Schokoriegel, Chips, Eiscreme: „Über 15-mal am Tag werden unsere Kinder von der Industrie dazu animiert, mehr Zucker, Salz und Fett zu essen!“ Das kritisierte Prof. Hans Hauner, Vorsitzender der Deutschen Diabetes Stiftung (DDS), bei einer Pressekonferenz.

Lustige Spielfiguren, bunte Kinderbücher, knallige Comic-Helden: Die Lebensmittelindustrie beweist viel Fantasie, wenn es darum geht, die Kleinen zum Konsum ungesunder Fertigprodukte wie Kartoffelchips, Schokopudding oder Hamburger zu verlocken. Alles Dickmacher, die sich früher oder später auf die Gesundheit junger Menschen auswirken können.

Der Werbedruck auf Kinder steigt derzeit sogar, wird durchs Internet noch verstärkt. Das zeigt eine aktuelle Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Dr. Tobias Effertz, die u.a. von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und dem AOK-Bundesverband finanziert wurde. Im Fokus der Analyse: die Werbekontakte von Kindern zwischen 3 bis 13 Jahren für Internet (März 2019 bis Februar 2020) und TV (Juni bis September 2019).

Fast 30 Prozent mehr Werbung, Social Media als Schlüssel!

Mit erschreckenden Ergebnissen: Ein Kind zwischen 3 und 13 Jahren, das Medien nutzt, sieht in Deutschland im Schnitt pro Tag über 15 Lebensmittelwerbungen für ungesunde Produkte – mehr als 5 bei Online-Besuchen, knapp 10 im TV. Von der gesamten Lebensmittelwerbung, die Kinder im Fernsehen und im Netz konsumieren, betreffen 92 Prozent ungesunde Produkte (Fernsehen 89 Prozent, Internet 98 Prozent) und rund 70 Prozent der gesehenen TV-Werbespots für Lebensmittel richten sich direkt an Kinder.

Die Werbefrequenz im Fernsehen nimmt außerdem weiter zu. 2007 haben Kinder noch in einer durchschnittlichen Fernsehzeit von 152 Minuten mehr als 10 Spots gesehen. Heute schauen sie fast die gleiche Zahl (circa 10), aber in nur 120 Minuten. Unterm Strich hat die Industrie die auf Kinder gerichtete Werbeintensität im TV also um 29 Prozent erhöht.

Besonders die sozialen Medien nehmen im Kindermarketing eine Schlüsselrolle für ungesunde Lebensmittel ein: Auf Facebook erreichten derlei Posts bis zu 10,6 Mrd. mal pro Jahr ihre Zielgruppe. Knapp 67 Prozent des untersuchten Videocontents, das für ungesunde Lebensmittel auf YouTube warb, erfolgte durch Influencer.

„Es wird höchste Zeit, diese Branche in die Pflicht zu nehmen. Denn freiwillige Selbstverpflichtungen, ganz egal ob im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie oder beim Werbeverbot für Kinderlebensmittel, liefen bisher ins Leere.“, erklärte Dr. Kai Kolpatzik vom AOK-Bundesverband. Ein gesetzlich verankertes Werbeverbot fordert auch das Wissenschaftsbündnis DANK.

„Ernährungsbedingte Krankheiten haben sich auch bei COVID-19 als verhängnisvolle Risikofaktoren für schwere Verläufe und Versterben gezeigt“, sagte DANK-Sprecherin Barbara Bitzer. „Deshalb ist ein Werbeverbot jetzt mehr als überfällig.“ Prof. Dr. Hans Hauner brachte es noch auf den Punkt: „Kinder brauchen gar keine eigenen Lebensmittel.“


Autorin:
Angela Monecke
Redaktionsbüro Angela Monecke
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2021; 33 (4) Seite 8