Zum Screening und zur Diagnose eines Diabetes (auch von Gestationsdiabetes) wird ein oraler Glukosebelastungstest (oGTT) durchgeführt. Dabei wird eine zuckerhaltige Testlösung zum Trinken verabreicht, anschließend wird der Anstieg im Glukosegehalt in Plasmaproben mit einer geeigneten Messmethode bestimmt [Freckmann 2022].

Hintergrund und aktuelle Situation

Diese Glukoselösung, mit einem Gehalt von 25 g wasserfreier Glukose pro 100 ml Lösung und einer Gesamtmenge von 50 oder 75 g Glukose, kann als Fertiglösung über Apotheken bezogen oder in Arztpraxen hergestellt werden. Dabei ist nicht klar, ob der Glukoseanstieg im Blut nach Trinken der Glukoselösung je nach Art der verwendeten Lösung identisch ist, zumal die Magenentleerung je nach beigefügten Hilfsstoffen unterschiedlich sein kann [Heinemann 2022]. Das Trinken einer reinen Glukoselösung wird von vielen Menschen als unangenehm empfunden und z. T. schlecht vertragen (Übelkeit, Erbrechen), daher werden den Fertiglösungen Geschmacksstoffe zugemischt.

Vom Gesamtprozedere beim oGTT wäre die Verwendung von kostengünstig und standardisiert hergestellten Fertiglösungen aus Gründen der Patientensicherheit und Arbeitsökonomie zu bevorzugen. Wenn diese im Rahmen der Verordnung von Sprechstundenbedarf aus Kostengründen in der Diskussion sind, dann ist dies unverständlich angesichts der Höhe der insgesamt anfallenden Kosten für eine Diagnosestellung.

Bei einer Befragung zur Praxis von Labormessungen in diabetologischen Praxen (LabDIAB von winDiab), wurde u. a. nach der dort verwendeten Glukoselösung gefragt [Kaltheuner 2024]. Es wurden die Datensätze von 66 Praxen ausgewertet, wobei in 28 (41 %) dieser Praxen eine Fertiglösung für den oGTT verwendet wurde, bei 9 Praxen wurde die Lösung von einer Apotheke erstellt. Für die Selbstherstellung der Glukoselösung in der Praxis erhielten 29 (44 %) der Praxen ein von der Apotheke abgepacktes Glukosepulver, in 16 (24 %) der Praxen wurde konfektioniertes Glukosepulver verwendet (Mehrfachangaben waren möglich). In 18 (9 %) Praxen wurde die Glukoselösung manuell angerührt, in 6 Praxen wurde ein Magnetrührer verwendet. Ein wohl häufiger Fehler ist z. B. die Einwaage von 75 g anstelle von 82,5 g Glukose-Monohydrat (entsprechend 75 g wasserfreie Glukose), wobei das Gewicht des gebundenen Wassers nicht entsprechend berücksichtigt wird.

Nachdem es in den letzten Jahren einiges an Diskussionen und Publikationen zum Thema Glukoselösungen gegeben hat, unter anderem ein Update an dieser Stelle [Krüger 2023], ist es das Ziel dieser Arbeit, aktuelle Informationen zum Stand der Dinge zu präsentieren, damit in den Praxen diese wichtige diagnostische Prozedur sicher und mit einer befriedigenden Aussagekraft durchgeführt werden kann [Krüger 2023].

"Ideale" Fertiglösung

In einem Positionspapier der Deutschen Diabetes Gesellschaft gibt es einen Vorschlag für die Herstellung der Testlösung in Apotheken unter Berücksichtigung aller notwendigen Qualitätssicherungsaspekte [Heinemann 2020]. Es gibt auch im "Neue Rezeptur-Formularium (NRF)" eine dieser Vorschrift entsprechende, optimierte Rezeptur für den oGTT (NRF-Vorschrift 13.8.) [Heinemann 2020]. Standardzulassungen kann man beim "Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte" einsehen. Der "Glucose-Toleranztest" ist dort mit der Nummer 282 (Zulassungsnummer 2519.99.99) wie folgt beschrieben:

  • Wirksamer Bestandteil: Glucose-Monohydrat 27,5 g
  • Sonstige Bestandteile: Citronensäure-Monohydrat 0,25 g, Benzoesäure 0,15 g, Glycerol 5,0 g, Gereinigtes Wasser zu 100,0 ml.

Diese Standardzulassung unterscheidet sich allerdings von der neuen NRF-Rezeptur und hinsichtlich des Hilfsstoffs Glycerol, der in der neuen Zusammensetzung der NRF 13.8. bewusst vermieden wurde. Die Beimischung von Glycerol verstärkt die bereits hohe Süße und Osmolalität der Lösung unnötig.

Kommerziell verfügbare Glukose-Fertiglösungen

Es gibt mittlerweile von verschiedenen Firmen zugelassene Fertiglösungen als apothekenpflichtige Arzneimittel auf dem Markt (Tabelle 1). Dabei entspricht deren Zusammensetzung teilweise der alten Standardzusammensetzung, sie enthalten also Glycerol. Sie entsprechen somit nicht in allen Aspekten der erwähnten Vorgaben des DDG-Positionspapiers. Eine weitere Übersicht gibt es in PTA heute von 9/2022 [https://www.ptaheute.de/praxiswissen/rezeptur/o-gtt-verordnung-von-trinkfertiger-loesung-erlaubt].

Die Firma Midas hat beim BfArM eine Fertiglösung mit der neuen Rezeptur (NRF) beantragt, die Zulassung wird wohl in Kürze erfolgen und eine Markteinführung ist im zweiten Halbjahr 2024 zu erwarten. Es fehlt aber eine vergleichende Untersuchung dieser Fertiglösungen unter verschiedenen Gesichtspunkten (Ausmaß der induzierten Glukoseantwort, Verträglichkeit).

Es gilt zu beachten, dass in der Tabelle 1 keine Glukosepulver oder Lösungen aufgelistet sind, die am Markt sind und in Praxen verwendet werden, aber nur als nicht zulassungsfähige Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel im Handel sind. Nur zugelassene, apothekenpflichtige Arzneimittel sind abrechenbar, nicht jedoch diätetische Lebensmittel, auch wenn diese über eine PZN verfügen.

Tabelle 1: Aktuell auf dem deutschen Markt verfügbare Fertigglukoselösungen für den oGTT (Stand 15.07.2024)

Empfehlung einer KV und AOK zu der zu verwendenden Glukoselösung

Die KV Hessen und die AOK Hessen listen konkrete Hersteller für die oGTT-Fertiglösung als Sprechstundenbedarf auf. Bei einer Konzentration von 25 g/100 ml zählt man 2 (für 50 g GCT) oder 3 (für 75 g oGTT) Flaschen á 100 ml ab und gibt sie dem Patienten zu trinken. Die Leitlinie zum Schwangerschaftsdiabetes legt in Abschnitt 7 fest: "…Danach trinkt die Schwangere 75 g wasserfreie Glukose gelöst in 300 ml Wasser oder ein vergleichbares Oligosaccharid-Gemisch schluckweise innerhalb von 3 - 5 Minuten…". In Rubrik 6 steht zum Vortest (50 g GCT-Test): Der GCT wird unabhängig von der Nahrungsaufnahme und der Tageszeit im nicht-nüchternen Zustand mit dem Trinken von 50 g wasserfreier Glukose in 200 ml Wasser durchgeführt".

Verordnungsfähigkeit von Glukoselösungen

In zehn von 17 Bereichen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) kann die oGTT- Lösung als Sprechstundenbedarf nach den angegebenen Voraussetzungen verordnet werden (Tabelle 2). Die Gründe für die Unterschiede zwischen den KVen sind nicht transparent.

In einigen KV-Bezirken gibt es – wohl vorrangig aus Kostengründen – Vorgaben zur Selbstherstellung der Glukoselösung in der Praxis. Rezepturzubereitungen aus der Apotheke können nach Zusammensetzung, Menge und Gebinde zu höheren Kosten führen als die jetzt am Markt befindlichen Fertigarzneimittel. Dies ist im Einzelfall von der verordnenden Praxis im Rahmen der Vereinbarungen zum Sprechstundenbedarf zu prüfen.

Tabelle 2: Verordnungsfähigkeit von oGTT-Fertiglösungen lt. Sprechstunden-Bedarfsvereinbarungen (Stand 01.06.2024)

Marktsituation: Welche Glukoselösungen werden in welchem Ausmaß zu Lasten der GKV abgerechnet?

Hersteller veröffentlichen üblicherweise keine Verkaufszahlen zu ihren Produkten, deshalb wurden mithilfe der Datenbank des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (www.dapi.de) Absatzzahlen von oGTT-Arzneimitteln als Fertiglösungen und als Rezepturen analysiert, die über öffentliche Apotheken in Deutschland zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) abgerechnet wurden. In der Datenbank lagen für den Abrechnungszeitraum April 2023 bis März 2024 vollständig anonymisierte Abrechnungsdaten einer repräsentativen Stichprobe von mehr als 95 % der Abgaben aus öffentlichen Apotheken aller 16 Bundesländer vor. Sie stellen eine umfassende und valide Grundlage für die Abgaben von oGTT-Fertigarzneimitteln und den relevanten über Sonderkennzeichen abgerechneten Rezepturen (Sonderkennzeichen 09999011, 06460702 sowie regionale Sonderkennzeichen für die Abrechnung von oGTTs) dar. Für die Identifizierung von oGTT in Rezepturen wurden die elektronischen Zusatzdatensätze der betreffenden Sonderkennzeichen ausgewertet, in denen die Abrechnungen der Inhaltsstoffe aufgelistet sind. Als oGTT wurden Rezepturen in die Auswertung eingeschlossen, in denen jeweils mindestens 50 g Glukose und keine unplausiblen Hilfsstoffe verarbeitet wurden. Es kamen weitere Rezepturen in den Abrechnungsdaten mit weniger als 50 g Glukose vor. Bei diesen könnte es sich potenziell um oGTT für Kinder handeln (1,75 g Glukose pro kg Körpergewicht). Diese waren allerdings nicht zweifelsfrei von anderen Rezepturen für andere Zwecke zu unterscheiden, in denen Glukose lediglich als Süßungsmittel verwendet wurde. Deshalb wurden sie nicht eingeschlossen. Die fraglichen Rezepturen machten aber nur einen geringen Teil der betrachteten Zubereitungen aus (ca. 1 %). Die Daten wurden mit regionalen Hochrechnungsfaktoren auf 100 % der Abgaben zulasten der GKV hochgerechnet. Verordnungen auf Privatrezepten und die medikamentöse Versorgung im Rahmen von stationären Aufenthalten sind in der Datenbasis des DAPI nicht enthalten und wurden demgemäß in der Auswertung nicht erfasst. Die Verordnungen wurden aufgeschlüsselt nach Einzelverordnungen ("Rezept"-Patienten) und Sprechstundenbedarf (Tabellen 3 und 4).

Tabelle 3: Absatz und Umsatz von oGTT-Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV im Zeitraum April 2023 bis März 2024

Insgesamt wurden 44,1 Tsd. Packungen oGTT-Fertigarzneimittel und 38,1 Tsd. oGTT-Rezepturen zwischen April 2023 und März 2024 mit einem Gesamtumsatz von 1,5 Mio. € bundesweit abgerechnet. Einzelverordnungen waren gegenüber Verordnungen von Fertigarzneimitteln und Rezepturen im Sprechstundenbedarf deutlich in der Minderheit.

Marktführer bei den Fertigarzneimitteln war medphano, gefolgt von Infectopharm. Die regionalen Abrechnungen spiegeln die unterschiedlichen Vereinbarungen der Landesverbände wider.

Tabelle 4: Absatz und Umsatz von oGTT in Rezepturen zu Lasten der GKV im Zeitraum April 2023 bis März 2024

Rechtliche Situation – Regresse

Ein Mitglied des Vorstands des BVND hat vor kurzem beim Sozialgericht Dortmund einen Prozess um Regresse bei Verordnung von Glukoselösungen (es ging um Accu Check Dextrose OGT) gewonnen, d. h. die Regressforderung wurde abgewiesen (AZ: S 16 KA 14/22 beim Sozialgericht Dortmund). Mit diesem Urteil gibt es möglicherweise eine Chance, einen Beispielvertrag in einem Bundesland mit einer federführenden Krankenkasse abzuschließen, der dann zum Standard werden könnte.

Zusammenfassung

Zurzeit sind sechs Fertigarzneimittel als Lösungen auf dem Markt, die für die sachgerechte Durchführung des oGTT geeignet sind. Somit sind Arztpraxen nicht mehr auf Rezepturen oder für den Sprechstundenbedarf nicht zugelassene Produkte für die Durchführung eines oGTT angewiesen. Das Anmischen der Glukoselösung in der Praxis ist obsolet.

In Anbetracht der Bedeutung eines zuverlässigen Ergebnisses des oGTT bei einer optimalen Durchführung dieses wichtigen diagnostischen Tests gilt es noch eine Reihe von anderen Faktoren zu berücksichtigen. Es werden in der jährlich aktualisierten Praxisleitlinie der DDG zur Diagnose und Klassifikation des Diabetes zusätzliche Angaben beim Abschnitt zum oGTT eingepflegt, der auch die hier dargestellten Aspekte in Kurzform beinhaltet.


Literatur:
Freckmann G HL, Pleus S, Petersmann A, Kaiser P, Nauck M. Messqualität bei der Glukosemessung im Rahmen der Diabetesdiagnose und -therapie in Deutschland. Deutsche Medizinische Wochenschrift. 2022;147:413-417
Heinemann L, Adamczewski H, Neumann C, Kaltheuner M, Reimann H, Krüger M. Gemeinsames Positionspapier der Kommission Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG und DGKL und der Kommission Apotheker in der Diabetologie BAK/DDG zur Herstellung einer oGTT-Lösung für die Diagnose eines Diabetes einschließlich eines Gestationsdiabetes. Diabetologie. 2020;15:470-471 (mit Addendum zum Gemeinsamen Positionspapier der Kommission Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG und DGKL (KLD) und der Kommission Apotheker in der Diabetologie (BAK/DDG) zur Herstellung einer oGTT-Lösung für die Diagnose eines Diabetes einschließlich eines Gestationsdiabetes: Analyse und Vorschläge zur Herstellung)
Heinemann L. Are all glucose solutions used for oGTT equal? Diabetic Medicine. 2022;39:e14798
https://www.ptaheute.de/praxiswissen/rezeptur/o-gtt-verordnung-von-trinkfertiger-loesung-erlaubt (letzter Zugriff am 24.07.2024)
Kaltheuner M, Freckmann G, Nauck M, Heinemann L. LabDIAB: Ergebnisse einer Befragung zu Laboruntersuchungen mit Antworten von 66 diabetologischen Praxen. Diabetes, Stoffwechsel und Herz. 2024;33:108-111
Krüger M, Heinemann L. Verfügbarkeit von Fertiglösungen für den oGTT: ein Update. Diabetes, Stoffwechsel und Herz. 2023;32:90-91

Korrespondenzadressen:
© zukunftsboard digitalisierung/Ludwig Niethammer
Prof. Dr. Lutz Heinemann
Science Consulting in Diabetes GmbH
Schwerinstr. 36, 40477 Düsseldorf
Tel.: 01 60/8 87 74 01

© deckbar.de
Manfred Krüger
Lehrbeauftragter Klinische Pharmazie der Universitäten Bonn und Düsseldorf
Fachapotheker für Pflegeversorgung
Kommission "Apotheker in der Diabetologie", DDG/BAK
DDG AG Diabetes, Umwelt und Klima, DDG AG Prävention
Moerserlandstr.198B, 47802 Krefeld, Germany


Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2024; 33 (5) Seite 293-298