt.
Erschienen in: Diabetes-Congress-Report, 2022; 22 (2) Seite 50