Krisenmanagement in Zeiten der COVID-19-Pandemie bedeutet, dass Entscheidungen situationsbedingt in kürzester Zeit getroffen werden müssen, deren Folgen in ihrem gesamten Ausmaß zum Teil erst später realisiert werden.

Angesichts der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 27. März 2020 innerhalb weniger Stunden eine Ausnahmeregelung für Schulungen im Rahmen der Disease-Management-Programme (DMP) beschlossen. Diese Ausnahmeregelung ist mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 8. April 2020 inkraft getreten und besagt, dass Schulungen, die in DMP eigentlich verpflichtend sind, für 2020 ausgesetzt werden können, sofern endemisch geboten.

Der VDBD e.V. als Berufsverband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland mit rd. 4000 Mitgliedern sieht diesen Eilbeschluss des G-BA mit großer Sorge, da es keine klare Empfehlung gibt, welche alternativen Versorgungskonzepte für Diabetespatienten angeboten werden können. Strukturierte Schulung ist in Deutschland Teil der Diabetestherapie. Auch wenn der Beschluss eine Kann-Regelung ist und aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar sein mag, um Risikogruppen vor einer COVID-19-Infektion zu schützen, entsteht ein Dilemma, da genau diese Patientengruppen aktuell eine engmaschige Betreuung und eine optimale Stoffwechseleinstellung benötigen.

Appel an KVen

Daher hat der VDBD noch vor Ostern eindringlich an die Kassenärztlichen Vereinigungen appelliert, jetzt digitale Schulungs- und Beratungskonzepte schnell zu prüfen und zu genehmigen. So wie die Schulen über Online-Plattformen ihre Schüler unterrichten, sollte dies auch für Diabetespatienten ermöglicht werden, damit diese in Zeiten der COVID-19-Pandemie weiterhin adäquat in ihrem Diabetesmanagement unterstützt werden.

In dem Schreiben weist der VDBD nicht nur daraufhin, dass Diabetespatienten gerade jetzt eine intensive Betreuung durch ein professionelles Diabetesteam brauchen, sondern auch dass es nach wie vor einen akut erhöhten Schulungsbedarf bei Neumanifestationen von Typ 1 und Typ 2 Diabetes, Schwangeren mit Typ 1 Diabetes, Frauen mit Gestationsdiabetes und bei akuten schweren Hypo- und Hyperglykämie-Ereignissen gibt.

Auch die Patienten selbst und ihre Angehörigen haben aktuell einen stärkeren Informationsbedarf bezüglich ihrer Sorgen zu möglichen Auswirkungen einer COVID-19-Infektion. Sie wissen durch die Medien um ihr erhöhtes Risiko und fragen vermehrt nach Beratungsangeboten durch die Diabetespraxen.

Schulungen per Video

Der G-BA-Beschluss vom 27.03.2020 ist explizit eine Kann-Regelung. Das heißt, wann immer möglich, soll weiter geschult werden - in Einzelschulungen oder mithilfe telemedizinscher Lösungen. Für Letzteres fehlen derzeit jedoch bundesweit einheitliche Voraussetzungen. So dokumentiert eine VDBD-Blitzumfrage über die Ostertage, an der insgesamt 438 VDBD-Mitglieder teilnahmen, ein heterogenes Bild.

In der einen KV-Region werden zusätzliche Telefonberatungen einmal pro Quartal vergütet (Baden-Württemberg), in der anderen jedoch nicht. In dem einen Bundesland hat die zuständige KV eine Generalermächtigung für Videosprechstunden erteilt (KV Niedersachsen), in der anderen bleibt es bei der aufwendigen Einzelermächtigung. Dieser förderale Flickenteppich erklärt sicherlich auch zu einem Teil, weshalb nur 44,4 Prozent der Befragten angeben, dass in ihrer Praxis telemedizinische Lösungen als Alternative zum persönlichen Arztbesuch angeboten werden.

Hier gibt es noch viel Luft nach oben für den Einsatz digitaler Lösungen. Das unterstreichen auch die Antworten auf die Frage, welche Schulungsmöglichkeiten derzeit genutzt werden, da Gruppenschulungen aufgrund der behördlich verordneten Kontaktsperre nicht möglich sind. Viele Praxen behelfen sich mit Einzelschulungen vor Ort. Schulungen per Video-Spechstunde könnten eine sinnvolle Alternative sein, können aber aktuell noch nicht einmal von 20 Prozent der befragten Diabetesberaterinnen genutzt werden.

Die DMP-Verträge und damit Diabetesschulungen und Beratungen sind wichtige versorgungsrelevante, aber auch abrechnungsrelevante Maßnahmen innerhalb einer diabetologischen Schwerpunktpraxis und somit für die Praxen und die Berufsgruppe der Diabetesberaterinnen und Diabetesassistentinnen essenziell. Aktuell sehen wir durch den G-BA-Beschluss die Existenz vieler Diabetespraxen beeinträchtigt und die Arbeitsplätze der Diabetesfachkräfte gefährdet.

Entsprechend fordert der VDBD in seinem Schreiben und in einem Positionspapier zum Thema, dass Schulungen per Videosprechstunde durch qualifizierte Diabetesfachkräfte durchgeführt und auch abgerechnet werden können. Der VDBD empfiehlt, dafür die durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zertifizierten Videosprech-stundenanbieter zu nutzen, damit eine End-zu-End-Verschlüsselung garantiert ist, die DSGVO eingehalten wird und die Patienten ihre Einwilligung im Vorfeld geben.

Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, darf eine Online-Schulung nur mit zertifizierten Schulungsprogrammen und nur durch qualifizierte Berufsgruppen, d.h. Diabetesberaterinnen und Diabetesassistentinnen, durchgeführt werden.


Autorinnen:
Dr. Gottlobe Fabisch
Geschäftsführerin des Verbands der
Diabetes-Beratungs- und Schulungs-
berufe in Deutschland (VDBD)
Habersaathstr. 31, 10115 Berlin
Tel.: 030/847122490
E-Mail: info@vdbd.de
Website: www.vdbd.de

Kathrin Boehm
Mitgliederbeauftragte im Vorstand des
Verbands der Diabetes-Beratungs- und
Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)
Habersaathstr. 31, 10115 Berlin
Tel.: 030/847122490
E-Mail: info@vdbd.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2020; 32 (5) Seite 46-47