Plötzlich ist es also da – das E-Rezept. Wie so ziemlich alles Neue, gut geplant und wohldurchdacht; naja doch nicht so ganz. Warum, das erklärt Ihnen Gerald O. Andersson in einem Erfahrungsbericht auf den folgenden Seiten.

Mit meinen knapp 40 Jahren Erfahrung in komplexen Rechnersystemen wollte ich das E-Rezept auf dem Handy einmal komplett durchspielen. Man hört ja viel vom Hörensagen, man liest viel, aber so richtig haben es scheinbar bisher nur ganz wenige Wagemutige in die Hand genommen, außerhalb von eGK oder QR-Code, ein Rezept an die Apotheke zu übermitteln.

Laut Bayerischem Apothekerverband nutzen weit über 90% der Patienten die eGK, der Rest wohl den QR-Code oder einen Übermittlung per Fax an die Apotheke. Der Rest? Sehr wenig!

Auch die Apothekerkammer Bayern sieht das alles noch sehr in einer Erprobungsphase.

Das kennen wir alle von Microsoft, dort waren Milliarden von Anwendern Beta-Tester für die Software.

Von Anfang an

Um das E-Rezept per App zu nutzen und einzulösen, müssen Sie sich in der E-Rezept-App der GEMATIK (Nationale Agentur für Digitale Medizin) anmelden.

Wer schon die App seiner Krankenkasse (KK) auf dem Handy hat, hat sich schon einen kleinen Schritt gespart. Wobei hier laut Apotheker-Kammer das größte Hindernis zu bestehen scheint. Also gut, ich lade mir also meine BKK-App über die Webseite meiner KK, bestimmte KK’s sind auch auf dem Google Play Store zu finden, aber bei weitem nicht alle.

App heruntergeladen, dann muss bei der KK ein "Einmal Passwort" beantragt werden, welches nur per Brief zugestellt wird. Nach einigen Tagen des Wartens trifft dieses dann auch ein.

Zum Registrieren wird die eGK und das Einmal PW benötigt. Anschließend muss das PW vom Anwender in der App geändert werden. Nun wird auch noch eine PIN eingestellt, welche man sich tunlichst merken und aufschreiben sollte, dazu später mehr.

Alles schön bisher. Ich kann nun Dokumente von meiner KK erhalten, Krankmeldungen einreichen, Anträge einsehen und eine eGK beantragen, welche ja zwingend notwendig ist.

Was noch nicht geht, ist das E-Rezept!

Der nächste Schritt

Da es mehrere E-Rezept-App Anbieter gibt, deren Benutzer Erfahrungen leider alle ziemlich grenzwertig sind, habe ich mich für die "offizielle" App der GEMATIK entschieden (Nationale Agentur für digitale Medizin). Auf deren Seite wird dies in den schillerndsten Tönen hochgelobt. Marketing muss sein. Diese App ist im Play Store kostenlos erhältlich und muss installiert werden.

Aber jetzt wird es richtig spannend! Für den Download wird ein Google Play Store Konto benötigt. Dafür wiederum benötigt man ein Mailadresse samt Passwort. Für den Play Store bzw. Google wird dann wieder ein PW vergeben.

Für die Anmeldung in der E-Rezept-App benötigen Sie ein NFC-fähiges Smartphone, eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) und den dazugehörigen PIN.

Um am E-Rezept teilnehmen zu können, wird wie beschrieben die eGK zwingend vorausgesetzt und man benötigt von der KK ein weiteres Passwort. Hat man nach einer Wartezeit auch dieses erhalten, legt man sich noch den Personalausweis und die eGK bereit. Sinn und Zweck ist, dass man sich gegenüber der KK und dem E-Rezept erst einmal identifizieren muss. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten.

1. Man identifiziert sich mittels POST ID und Ausweis in der Postfiliale2. Oder man lädt eine weitere App herunter "Nect Wallet"

Bei "Nect Wallet" kann man den Ident Vorgang von zuhause aus erledigen.

Die App führt einen ganz ordentlich durch den gesamten Vorgang.

  • Name der KK
  • Nummer der eGK eingeben
  • Einscannen von Vorder- und Rückseite der eGK
  • Einscannen von Vorder- und Rückseite Personalausweis

Dieser Vorgang kann schnell gehen, oder auch sehr langsam. Unter Umständen müssen bestimmte Seiten der Dokumente mehrfach eingescannt werden, wenn diese nicht genau unter dem vorgegebenen Rahmen des QR-Scanners liegen.

Hat man dann zur Zufriedenheit der App alles richtig gemacht, dann kann ein weiteres Passwort bei der jeweiligen KK angefordert werden.

Auch dieses wird wiederum auf dem Postweg zugestellt.

Es wird spannend

Haben wir nun alles zur Hand, geht es endlich los! Yep! Wir öffnen die E-Rezept App.

Wir haben das PW zur Hand und benötigen zusätzlich (und dies alle 24 Stunden erneut samt Einscannen der eGK) die PIN der KK, siehe oben! Also: PW + PIN

Zur Erläuterung: nach einem Neustart der App wird das PW benötigt. Nach 24 Stunden dann PIN und eGK, der Chip der Karte muss mittels NFC (Near Field Communication) eingelesen werden. NFC muss ZWINGEND auf dem Handy aktiviert sein, sonst geht nichts.

Wer sich also z.B. am Montag um 9 Uhr einloggt, um zu sehen, ob sein Rezept angekommen ist, und es am Dienstag nach 9 Uhr in der Apotheke abholen will, benötigt, das ist kein Scherz, zuerst die eGK und sein Smartphone. Man könnte also theoretisch gleich mit der eGK in die Apotheke gehen.

In der GEMATIK-E-Rezept-App können wir nun oben links ein Profil oder auch mehrere, z.B. für Ehepartner oder Eltern anlegen (wobei dann die Identifikation für jedes Profil durchgeführt werden muss).

Unten befinden sich die Ordner (Reiter): Rezepte, Apotheken, Bestellungen, Einstellungen.

Auch ein Rezeptarchiv, aller erhaltenen E-Rezepte wird angezeigt.

Bei Apotheken können mittels Eingabe der PLZ die favorisierten Apotheken ausgesucht und gespeichert werden. Bei Einstellungen kann auch eine Wunsch PIN gewählt werden, oder eine neue Karte bestellt werden. Bei Verlust der eGK muss nach einem Neuerhalt der komplette Prozess nochmals abgearbeitet werden.

"Ich bin ja schon drin!" Den Satz kennen ja die meisten von uns noch. Wie geht es nun weiter?

Beim Arzt

Während wie beschrieben der Großteil der Patienten mittels eGK seine Apotheke besucht, versuche ich nun diesen Weg mit dem Smartphone nachzuvollziehen.

Viele Probleme resultieren derzeit daraus, dass Ärzte die ausgestellten Rezepte nicht sofort mit ihrem Schlüssel freigeben, sondern oft eine Bündelung zu einem späteren Tageszeitpunkt vornehmen.

Gehen wir nun vom Regelfall aus, der Arzt gibt sofort das benötigte Medikament (oder Mehrzahl) mit seinem Schlüssel frei.

Ich habe mir also ein E-Rezept ausstellen lassen. Die ersten Versuche eines Facharztes liefen komplett ins Leere. Die Verordnung tauchte auch nach zweimaligem Senden nicht auf. Ich hinterlegte meine eGK in der Apotheke, welche dies gemeinsam mit dem Personal des FA testeten. Irgendwann tauchte die Verordnung dann in der Apotheke auch auf.

Probleme mit der App

Apotheke

  • Früher konnten die PTA’s mit dem Rezept zu den Schubladen gehen, jetzt ein erheblicher Mehr Weg, ein tragbares Lesegerät für die PTA’s wäre sinnvoll
  • Nicht lieferbare Verordnungen können telefonisch beim Arzt nicht verändert werden, wie früher, wo dies möglich war, Patient muss wieder Kontakt zum Arzt aufnehmen
  • Apotheken können in der App nicht anzeigen, dass das Medikament nun vorrätig ist
  • Viele Praxen sind telefonisch nicht erreichbar, Apotheken können nicht eben mal anrufen, der Patient muss wieder zur ausstellenden Praxis
  • Probleme gibt es auch bei der Abrechnung. So fehlte z.B. dem Apotheker Binninger aus Düsseldorf im Januar ein fünf-stelliger Betrag. Fast 200 seiner belieferten E-Rezepte wurden zum Jahresstart wegen technischer Probleme einfach nicht vom Rechenzentrum erfasst. (https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/)

Benutzer

  • Der Weg über die App ist im Prinzip unzumutbar
  • Die Einstiegshürden sind für Laien viel zu hoch
  • Vom E-Rezept ausgenommen sind: Heilmittel, Privatrezepte, BTM-Verordnungen

Arzt

  • erheblicher Zeitaufwand durch E-Rezept-Kontrolle und EXTRA-Rezept-Postfach
  • Schulungsaufwand

Bei meinem Hausarzt ließ ich mir eine Verordnung ausstellen. Auf meinem Handy tauchte diese auf. In der GEMATIK-App kann man dann seine favorisierte Apotheke anklicken, die Verordnung ebenso. Zur Auswahl stehen: Abholung, Zustellung (nur wo angeboten) und Lieferung (bedeutet wohl per Post) Habe also Abholung angeklickt und auf EINLÖSEN gedrückt. Außer der sich ewig drehenden Sanduhr passierte nichts.

Also eine zweite Ausstellung. Immer wieder Telefon-Kontakt mit der Apotheke. Wieder beim Arzt: alle zwei Verordnungen dort gelöscht. Neu ausgestellt. Jetzt kam diese Verordnung tatsächlich in der Apotheke an. Nach wenigen Minuten das vorher gelöschte auch noch. Nun konnte das Medikament bestellt werden.

In meiner App waren nach wie vor alle drei Verordnungen aktiv. Nur bei einem steht nun "in Einlösung". Bei Bestellungen sind alle drei Versuche noch präsent. Wie diese "inaktiven" Rezepte gelöscht werden können, ist mir noch nicht erklärt worden.

Das alles hat nun gut drei Wochen in Anspruch genommen.

Generelle Probleme

Wie mir meine BKK erklärte, häufen sich gerade bei den AU-Bescheinigungen die Probleme.

Geht ein Arbeitnehmer z.B. erst spät am dritten Tag seiner Meldepflicht beim Arbeitgeber zum Arzt und dieser gibt die AU mittels Schlüssel erst am Folgetag frei, so meint der AN seiner Pflicht Genüge getan zu haben und wundert sich, wenn er abgemahnt wird.

Wie wir wissen gab es bei der GEMATIK bereits einige Server-Abstürze, so konnten stunden- oder tagesweise keine gültigen Rezepte eingelöst werden. Dies weiß aber weder der Arzt, noch die Apotheke zu diesem Zeitpunkt.

Also eGK oder Handy, keine Einlösung möglich. Die einzige Möglichkeit wäre ein Ausdruck des Rezeptes.

Pro eine Stunde Ausfall bei der GEMATIK können bis zu 200 000 E-Rezepte in Deutschland nicht eingelöst werden. Die Versorgungsfähigkeit der Patienten gerät in eine immer größere Schieflage.


Autor:
© privat
Gerald O. Andersson
Betriebswirt + Fachjournalist


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (5) Seite 39-41