Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) vertritt die maßgeblichen Hersteller und Händler im Diabetesbereich. Für die Ausgestaltung und Umsetzung der Nationalen Diabetesstrategie hat der Medizintechnik-Verband nun einen 12 Punkte umfassenden Plan vorgelegt.

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat einen 12-Punkte-Plan zur Umsetzung der Nationalen Diabetesstrategie vorgelegt. Der Verband fordert u.a. die Einführung eines nationalen Diabetes-Registers, ein Diabetes-Screening bei Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie die Einrichtung von Lehrstühlen für Diabetes zur Stärkung der technologiebasierten Diabetestherapie. Der BVMed spricht sich zudem für die Aufnahme von telemedizinischen Diabetes-Behandlungen in den EBM-Katalog (EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab) und die Disease Management Programme (DMP) aus.

Zudem wird in dem Plan angeregt, dass die Rolle der nicht-ärztlichen Leistungserbringer gestärkt und das Potenzial der ärztlich delegierbaren Leistungen ausgebaut werden sollten. Um das Diabetes-Selbstmanagement zu stärken, sollte darüber hinaus der Zugang zu modernen Diabetestechnologien wie sensorbasierter kontinuierlicher Glukosemesssysteme gewährleistet sein. „Die hierbei verfügbar gemachten Gesundheitsdaten müssen auch in die elektronische Patientenakte übertragen werden können“, heißt es in dem BVMed-Papier.

„Bisherige Anstrengungen weiterentwickeln und miteinander vernetzen“

„In der kommenden Legislaturperiode muss die 2020 beschlossene Nationale Diabetesstrategie mit Leben gefüllt und konsequent umgesetzt werden. Dabei müssen die bisherigen Anstrengungen mit dem Fokus auf einen ganzheitlichen Lösungsansatz weiterentwickelt und miteinander vernetzt werden. Schließlich hat Diabetes Berührungspunkte zu allen Lebenswelten. Deshalb müssen in der Gesundheitsversorgung eine Vielzahl von Leistungserbringern beteiligt werden“, sagt BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.

Über die konkreten Maßnahmen hinaus plädiert der BVMed für einen gesellschaftlichen und interdisziplinären Diskurs über Diabetes, um Bewusstsein für die Ursachen und Folgen von Diabetes zu schaffen und präventives Verhalten zu stärken.

Hier finden Sie den 12-Punkte-Plan des BVMed zur Umsetzung der Nationalen Diabetesstrategie in der Kurzfassung (die Langversionen können Sie unter dem jeweiligen Punkt ausklappen):


1. Diabetes ganzheitlich denken | Interprofessionell versorgen und Netzwerke stärken

Die interprofessionelle Kommunikation und Zusammenarbeit aus ärztlichen und zu stärkenden nicht-ärztlichen Leistungserbringern in der Diabetestherapie muss weiterentwickelt werden. Zentral hierfür sind funktionierende Netzwerkstrukturen, die flächendeckend benötigt werden und Versorgung ganzheitlich denken. Dabei sind auch die Rolle der nicht-ärztlichen Leistungserbringer zu stärken und das Potenzial der ärztlich delegierbaren Leistungen auszubauen.

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Die Stärkung der Versorgung von Menschen mit Diabetes erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der die Lebenswelten dieser berücksichtigt. Neben einer adäquaten medizinischen Versorgung – gleichsam zur Prävention – setzt diese schließlich einen funktionierenden Rahmen aus Information, Ernährung und Bewegung voraus. Dies erfordert nicht allein die Zusammenarbeit der entsprechenden Ressorts, sondern in der Praxis vor allem einen interprofessionellen Ansatz:

Funktionierende Netzwerke aus ärztlichen und nicht-ärztlichen therapeutischen Leistungserbringern stellen dies regional bereits heute sicher. Regionale selektivvertragliche Projekte sollen dies weiter stärken. Funktionierende Netzwerke der interprofessionellen Kooperation und Kommunikation müssen jedoch flächendeckend etabliert werden. Hierfür sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Im Gleichklang mit den gegenwärtigen Anstrengungen zur Stärkung der Pflege muss in diesen Diabetes-Netzwerken dabei die Rolle der nicht-ärztlichen Berufe gestärkt und das Potenzial der ärztlich delegierbaren Leistungen ausgebaut werden.

Die Digitalisierung von Kommunikation und telemedizinische Möglichkeiten können hierzu einen besonderen Beitrag leisten.


2. Diabetesversorgung | Auch stationär stärken

Zur Stärkung der Diabetesdiagnostik und -therapie im stationären Setting müssen angemessene strukturelle Anpassungen vorgenommen werden. Voraussetzung hierfür sind eine adäquate Qualifikation in der Diabetestherapie, die Intensivierung innerklinischer Vernetzung der versorgenden Akteur:innen miteinander bzw. mit den Diabetologie-Expert:innen und ein geeignetes Entlassmanagement für den Übergang in die ambulante Diabetesstrategie.

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Der Diskurs zur Stärkung der Diabetesversorgung fokussiert oftmals die ambulante Versorgung. In der stationären Praxis finden dieser besondere Bedarf und das Querschnittsthema Diabetes jedoch nur unzureichend Berücksichtigung. Ursächlich hierfür kann sein, dass in Krankenhausstatistiken einzig die Hauptdiagnosen als Aufnahmegrund erfasst sind und Diabetes häufig nur als Nebendiagnose (Begleiterkrankung) Berücksichtigung findet. Laut einer Studie unter Leitung der Universität Ulm 2021 wurde 2017 bei über 3 Mio. der insgesamt rund 16 Mio. stationär behandelten Patient:innen Diabetes mellitus dokumentiert – mehrheitlich als Nebendiagnose.Zur Stärkung der Diabetesversorgung muss der Diabetesdiagnostik und -therapie im stationären Setting somit ein höherer Stellenwert beigemessen werden!

In erster Linie erfordert dies adäquate strukturelle Anpassungen, die die stationäre Diagnostik bzw. Diabetestherapie stärken. So kann mit der derzeitigen Gestaltung der DRG die Behandlung eines entgleisten Diabetesmanagements nicht sichergestellt werden. Derzeit ist eine Verweildauer von lediglich zwei Nächten vorgesehen. Mit dieser kann bei Entgleisungen die notwendige Behandlung und Schulung sowie ein geeignetes Entlassmanagement nicht durchgeführt werden. Das DRG-System lässt bei zusätzlich diagnostizierter Erkrankung nach dem Aufnahmetag überdies keine Abrechnungsmöglichkeit zu. Es ist folglich ein Rahmen zu schaffen, der die Voraussetzungen für eine adäquate stationäre Behandlung bildet.

Ein weiteres Element ist die Stärkung der Qualifikation in der Diabetestherapie. Dies erfordert die Weiterentwicklung der medizinischen Ausbildungen des ärztlichen wie auch des nicht-ärztlichen Personals sowie regelmäßige Fortbildungen (siehe dazu Punkt 10.). Da Diabetes als Querschnittsthema zu verstehen ist, ist gleichermaßen eine stärkere innerklinische Vernetzung der versorgenden Akteur:innen miteinander bzw. mit den Diabetologie-Expert:innen von besonderer Bedeutung.

Insbesondere nach Entgleisungen muss zudem ein adäquates Entlassmanagement den Übergang in eine ambulante Diabetestherapie gestalten. Hier gilt es, im notwendigen Maße über die Optionen der Anschlussversorgung zu informieren (bspw. über Fachärzt:innen, Schulungszentren, ambulante Therapien etc.). Eine stärkere Vernetzung der Kliniken mit dem ambulanten Diabetes-Netzwerk ist zu diesem Zweck essentiell.


3. Qualifikation | Durch adäquate Grund- und Fachausbildung stärken

Die Stärkung der Diabetes-Versorgung setzt die Weiterentwicklung der Qualifikation voraus: Die Intensivierung der Diabetestherapie in der Grund- sowie Fachausbildung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals ist hierfür ebenso unabdingbar wie die Stärkung der Kompetenzen in der technologiebasierten Diabetestherapie. Dies könnte durch den Aufbau entsprechender Lehrstühle für Diabetes und die Weiterentwicklung der Curricula der Fachärzt:innenausbildung erfolgen.

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Bereits heute zeichnet sich ein regionaler Mangel an Ärzt:innen mit Spezialisierung für Diabetes ab. Dies ist u. a.darauf zurückzuführen, dass keine gesonderte Fachärzt:innenausbildung besteht. Diese und so auch die Einführung einer explizit benannten Fachärzt:innengruppe braucht es, um die Attraktivität dieses Berufs zu begründen– und zugleich zur Stärkung der Expertise in der Diabetesversorgung beizutragen.

Eine zeitgemäße Diabetesversorgung, die den medizinisch-technologischen Fortschritt einbezieht, setzt eine Stärkung der Qualifikation voraus. Dies muss sich in der Grund- sowie Fachausbildung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals widerspiegeln. Ein stärkerer Fokus auf Diabetes im Allgemeinen sowie auf technologiebasierte Diabetestherapieim Speziellen ist hierfür die notwendige Voraussetzung

Die Stärkung der Qualifikation in der Diabetesversorgung erfordert damit neben dem Aufbau entsprechender Lehrstühle für Diabetes auch die Weiterentwicklung der Curricula, in denen auf die moderne Diabetestherapie in Zukunft ein höheres Augenmerk gerichtet werden muss.


4. Disease-Management-Programme (DMP) Diabetes | Versorgungsnetzwerke flächendeckend etablieren

Zugang und Vergütung der wesentlichen Diabetestherapieformen im Rahmen der DMP-Verträge müssen unter Einbindung neuer und wissenschaftlich anerkannter Therapieformen (bspw. auch mit digitalen Elementen) vereinheitlicht werden.

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Neben der Stärkung der Diabetesversorgung per se können zeitgemäße DMP einen Beitrag zum Aufbau regionaler Strukturen und Netzwerke leisten, die erforderlich für die interdisziplinäre Diabetestherapie sind. Die DMP müssen dabei den regionalen Besonderheiten Rechnung tragen.

Dennoch erfolgt die Ausgestaltung der Programme in den einzelnen Regionen höchst unterschiedlich – trotz der für alle Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gültigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum DMP Diabetes. Dies wird insbesondere anhand der Vergütung der einzelnen Leistungselemente deutlich. Eine unterschiedliche Vergütung könnte in der Folge zu unterschiedlichen Therapie- und Behandlungsniveaus führen. Ob Patient:innen die für sie bestmögliche Therapie erhalten, hängt davon ab, in welchem KV-Gebiet sie leben. Zur Sicherstellung eines gleichen Zugangs zu Diabetes-Therapien im Rahmen von DMP gilt es, die Vergütung der wesentlichen Therapieformen im Rahmen der DMP-Verträge zu vereinheitlichen.

Gleichzeitig haben neue und wissenschaftlich anerkannte Therapieformen wie bspw. die kontinuierliche Glukosemessung sowie die daraus gewonnenen Daten bislang noch keinen Einzug in die DMP-Verträge gefunden, obwohl die dadurch gewonnenen Erkenntnisse zu einer erheblichen Therapieverbesserung führen können. Im Sinne einer fortschrittlichen Diabetesversorgung sind neue und wissenschaftlich anerkannte Therapieformen – bspw. auch mit digitalen Elementen – zwingend in die DMP einzubinden.


5. Frühe Diabetes-Screenings und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen | Prävention stärken

Zur Feststellung eines individuellen Diabetesrisikos sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen per Diabetes-Screening für Kinder im Rahmen der U-Untersuchungen, Kinder und Jugendliche in der Transition und Erwachsene durch Analyse des Risikoprofils sowie abgestimmte Frequenzen der Vorsorgeuntersuchungen unabdingbar.

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Eine mögliche Prädisposition oder das Risiko eines Diabetes mellitus könnten im Rahmen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen frühzeitig festgestellt und damit entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um eine Erkrankung oder Entgleisung zu verhindern. In regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen ist daher ein Screening für Diabetes mellitus vorzusehen.

  • Diabetes-Screening für Kinder: Im Rahmen der U-Untersuchungen ist der HbA1c-Wert zu ermitteln und bei der Prüfung einer möglichen Prädisposition für Typ-1-Diabetes mellitus zu berücksichtigen.
  • Begleitung in der Transition: Die adäquate Begleitung von Kindern und Jugendlichen in der Phase der Transition erfordert eine stärkere Vernetzung zwischen Gynäkologie, Kinderheilkunde und Allgemeinmedizin. Nur so kann der notwendige Informationsaustausch über relevante Risikofaktoren wie die Ernährungssituation (Mutter und Kind), einen diagnostizierten Gestationsdiabetes und/oder weitere Faktoren sichergestellt werden und einen Beitrag zur Prävention oder Remission von Diabetes leisten. Eine adäquate Kommunikation und Koordination von Patient:innen in der Transition findet heute nur unzureichend statt.
  • Vorsorgeuntersuchungen im Erwachsenenalter: Im Rahmen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen sollten neben dem Screening auf Übergewicht, Mangel- und Fehlernährung auch explizit die Analyse eines Risikoprofils für Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus vorgenommen und zudem die Frequenz möglicher Vorsorgeuntersuchungen hinsichtlich Diabetes-Screening angepasst werden. Der derzeitige Rahmen der Untersuchungen (einmaliger Check-Up im Alter 25 bis 35 / Laboruntersuchung Glukose nur bei Risikoprofil; dreijährlicher Check-Up mit Laboruntersuchung bei Risikoprofil > 35 Jahre) ist unzureichend und lückenhaft.


6. Adipositas | Therapieangebot auf- und ausbauen

Zur Sicherung des individuellen Therapieerfolgs ist ein ganzheitlicher Behandlungsansatz erforderlich, dem die Verankerung regelhafter Adipositastherapien im gesetzlichen Leistungskatalog und der Aufbau ausreichender Fort- und Weiterbildungskapazitäten in diesem Bereich zugrunde liegen.

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Laut Deutscher Adipositas Gesellschaft (DAG) sind etwa ein Viertel der rund 66 Millionen erwachsenen Bundesbürger:innen stark übergewichtig. Adipositas und Diabetes sind dabei eng miteinander verknüpft. Ähnlich der erfolgreichen Behandlung des Diabetes erfordert die Versorgung von Menschen mit Adipositas eine multimodale Therapie und eine Lebensstilveränderung der Patient:innen. Auch hier ist ein ganzheitlicher Behandlungsansatz demnach essentiell zur Sicherung des individuellen Therapieerfolgs.

Die vorgesehene Einführung eines DMP Adipositas ist ein wichtiger Schritt. Allein die Schaffung eines DMP mit einer Neustrukturierung der (wenigen) vorhandenen Leistungen wird das existierende Versorgungsdefizit jedoch nicht lösen. Vielmehr ist es für eine regelhafte Adipositastherapie – analog zur Diabetestherapie − zugleich notwendig, die Kernelemente einer leitlinienkonformen Therapie im gesetzlichen Leistungskatalog zu verankern.

Damit einher muss eine Verbesserung der Fort- und Weiterbildung gehen. Die Bundesländer sind somit gefordert, ausreichend Fort- und Weiterbildungskapazitäten im Bereich der Adipositastherapie aufzubauen.


7. Zeitgemäße Diabetestechnologien | Diabetes (Selbst-)Management stärken

Zur Stärkung der eigenen Gesundheitskompetenz und Optimierung der Fähigkeit des Selbstmanagements muss der Zugang zu modernen Diabetestechnologien durch den Einsatz u.a. sensorbasierter kontinuierlicher Glukosemesssysteme gewährleistet sein. Die hierbei verfügbar gemachten Gesundheitsdaten müssen auch in die elektronische Patientenakte übertragen werden können.

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In der patientenzentrierten Diabetesversorgung spielen moderne Diabetesmesstechnologien eine wichtige Rolle, um die medizinisch notwendige Versorgung der Patient:innen sicherzustellen, den Diabetes auch aus der Ferne optimal zu versorgen und Infektionen zu vermeiden – vor allem in Zeiten, in denen der Zugang zur notwendigen Versorgung nicht oder nur erschwert möglich ist.

Als Alternative zur routinehaften kapillaren Blutzuckerselbstmessung haben sich in der jüngeren Vergangenheit sensorbasierte kontinuierliche Glukosemesssysteme im Gesundheitsmarkt bei Menschen mit Typ-1- sowie mit Typ-2-Diabetes mellitus und einer intensivierten Insulintherapie bzw. Insulinpumpe etabliert. Die digitalen Anwendungen und Informationen, die die modernen Technologien der Glukosemessung bereitstellen, bieten Patient:innen und Behandelnden ein kontinuierliches Diabetesmanagementinstrumentarium als Grundlage für eine datenbasierte, informierte Kommunikation und telemedizinische Fernbehandlung.

Durch diese Technologien können Betroffene befähigt werden, die eigene Gesundheitskompetenz sowie die Fähigkeit zum Selbstmanagement weiter zu steigern, was nicht zuletzt dabei hilft, Gesundheitsrisiken zu reduzieren und die Therapiezufriedenheit und den Gesundheitszustand nachhaltig zu optimieren.

Neben einer meist verbesserten Stoffwechsellage ermöglicht dies den Anwender:innen mehr Freiräume, eine höhere Flexibilität im Alltag sowie einen größeren Aktivitätsgrad, der die Nutzer:innen befähigt, wieder mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und am sozialen Leben teilhaben zu können. Die zunehmende Integration der Hilfsmittel in sonstige digitale Angebote wie Apps schaffen zusätzliche Akzeptanz sowie ein zusätzliches Maß an Alltagsnutzen. Auf diese Weise leisten sensorbasierte kontinuierliche Glukosemesssysteme – sowohl für Menschen mit Diabetes mellitus als auch für deren Angehörige – einen Beitrag zur Stärkung der Lebensqualität.

Denkbar ist der Einsatz auch in frühen Phasen des Diabetes und zur Prävention, um Betroffene an einen gesunden Lebensstil heranzuführen, indem diese gezielt für die Auswirkungen von Ernährung, körperlicher Aktivität und Medikation auf den Blutzuckerspiegel sensibilisiert werden.

Darüber hinaus sind Funktionen, wie prädiktive Alarme bereits heute und ohne Verwendung einer Insulinpumpentherapie in der Lage, Nutzern zu helfen, Stoffwechselschwankungen zu reduzieren und damit präventiv Komplikationen, Folgeerkrankungen und -kosten zu vermeiden. Auf diesem Wege ermöglicht Diabetestechnologie den Anwendern den Wechsel von einer reaktiven zu einer vorausschauenden Therapie.

Es gilt, diese Kompetenzen weiter zu stärken – mit modernen Diabetestechnologien, die dies ermöglichen. Dies setzt eine zeitgemäße Versorgung mit diesen Produkten voraus.

Die durch das Selbstmanagement verfügbar gemachten Daten unterstützen zudem Ärzt:innen bei therapierelevanten Entscheidungen. Von besonderer Bedeutung ist daher die Transition der relevanten Daten in die elektronische Patientenakte.


8. Innovationen | Zeitnahen Zugang ermöglichen

Um den zeitnahen Zugang zu modernen Diabetestechnologien zu gewähren, müssen neuartige Produkte oder Produkte mit Softwarekomponenten plausibel in die Struktur des Hilfsmittelverzeichnisses eingeordnet werden können. In der Praxis zeigt sich, dass die aktuellen Prozesse hierfür nicht geeignet sind. Um verlässliche, verbindliche und transparente Verfahren bei der Aufnahme von Produkten in den Erstattungskatalog zu schaffen, sind Konkretisierungen im Antragsverfahren sowie im NUB-Kontext (NUB = Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode) und entsprechende Anpassungen der Verfahrensordnung zum Hilfsmittelverzeichnis erforderlich.

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Eine Diabetesversorgung, die dem aktuellen medizinisch-technischen Stand entspricht, erfordert Prozesse und Verfahren, die diesen Weiterentwicklungen Rechnung tragen und damit zeitnahen Zugang zu Innovationen ermöglichen.

Die jetzigen Verfahren hierfür sind lediglich begrenzt geeignet. So sind die Prüf- und Antragsprozesse im Kontext der Hilfsmittelversorgung eher auf Produkte ausgerichtet, die funktional den bestehenden Produktkategorien entsprechen – was bei digitalisierten oder digital-unterstützen Hilfsmitteln nicht zwingend der Fall ist. Strukturelle Schwierigkeiten bestehen so bei der Zuordnung neuartiger Produkte oder Produkte mit Softwarekomponenten in die Struktur des Hilfsmittelverzeichnisses. Des Weiteren erfordern die Antragsverfahren von Hilfsmitteln, die potentiell im Kontext einer Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) stehen, klare, verlässliche Prozesse, die zum Zeitpunkt nicht gegeben sind.

Ein zeitnaher Zugang der Patient:innen zu innovativen Medizintechnologien setzt hingegen verlässliche, verbindliche und transparente Verfahren bei der Aufnahme von Produkten in den Erstattungskatalog voraus.Dies erfordert u. a. eine gesetzliche Konkretisierung des § 139 SGB V sowie entsprechende gesetzliche Aufträge an den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) zur Präzisierung der Verfahrensordnung.

  • Die Expertise des GKV-SV bei der Antragsbearbeitung soll durch die verbindliche Einbeziehung von Sachverständigen bzw. durch die Option zur Einbindung eines Expertengremiums gestärkt werden.
  • Die Verbindlichkeit und Transparenz des Aufnahmeverfahrens soll durch die Einführung eines objektiven Kriterienkatalogs gestärkt werden, der bei der Prüfung, ob das beantragte Produkt im Zusammenhang mit einer neuen Methode stehen könnte, heranzuziehen ist.
  • Die im Rahmen eines Antragsverfahrens einzureichenden Studien und Nachweise sollen im Hinblick auf den Vollständigkeitsaspekt konkretisiert und im Hilfsmittelverzeichnis je Produktart definiert werden.
  • Unnötige Verzögerungen im Antrags- und Prüfverfahren sollen mittels Festlegung gesetzlicher Fristen vermieden werden.
  • Das Beratungsverfahren nach § 139 Abs. 4 S. 2ff. SGB V ist auf Antrag des Herstellers um den G-BA und die entsprechende Auskunft zu erweitern, sofern die Fragestellung der Untrennbarkeit von einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sowie die sich daraus ergebende Nutzenbewertung Gegenstand der Beratung ist. Inhalt des Beratungsverfahrens sollen dann auch für die Prüfung erforderliche Studien sein. In diesem Fall ist der G-BA in den Beratungsprozess einzubeziehen.
  • Im Sinne einer zukunftsfähigen Weiterentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses ist die Verfahrensordnung um Regelungen zu ergänzen, die einen Prozess zum Umgang mit zu listenden digitalen Komponenten definieren, welche einen sich verändernden Bestandteil eines gelisteten Hardwarehilfsmittels darstellen.


9. Telemedizin | Vernetzung und Therapieverbesserung ermöglichen

Telemedizinische Behandlungen sind als elementarer Bestandteil der Diabetestherapie künftig unabdingbar, erfordern jedoch die Anerkennung dieser Behandlung im EBM-Katalog sowie in den DMP-Programmen und einheitliche, klare Datenschutzregelungen.

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Erfolg und Vorteile einer telemedizinischen Betreuung werden sowohl von Ärzt:innen als auch von Patient:innen als hoch bewertet. So kann hierdurch die Vorbereitung auf Präsenztermine in der Praxis deutlich verbessert oder eine engmaschigere Betreuung der Patient:innen erreicht werden. Insbesondere Patient:innen in ländlichen Regionen sparen durch telemedizinische Betreuung viel Zeit und Aufwand, da der zum Teil lange Anfahrtsweg in die Praxis entfällt. Gleichzeitig ist die Therapie wirtschaftlicher und ressourcenschonender.Trotz der Erkenntnis, dass telemedizinische Therapie erfolgreich umsetzbar ist, fehlt es bis heute an der Möglichkeit einer adäquaten, kostendeckenden und national einheitlichen Vergütung.

Um die bestehenden Potentiale zu nutzen, ist die telemedizinische Behandlung als elementarer Bestandteil der Diabetestherapie anzuerkennen. Dies erfordert die Einführung einer entsprechenden EBM-Ziffer, die den telemedizinischen Kontakt dabei als vollwertigen Ärzt:innen-/Patient:innenkontakt anerkennt und die entstehenden ärztlichen Aufwände vollumfänglich vergütet. Überdies wird Telemedizin in den DMP Diabetes nicht einheitlich abgebildet. Telemedizinprojekte bestehen bislang nur vereinzelt in wenigen Bundesländern – demzufolge braucht es in den DMP Diabetes einheitliche Regelungen für Telemedizin.

Gleichzeitig existieren keine einschlägigen Regelungen zum Datenschutz, die den Rahmen der Telemedizin in der Diabetestherapie setzen. Beispielsweise erlaubt der G-BA-Beschluss zu Continuous Glucose Monitoring (CGM) – auch bei Zustimmung der Patient:innen – nicht die Weitergabe von Daten an Dritte, insbesondere an Hersteller. Dies würde jedoch einen erheblichen Vorteil für die Diabetestherapie darstellen, da die verschiedenen Hersteller den Patient:innen auf dieser Basis weitere Funktionen zur Verfügung stellen, die das Management des Diabetes erleichtern, die Praxen entlasten und so zu einer Steigerung des Outcomes der Diabetestherapie beitragen. So könnten die Daten einer Insulinpumpe bereits vor dem Besuch der Facharztpraxis dem Behandelnden zur Verfügung gestellt werden. Anhand dieser Daten würde eine Therapieempfehlung erstellt und diese den Patient:innen telemedizinisch übermittelt werden.

Es gilt somit, einheitliche und klare Datenschutzregelungen zu schaffen.


10. Begutachtung durch Medizinische Dienste | Harmonisierte Regelungen und Stärkung der Diabeteskompetenz

Neben der Definition bundesweit einheitlicher und zeitgemäßer Prüfkriterien für die Medizinischen Dienste zur Begutachtung der individuellen Versorgungsbedarfe muss ein Rahmen für den regionsübergreifenden bundesweiten Einsatz fachspezifischer Ressourcen (Wechsel von regionalem zu disziplinärem Bezug) geschaffen werden. Zur Weiterentwicklung der Fachexpertise sind Fortbildungsverpflichtungen zu definieren; bei der Erarbeitung von Begutachtungsrichtlinien und Grundsatzgutachten sind die relevanten Fachgesellschaften und betroffenen Medizinprodukteunternehmen einzubinden.

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Die gesetzlichen Krankenkassen werden bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit von Diabetestherapien regelmäßig vom MD in den Ländern unterstützt. Die Beurteilung erfolgt dabei hingegen je nach Therapie nicht anhand bundesweit einheitlicher Prüfkriterien. Vielmehr differieren die Kriterien zum Teil erheblich von Bundesland zu Bundesland. Zudem entsprechen diese häufig nicht (mehr) dem aktuellen Stand der Wissenschaft. So erfolgt die Beurteilung der Insulinpumpentherapie bis heute auf Basis des Gutachtens der MDK-Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2006. Die Weiterentwicklung der Diabetestherapie in den letzten 15 Jahren findet keinerlei Berücksichtigung.

Obwohl die Zeit im Glukosezielbereich heute ein anerkannter Parameter bei der Beurteilung des Therapieerfolgs ist, findet dieser keine Berücksichtigung. Vielmehr wird weiterhin überwiegend auf die Entwicklung des HbA1C-Wertes abgezielt, der den Therapieerfolg jedoch nur eingeschränkt darstellt. Ursache für einen niedrigeren HbA1C-Wert können z. B. auch Hypoglykämien sein, die keinesfalls einer Therapieverbesserung dienlich sind, sondern den Patient:innen nachhaltigen Schaden zufügen können.

Im Rahmen einer regelmäßigen Aktualisierung der Prüfkriterien ist dafür Sorge zu tragen, dass die Überprüfung des individuellen Versorgungsbedarfs dem aktuellen medizinischen Stand entspricht. Bei der Erarbeitung von Begutachtungsrichtlinien und Grundsatzgutachten sollten relevante Fachgesellschaften sowie betroffene Medizinprodukteunternehmen eingebunden werden.

Um die Expertise gutachterlich beschäftigter Ärzt:innen beim MD zu stärken, die dabei diesem Versorgungsbereich inhärenten zügigen medizinisch-technischen Entwicklungen Rechnung tragen muss, gilt es, eine Fortbildungsverpflichtung zu schaffen. Beispielsweise liegt bisher für die Begutachtung von CGM-Systemen keine einheitliche Begutachtungsrichtlinie vor. Dies führt zu differierenden verfügbaren Therapien, die häufig unsachgemäß vermengt werden und wiederum auf höchst unterschiedliche, nicht nachvollziehbare Bewertungen durch die örtlichen MD hinauslaufen. So ist es kein Einzelfall, dass ein MD empfiehlt, ein CGM-System, das mit einer Insulinpumpe kombiniert ist, durch ein CGM-Stand-alone-System zu substituieren. Die wesentliche Therapieverbesserung einer automatisierten Reaktion der Insulinpumpe wird damit jedoch ausgeschlossen und den Patient:innen somit die bestmögliche wirtschaftliche Therapie vorenthalten.

Darüber hinaus wird der G-BA-Beschluss zu CGM aus dem Jahr 2016 von den MD unterschiedlich ausgelegt. Während einige MD die Aussage treffen, dass CGM eine Regelleistung darstellt, die keiner regelhaften Begutachtung bedarf, klassifizieren andere MD CGM in Kombination mit einer Insulinpumpe als NUB, womit der medizinische Nutzen in Frage gestellt und eine Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse empfohlen wird.

Um regionale Ungleichheiten zu beheben und Patient:innen einen gleichen Zugang zu einer geeigneten Diabetesversorgung zu gewähren, sind bundesweit einheitliche Prüfkriterien für die MD zu definieren. Zu diesem Zweck sollte auch der Rahmen für den regionsübergreifenden bundesweiten Einsatz fachspezifischer Ressourcen geschaffen werden (Wechsel von regionalem zu disziplinärem Bezug).


11. Diabetesregister | Versorgungsforschung stärken

Zur Stärkung der Versorgungsforschung sind durch standardisierte Erhebungskriterien und -methodik erhobene Daten erforderlich, die in einem nationalen Diabetesregister zusammenzuführen sind. Regionale Register sind hierfür nicht geeignet.

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Seit Jahren wird von Diabetes-Expert:innen die Einführung eines Nationalen Diabetesregisters gefordert. Das RKI arbeitet seit 2015 am Aufbau eines Diabetes-Surveillance-Systems. Entgegen der Bekundungen der letzten Jahre, ein Nationales Diabetesregister in Deutschland aufzubauen, konnten diese Vorhaben dennoch bis dato nicht umgesetzt werden. Überdies werden die den Krankenkassen vorliegenden Daten zu den DMP Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus nicht systematisch ausgewertet. Vielmehr formuliert der Beschluss des Bundestags zur Umsetzung einer Nationalen Diabetesstrategie den Aufbau regionaler Diabetesregister.

Die Optimierung der Diabetesversorgung setzt eine funktionierende Versorgungsforschung voraus. Eine valide Datenlage über die bundesweite Diabetessituation wiederum erfordert die standardisierte Erhebung und Erfassung von Daten, die damit auch vergleichbar und aggregierbar sind, um für die Versorgungsforschung Verwendung zu finden. Die vorgesehene Einführung regionaler Register erschließt sich somit nicht. Vielmehr braucht es die Standardisierung der Erhebungskriterien und -methodik, die in einem nationalen Register zusammenzuführen sind. Die regionale Auswertbarkeit bleibt dabei gegeben.


12. Versorgungsforschung | Daten nutzbar machen

Die Weiterentwicklung der Bewertungsverfahren von Medizinprodukten erfordert die Erhebung relevanter Versorgungsdaten, welche nur innerhalb eines adäquaten Regelungsrahmens mit einer Datenstrategie zur Definition eines Zugangs zu versorgungsrelevanten, medizinischen und sonstigen Daten durchzuführen ist – diese Real-World-Data sollten im Zuge der Methodenbewertung anerkannt werden.

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Zunehmend digitalisierte Medizinprodukte können mit der Auswertbarkeit erhobener Daten die Versorgungsforschung unterstützen und damit zudem einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Gesundheitsinnovationen leisten. Von besonderer Bedeutung ist dies im Bereich der Diabetesversorgung.

Um diese Potentiale zu nutzen, braucht es einen adäquaten Regelungsrahmen. So erfordert dies u. a. eine Datenstrategie, die einen Zugang zu versorgungsrelevanten, medizinischen und sonstigen Daten definiert.Die Erhebung relevanter Versorgungsdaten ermöglicht zugleich die Weiterentwicklung der Bewertungsverfahren von Medizinprodukten. Dabei sollten im Versorgungskontext erhobene Real-World-Data im Zuge der Methodenbewertung anerkannt werden.


Das ausführliche Positionspapier kann auf der Website des BVMed als PDF-Dokument heruntergeladen werden.


Quelle: Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) | Redaktion