Lipoprotein (a) – abgekürzt Lp(a) – ist ein primär genetisch determinierter, kausaler Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere Aortenklappenstenose und Myokardinfarkt. Es wird empfohlen, Lp(a) einmalig im Leben bei allen Individuen zu bestimmen, da dies eine Reklassifikation des individuellen kardiovaskulären Risikos erlaubt.

In Individuen mit erhöhtem Lp(a) wird aktuell eine maximale Therapie aller kardiovaskulären Risikofaktoren empfohlen. Bei Patienten mit progredienter atherosklerotischer Gefäßerkrankung trotz aller therapeutischen Maßnahmen steht bislang nur die Lipoprotein-Apherese zur Verfügung. Hierbei kommt spezialisierten Lipidambulanzen eine zentrale Bedeutung in der Betreuung dieser Patienten zu. Laufende oder in Planung befindliche Outcome-Studien untersuchen, ob durch eine drastische Senkung von Lp(a) eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erzielt werden kann.

Abkürzungen
ASCVD: Atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen
PCI: perkutane koronare Intervention
EAS: Europäische Atherosklerose Gesellschaft
HDL-C: High Density Lipoprotein- Cholesterin
LDL-C: Low Density Lipoprotein- Cholesterin
LDL-CLp(a): Cholesterin-bereinigte Lp(a)-Masse
Lp(a): Lipoprotein(a)
LPA-Gen: Lipoprotein(a)-Gen
LV: Linksventrikulär
NSTEMI: Nicht-ST-Hebungsinfarkt
PCSK9: Proprotein Convertase Subtilisin / Kexin type 9)
RCX: Ramus circumflexus

Fall-Vignette

Ein 56-jähriger Mann stellte sich notfallmässig in unserer Klinik vor mit Ruhe-Angina bei hypertensiver Krise mit einem systolischem Blutdruck von 220 mmHg und Diagnose eines NSTEMI. Das kardiovaskuläre Risikoprofil wies eine arterielle Hypertonie und ein erhöhtes Lp(a) mit 421 nmol/l (195 mg/dl) sowie eine kombinierte Hyperlipidämie auf. Echokardiographisch zeigte sich bei normaler LV-Ejektionsfraktion mit lateraler Hypokinesie eine Aortenklappensklerose ohne Stenose mit geringer Insuffizienz. Es erfolgte die Akut-PCI mit Implantation eines Medikamenten-beschichteten Stents in den RCX bei koronarer Eingefässerkrankung.

Zusätzlich zur dualen Plättchenaggregationshemmung wurde eine antihypertensive Therapie begonnen. Er hatte zuvor keine Lipid-senkende Therapie eingenommen. Eine Kombinationstherapie von Rosuvastatin 40 mg/Tag und Ezetimib 10 mg/Tag wurde eingeleitet. Nach 6 Wochen war das LDL-C von 203 mg/dl um 77 % auf 46 mg/dl reduziert, die Triglyzeride wurden von 286 mg/dl auf 108 mg/dl abgesenkt; der HbA1c lag bei 5,3 %, die Blutdruckwerte waren normwertig. Mit der Empfehlung, weiterhin auf die optimale Einstellung aller kardiovaskulären Risikofaktoren zu achten, wurde der Patient in die Nachsorge bei den niedergelassenen Kollegen entlassen.

Struktur, Konzentration und Messverfahren

Lipoprotein (a) weist eine große Strukturhomologie zum Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) auf und unterscheidet sich von Letzterem durch das kovalent an das Apolipoprotein B gebundene Apolipoprotein (a). Die Struktur und die daraus resultierende Konzentration ist zu mehr als 90 % genetisch determiniert. Die Grundlage hierfür stellen insbesondere Polymorphismen in der Kringel IV-Domäne des LPA-Gens dar. Hohe Kringel-Anzahlen (benannt nach dem dänischen Gebäck) bedingen eine große Isoform von Lp(a) mit niedriger Konzentration in der Blutbahn und entsprechend niedrige Kringel-Anzahlen mit kleiner Isoform gehen mit einer hohen Lp(a)-Konzentration einher. Daraus abgeleitet ist während der Lebenszeit keine deutliche Änderung der Konzentration zu erwarten und es wird empfohlen, zur Risiko-Evaluation bei jedem Menschen einmalig im Leben den Lp(a)-Wert zu bestimmen [Klingel 2019, Kronenberg 2022].

Die Konzentrationsverteilung des Lp(a) entspricht bei Kaukasiern nicht der üblichen Gauss´schen Normalverteilungskurve, sondern ist vielmehr durch eine Linksverschiebung und Stauchung gekennzeichnet. Hierbei entspricht der 75. Perzentile eine Konzentration von 73 nmol/l bzw. 30 mg/dl [Kronenberg 2022].

Als (arbiträre) Grenzwerte wurden von einer aktuellen Konsensusempfehlung [Kronenberg 2022] cut-offs definiert (Tabelle 1).

Hierbei ist hervorzuheben, dass es bislang keinen aus Interventions-Studien abgeleiteten Grenzwert gibt, ab dem ein klinischer Nutzen bei Senkung der Konzentration unterhalb dieses Wertes zu erwarten ist. Komplizierend kommt hinzu, dass die kommerziell verfügbaren Testverfahren Lp(a) entweder in nmol/l (Partikelanzahl) oder mg/dl (Masse) angeben und diese nicht direkt konvertierbar sind, was einer direkten Vergleichbarkeit der Messwerte aktuell im Wege steht. Aufgrund der Strukturhomologie zum LDL-C wird in einigen Studien eine Korrektur für den LDL-C Gehalt im Lp(a) vorgenommen nach der Formel: LDL-CLp(a)=Triglyzeride-HDL-C-Triglyzeride/5-[Lp(a)x 0.45] [Pérez de Isla 2021]. Hierbei wird der Anteil des Cholesterins auf 45 % der Lp(a)-Masse (mg/dl) geschätzt. Bedingt durch eine hohe Variabilität im LPA-Gen ist diese Näherung jedoch nur bedingt aussagekräftig mit einer Schwankungsbreite von 6 % bis 57 % des Anteils von LDL-C im Lp(a) [Yeang 2021].

Klinische Bedeutung

Aus epidemiologischen und genetischen Studien konnte eine kausale Assoziation von erhöhten Lp(a)-Konzentrationen abgeleitet werden. Dies gilt in besonderem Masse für die Assoziation mit dem Lebenszeit-bezogenen Auftreten einer Aortenklappenstenose, eines Myokardinfarkts und in abgeschwächter Form für das Auftreten einer Herzinsuffizienz und von ischämischen Schlaganfällen [Kronenberg 2022, Thanassoulis 2013, Kamstrup 2014]. Bei den letzten beiden Entitäten ist wahrscheinlich die Heterogenität der Ätiologien als Ursache für die schwächere Assoziation anzuführen, wie für den Schlaganfall gezeigt werden konnte [Arnold 2021].

Abb. 1: Reklassifikation des kardiovaskulären Risikos bei erhöhtem Lp(a) und Empfehlungen zum Patientenmanagement gemäss EAS Konsensuspapier [nach Kronenberg 2022].

Therapieempfehlungen

Es gibt bislang nur die Lipoprotein-Apherese, die bei 68 % Absenkung der Lp(a)-Konzentration eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse ermöglicht hat gemäß der publizierten Ergebnisse in einer multizentrischen Studie, die die Ereignisrate vor Beginn mit der Ereignisrate während 5 Jahren nach Einleitung der Lipoprotein-Apherese verglichen hat [Roeseler 2016]. Einschränkend ist hierbei zu erwähnen, dass auch eine deutliche Absenkung des LDL-C um 66 % erzielt wurde. Diese Therapie ist Einzelfällen in einer spezialisierten Lipidambulanz vorbehalten (nach Kostengutsprache durch die lokale kassenärztliche Vereinigung), die bei Lp(a)-Konzentration über 60 mg/dl eine progrediente atherosklerotische Gefässerkrankung aufweisen mit rezidivierenden klinischen Ereignissen, trotz maximaler Lipid-senkender Therapie (LDL-C) und optimaler Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren. Die aktuelle Konsensusempfehlung der Europäischen Atherosklerose Gesellschaft (EAS) fasst dieses Vorgehen zusammen und schlägt ausgehend von dem kardiovaskulären Risikoprofil und unter Differenzierung, ob es sich um eine Primärprävention oder Sekundärprävention handelt, eine adaptierte optimale Reduktion aller aktuell modifizierbaren/behandelbaren kardiovaskulären Risikofaktoren vor (Abbildung 1) [Kronenberg 2022]. Für die beiden PCSK9-Inhibitoren Alirocumab und Evolocumab wurden neben der LDL-C-Senkung auch Senkungen des Lp(a) um 23 und 27 % beschrieben [Bittner 2020, O‘Donoghue 2019]. Dies ging einher mit einer Reduktion klinischer Ereignisse bei Patienten, die sich in der höchsten Quartile befanden. Diese Daten sind sehr interessant und können jedoch nur als Hypothesen-generierend eingestuft werden. Es liegt keine Zulassung für die PCSK9-Inhibitoren zur Lp(a)-Reduktion vor.

Aktuelle Studien

Es bleibt die Frage offen, welche prozentuale und absolute Absenkung des Lp(a) zu einer Reduktion klinischer Ereignisse führt und somit erstmals die Definition eines Therapie-relevanten Grenzwertes ermöglicht. Die aktuell laufende HORIZON-Studie (clinicaltrials.gov NCT04023552) adressiert die Frage, ob eine Lp(a)-Reduktion mittels einer anti-sense Oligonukleotid-Strategie (Pelacarsen [Tsimikas 2020]) bei Patienten mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung und Lp(a)-Werten ≥175 nmol/l (≥70 mg/dl) klinische Ereignisse verhindern kann. Die Ergebnisse werden in 2025 erwartet. Zusätzlich befinden sich zwei weitere Kandidaten in Phase I-IIStudien aus der Kategorie der small interfering RNAs in Erprobung, für die knapp 95 % Reduktionen des Lp(a) beobachtet wurden [O‘Donoghue 2022, Nissen 2022].


Literatur
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Korrespondenzadresse:
PD Dr. med. Roland Klingenberg, FESC
Oberarzt, Leiter der Lipidprivatambulanz, Medizinischer Leiter Klinische Studien, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, DGK-Zusatzqualifikation Interventionelle Kardiologie, Lipidologe DGFF®
Kerckhoff-Klinik gGmbH, Klinik für Kardiologie, Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und ihres Fachbereiches Medizin
Benekestrasse 2-8, D-61231 Bad Nauheim
Tel: +49 (0) 6032 996 6463, Fax: +49 (0) 6032 996 2313

Interessenkonflikte:
RK gibt Vortragshonorare an von der Kerckhoff-Forschungsgesellschaft, Kardiologie-Plattform Hessen eG, Amarin, Daiichi-Sankyo, Novartis, Pfizer (alle Deutschland) sowie Aufwandsentschädigungen für Beratertätigkeiten von Bristol Myers Squibb, Amarin, Novartis und Daiichi-Sankyo (alle Deutschland).


Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2024; 33 (2) Seite 94-97