Neben der Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten übernimmt die Krankenhausapotheke eine Vielzahl weiterer Aufgaben. Diese beschreiben Anne Christin Pieck, Rebekka Lenssen und Andrea Liekweg.
Die Krankenhausapotheke ist die Funktionseinheit eines Krankenhauses, der die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung von einem oder mehreren Krankenhäusern mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sowie die Information und Beratung über diese Produkte, insbesondere von Ärzten, Pflegekräften und Patienten, obliegt. (1)"
Dies ist der gesetzliche Auftrag für Krankenhausapotheken gem. der Apothekenbetriebsordnung.
Wie kommen die Apothe-ker:innen diesem gesetzlichen Auftrag aus Versorgung und Beratung nach? Wie ge-staltet sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachkräften und den anderen Mitgliedern des therapeutischen Teams und wo bringen sich Apotheker:innen in sinnvoller Weise in den Medikationsprozess ein?
Aufgabengebiete einer Krankenhausapotheke
Eine allgemein bekannte Aufgabe jeder Krankenhausapotheke ist die pharmazeutische Logistik. Diese umfasst den Arzneimitteleinkauf (strategisch und operativ), die ausreichende Bevorratung und korrekte Lagerung der Arzneimittel (AM) und apothekenpflichtigen Medizinprodukte sowie die Versorgung der Stationen, Funktionsabteilungen und Ambulanzen mit diesen. In vielen Kliniken übernimmt die Apotheke auch das Lagermanagement von AM in den Klinikbereichen, zum Beispiel im Rahmen der modularen Versorgung (Einrichtung von AM-Modulschränken und verbrauchsadaptierte Anpassung der gelagerten AM auf Station).
Das Management der in den letzten Jahren steigenden Anzahl von Lieferengpässen bedeutet eine dauernde Herausforderung für die pharmazeutische Logistik. Neben dem Nachhalten von ausbleibenden Bestellungen und dem Einholen von Informationen zur (Wieder-)Verfügbarkeit gehört die Auswahl von Alternativen in Absprache mit den Ärztinnen und Ärzten sowie die umfassende Information über notwendige Umstellungen aller am Medikationsprozess Beteiligten zu den damit verbundenen Aufgaben.
Generell ist die Apotheke Ansprechpartner zu allen Fragen bzgl. der Arzneimitteltherapie. Die Abteilung für AM-Information kümmert sich dabei um Fragen zu einzelnen Arzneimitteln wie auch um komplexe Anfragen zur Pharmakotherapie einzelner Patientinnen und Patienten oder Patientengruppen. Ziel ist es, unabhängige, gut recherchierte und kritisch evaluierte AM-Information sowohl den Pflegefachkräften als auch den Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus zeitnah zur Verfügung zu stellen, um diese bei der sicheren und effektiven AM-Therapie zu unterstützen.
Ein weiteres Aufgabengebiet einer Krankenhausapotheke ist die pharmazeutische Herstellung (inklusive Qualitätskontrolle und der damit verbundenen Analytik). Hergestellt werden in der Regel Arzneimittel, die in dieser Form nicht im Handel erhältlich sind. Dazu gehören neben individuell zusammengesetzten Rezepturen aus dem Bereich der Dermatologie auch niedrig dosierte Arzneimittel für die Pädiatrie, Herstellung von Notfallspritzen, Lösungen zur totalen parenteralen Ernährung (insbesondere von Früh- und Neugeborenen) sowie die Herstellung von applikationsfertigen Zytostatikalösungen. Auch im Bereich des Lieferengpassmanagements spielt die Eigenherstellung der Apotheke eine wichtige Rolle. Durch die eigene Herstellung von AM, die aktuell von einem Lieferengpass betroffen sind, kann die Fortführung der Therapie mit einem bestimmten Arzneimittel oftmals sichergestellt werden. Dazu kommt im universitären Umfeld die Mitarbeit an klinischen Studien mit der Lagerung von klinischen Prüfmustern, Herstellung applikationsfertiger Arzneimittel und der Durchführung der damit verbundenen Dokumentation.
Eine pharmakoökonomische Beratung, die korrekte Abrechnung von ambulant verabreichten Arzneimitteln sowie die Sicherstellung der Refinanzierung von stationär verabreichten Arzneimitteln (NUB, ZE) gehören ebenfalls zum Service einer modernen Krankenhausapotheke.
Zudem haben sich im Laufe der Zeit weitere Aufgaben für die Krankenhausapotheker: innen entwickelt, wodurch diese mehr und mehr in den Medikationsprozess im Krankenhaus eingebunden werden.
Medikationsprozess im Krankenhaus
Der Medikationsprozess ist ein Hochrisikoprozess mit vielen einzelnen Schritten, an dem eine Reihe von Berufsgruppen und nicht zuletzt die Patientinnen und Patienten beteiligt sind. Ärztinnen und Ärzte diagnostizieren die Erkrankung, verordnen Arzneimittel, die durch die Apotheke inklusive entsprechender Arzneimittelinformation bereitgestellt und von den Pflegefachkräften verteilt bzw. verabreicht werden. Die Patientinnen und Patienten, ggf. unterstützt durch Pflegefachkräfte oder Angehörige, wenden diese dann an. Letztlich sind an all diesen Stellen sowie an allen Übergängen im Behandlungsprozess (z.B. an den Sektorengrenzen) Medikationsfehler möglich.
Ein Instrument, potentielle Fehler und damit vermeidbare Risiken für den Patienten zu verringern und letztlich die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu erhöhen, ist das Closed-Loop-Medication Mangement (CLMM; s. Abbildung 1).
Klinisch tätige Apotheker:innen (oder wie in der Abbildung genannt "Stationsapotheker") verstehen sich als Mitglieder eines interprofessionellen Teams und übernehmen Mitverantwortung für die Arzneimittel-therapie, unterstützen das ärztliche und pflegerische Personal, erhöhen die AMTS und verbessern den wirtschaftlichen Einsatz von Arzneimitteln.
Dabei stehen die Patientinnen und Patienten im Zentrum des Prozesses. Klinisch tätige Apotheker:innen sind für die individuelle arzneimittelbezogene Beratung der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte, der Pflegefachkräfte sowie der Patienten verantwortlich. Sie können sich an vielen Stellen innerhalb des Medikationsprozesses - von der Aufnahme bis zur Entlassung – einbringen. Diese sind in Anlehnung an das ADKA-Statement "Klinikapotheker unterstützen Klinikärzte" (2) sowie an die Leitlinie "Versorgung der Krankenhauspatienten durch Krankenhausapotheken" (3) zusammengefasst und werden im Folgenden näher erläutert.
Abbildung 1: Closed Loop Medication Management (Bundesverband dt. Krankenhausapotheker – ADKA e.V.). https://www.adka.de/adka/adka-ziele/clmm
Bei der Krankenhausaufnahme unterstützen klinische Apotheker:innen das ärztliche Personal bei der
- Arzneimittelanamnese (Erfassung der Hausmedikation des Patienten anhand des Leitfadens "Bestmögliche Arzneimittelanamnese"(4)
- Medikationsanalyse (Details dazu siehe nächster Abschnitt "stationärer Aufenthalt")
- Umstellung der Hausmedikation auf die Hausliste des Krankenhauses
- Information des Patienten zu durchgeführten Medikationsumstellungen.
Abbildung 3: Durchführung einer Medikationsanalyse im Rahmen einer Pharmazeutischen Kurvenvisite (mod.) (5).
Während des stationären Aufenthaltes wird
- eine strukturierte Analyse der aktuellen Gesamtmedikation des Patienten durchgeführt. Die bei dieser Medikationsanalyse (Typ 2b oder 3) geprüften Parameter sind in Abbildung 2 dargestellt.
- Häufig erfolgt die Portionierung und Verteilung von Arzneimitteln an die Patienten noch durch die Pflegefachkräfte. Der manuelle Stellprozess der ärztlichen Verordnung, oftmals im Nachtdienst, ist jedoch fehleranfällig, da die Pflegefachkraft häufig durch andere Tätigkeiten unterbrochen wird. Hier können die Pflegenden mittels einer Unit-Dose-Versorgung durch die Apotheke deutlich entlastet werden. (6,7)
Im Vergleich zum ursprünglichen Verteilungs- und Verabreichungsprozess stellt die Unit-Dose-Ver-sorgung eine patientenindividuelle Versorgungsform dar. Kernstück ist eine automatisierte patientenindividuelle Verblisterung der festen, oralen Arzneiformen. In einzelnen Krankenhäusern werden sogar alle einzeldosierten Arzneiformen patientenindividuell geliefert (sog. "Picking"). Der Herstellbereich der Unit-Dose-Versorgung erhält dazu ärztlich vidierte elektronische Verordnungen, die von klinischen Apotheker:innen geprüft und freigegeben werden. Die Arzneimittel werden dann von einem Unit-Dose-Automaten verblistert und mit dem Namen der Patientin bzw. des Patienten und entsprechenden Einnahmehinweisen versehen. Ein solcher Blister ist in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3: Unit-Dose Schlauchfolienblister.
Die Unit-Dose-Versorgung ist somit Teil des CLMM-Prozesses aus elektronischer Verschreibung mit Medikationsprüfung, automatisierter patientenbezogener Kommissionierung von Einzeldosen und informationstechnisch-gestützter Verabreichungsdokumentation. Im optimalen Fall übernehmen dabei klinisch tätige Apotheker:innen auf den Stationen das Medikationsmanagement und stehen Pflegefachkräften sowie Ärztinnen und Ärzten beratend zur Seite. Die Senkung von Medikations-fehlern in diesem System konnte durch Baehr et al. eindrücklich nachgewiesen werden (8).
- Eine umfassende Beratung der Ärztinnen und Ärzte zur Arzneimitteltherapie kann auch im Rahmen von Visiten oder Kurvenvisiten erfolgen. Hier können arzneimittelbezogene Probleme detektiert und Lösungsansätze gemeinsam erarbeitet werden.
- Außerdem sind viele klinische Apotheker:innen Mitglied des Antimicrobial Stewardship (AMS)-Teams einer Klinik. Zusammen mit Vertretern aus der Infektiologie, der Krankenhaushygiene und der Medizinischen Mikrobiologie erarbeiten sie Handlungsempfehlungen und Leitlinien zur Antiinfektivatherapie, überwachen den Antiinfektiva-Verbrauch und nehmen an AMS-Visiten teil.
- Oftmals sind klinisch tätige Apotheker:innen in speziellen Fachbereichen, wie der Geriatrie tätig. Dies wird im Bereich der Universitären Altersmedizin der Uniklinik Köln verwirklicht. Hier arbeiten Spezialisten der UKK aus unterschiedlichen klinischen Bereichen fachübergreifend zusammen, um den besonderen Bedürfnissen dieser Patientengruppe besser gerecht zu werden. Zum Team gehören Internisten, Nephrologen, Geriater sowie spezialisierte Pflegekräfte, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Apotheker oder auch der Sozialdienst und das Care und Case Management, die den Patienten umfassend betreuen.
Im Rahmen der Entlassung können klinische Apotheker:innen folgende Aufgaben übernehmen bzw. dabei unterstützend tätig werden:
- Vorbereitung der Entlassmedikation
- Medikationsdokumentation für den Arztbrief
- Pharmazeutische Beratung und Schulung der Patientinnen und Patienten:
- Anwendungsübung mit Mustern sowie Hilfestellung beim Handling diverser Arzneiformen
- Information über Einnahmezeitpunkte
- Information zur Lagerung
- Erstellung eines Bundeseinheitlichen Medikationsplans
- Entlassmanagement für lückenlose Fortsetzung der Arzneimitteltherapie der Patientinnen und Patienten.
Krankenhausapotheker: innen können somit in vielfältigen Aufgabenbereichen die Patientinnen und Patienten, Pflegefachkräfte sowie die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen und alle weiteren am Medikationsprozess Beteiligten im Sinne der AMTS unterstützen. Neben den logistischen Aufgaben und der eigenen Herstellung von Arzneimitteln werden sie auf unterschiedliche Weise in den Medikationsprozess eingebunden und tragen als Teil des interprofessionellen Teams zur sicheren Arzneimittelanwendung bei.
Die meisten Diabetiker:innen werden nicht wegen ihres Diabetes in die Klinik aufgenommen. Vielmehr ist der Diabetes eine Nebendiagnose, die jedoch für die Behandlung der Erkrankung, die zur Krankenhausaufnahme geführt hat, von besonderer Bedeutung ist. (9)
In folgenden Situationen werden klinische Apotheker:innen für Diabetiker:innen tätig und unterstützen die anderen Mitglieder des therapeutischen Teams in deren Betreuung.
Medikationsmanagement:
- Aufnahme:
- - Umstellung der Insuline auf gelistete Präparate mittels Insulinkonversionstabelle erstellt in Zusammenarbeit mit der Fachabteilung für Diabetologie
- - Umstellung oraler Antidiabetika jeweils in Absprache mit den behandelnden Ärzten oder Ärztinnen
- Stationärer Aufenthalt:
- - Anpassung an eingeschränkte Nierenfunktion
- - Beratung zum perioperativen Management (Absetzen vor bzw. Wiederansetzen nach OP) in Absprache mit der Anästhesiologie
- - Beratung zum Umgang mit Metformin bei Gabe von jodhaltigen Röntgenkontrastmitteln
- - Beratung zu diabetogenen Begleittherapien
- - Beratung zur Applikation von oralen Antidiabetika via Ernährungssonde
- Entlassung:
Schulung zu Pumpen, Pens und Blutzuckermessgeräten Unterstützung beim Entlassmanagement hinsichtlich (vorübergehenden) Therapie-umstellungen sowie Beratung zur Verfügbarkeit bei Lieferengpässen im ambulanten Bereich
- Beschaffung:
- - Sicherstellung der Verfügbarkeit der zur Therapie notwendigen Arzneimittel
- - Zeitnahe Beschaffung von im Krankenhaus nicht vorrätigen Arzneimitteln, bei denen eine Umstellung nicht möglich ist.
- Arzneimittelinformation/Pharmakovigilanz:
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (10) Seite 38-41