Die Klimakrise sowie die Notwendigkeit einer Ressourcenoptimierung stellen auch die Gesundheitssysteme vor Herausforderungen [Costello 2023, Gregory 2022]. Diabetes mellitus ist weltweit eine der häufigsten chronischen Erkrankungen [Martens 2016]. Technologische Möglichkeiten und Hilfsmittel werden zunehmend für die Behandlung von Menschen mit Diabetes (MmD) eingesetzt.
Zusammenfassung
Einleitung: Die Diabetestechnologie ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Diabetestherapie. Dies ist jedoch mit einer zunehmenden Menge an "Diabetes- Müll" verbunden. Bislang wurde die Menge an Abfall, die in der Praxis anfällt, nicht quantifiziert. Ziel dieser Studie war es, dies in einer Diabetesschwerpunktpraxis in Deutschland durchzuführen.Methodik: 80 Patienten mit Diabetes und Insulinbehandlung sammelten drei Monate ihren gesamten therapiebedingten Abfall. Vor und nach der Studie wurde ihre Einstellung zur Nachhaltigkeit der antidiabetischen Therapie, zum Abfallaufkommen und zu ihrem eigenen Abfallvermeidungs- bzw. -trennungsverhalten erfragt.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 23 707 Stück therapiebezogener Abfälle gesammelt. Art und Menge des gesammelten Abfalls hingen vom Diabetestyp und der jeweiligen Therapie ab. Die Mehrheit der Teilnehmer (92 %) war von der Abfallmenge überrascht und berichtete über ein gesteigertes Bewusstsein für den Ressourcenverbrauch ihrer Therapie (87 %), sowie ein gesteigertes Interesse an der Abfalltrennung (94 %) und der Reduzierung und dem Recycling von Geräten/Hilfsmitteln (93 %).
Schlussfolgerung: Laut Hochrechnung könnten jährlich rund 1,2 Milliarden Teile an "Diabetes-Abfall" anfallen. Die Mehrheit der Studienteilnehmenden bemängelte die begrenzten Entsorgungs- und Recyclingmöglichkeiten. Insbesondere nach der Studie wurde eine deutliche Forderung nach einer verbesserten Nachhaltigkeit der Medizinprodukte geäußert.SchlüsselwörterDiabetes, Technologie, Müll, Nachhaltigkeit, Recycling, Real-World Studie
Schlüsselwörter
Typ-1-Diabetes, Früherkennung, Autoantikörper, Teplizumab, Immuntherapie
Diabetes technology and waste: A real-world study in a specialized diabetes practice
Summary
Background: Diabetes technology is a fundamental part of modern diabetes therapy. This is associated with an increasing amount of "diabetes technology waste." The aim of this study was to quantify this waste in a real-world situation in a specialized diabetes practice in Germany.
Methods: 80 patients with diabetes and insulin treatment collected all of their therapy-associated waste for three months. Their attitude toward sustainability of antidiabetic therapy, waste generation, and their own waste reduction/separation behaviour was surveyed.
Results: In total, 23 707 pieces of therapy-associated waste were collected. Type and quantity of the collected waste depended on the type of diabetes and the respective therapy, i.e., multiple daily injections, usage of glucose sensors, or pump therapy. Most participants (92 %) were surprised by the amounts of waste and reported an increased awareness toward the resource consumption of their therapy (87 %), an enhanced interest in waste separation (94 %) and in reduction and recycling of devices/aids (93 %).
Conclusions: Extrapolating these data, it can be estimated that around 1.2 billion pieces of diabetes technology waste are generated in Germany per year. The major concern of the study participants was the limited number of recycling options. A clear demand for improved sustainability of the medical products was expressed.Key wordsdiabetes, technology, waste, sustainability, recycling, real-world study
Keywords
Type 1 Diabetes, Screening, Autoantibodies, Teplizumab, Immunotherapy
Bei mehr als 400 Millionen Menschen mit Diabetes weltweit ist die Menge des Abfalls, der täglich durch die Verwendung von Diabetesgeräten und deren Verpackung entsteht, beträchtlich [Heinemann 2019, Heinemann 2022, Klonoff 2020, Krisiunas 2011]. Unser Wissen über die Abfallmenge, die bei MmD während der täglichen Diabetestherapie anfällt, ist jedoch noch relativ gering. Ein einziges Produkt kann viele verschiedene Komponenten enthalten, von denen jede aus einem anderen Material besteht, das zu zerlegen (wenn überhaupt möglich) und entsprechend zu entsorgen ist. Daher werden die im Rahmen der Diabetestherapie anfallenden Abfälle in der Regel über den Hausmüll entsorgt.
Im Angesicht von begrenzten Ressourcen und der Klimakrise erfährt die Ressourcenoptimierung zunehmend Beachtung [Kurth 2022]. Die Auswirkungen der Therapie auf die Umwelt und das Ziel nachhaltiger Produkte wurden in den letzten Jahren vermehrt thematisiert und prägten den Begriff "Green Diabetes " [Klonoff 2020].
Es besteht Bedarf an weiteren Forschungsarbeiten, die darauf abzielen, die Umweltauswirkungen antidiabetischer Therapien zu verringern, um eine medizinische Versorgung von MmD auf dem neuesten Stand der Technik zu gewährleisten und gleichzeitig die damit verbundenen Umweltauswirkungen zu reduzieren. Damit sind primär die Politik und die Hersteller zum Handeln aufgefordert. Aktuell können MmD aktiv werden, indem sie ihre Abfälle korrekt entsorgen. Dies wiederum kann durch die Industrie durch Anleitung und z. B. Markierungen der Produktbestandteile zur erleichtertenTrennung unterstützt werden.
Es gibt jedoch, wenn überhaupt, nur wenige Daten über die reale Abfallmenge, die als Nebenprodukt der antidiabetischen Therapie anfällt. Ebenso ist wenig über die Einstellung von MmD zur Nachhaltigkeit ihres täglichen Diabetesmanagements bekannt. Ziel unserer Studie war es daher, quantitativ zu erfassen, wie viel und welcher Abfall im Rahmen von Insulintherapien entsteht und in welchem Umfang dies auf individueller Ebene in einer spezialisierten Diabetespraxis in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland geschieht. Darüber hinaus wurde das Bewusstsein von MmD für dieses Thema evaluiert.
CSII: kontinuierliche subkutane Insulininfusion
ICT: Intensivierte konventionelle Insulintherapie
MmD: Menschen mit Diabetes
Material und Methoden
Teilnehmer und Ablauf der Studie
80 MmD, die regelmäßig in einer spezialisierten Diabetespraxis in einer mittelgroßen Stadt behandelt werden, nahmen freiwillig an der Studie teil. Die MmD wurden eingeschlossen, wenn ihre antidiabetische Therapie mehrere tägliche Insulininjektionen (ICT) umfasste oder wenn sie eine Insulinpumpe für die kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII) allein oder als Teil eines automatischen Insulinabgabesystems (AID) verwendeten. Es gab keine weiteren formalen Ein- oder Ausschlusskriterien. Die Patienten wurden aufgenommen, wenn sie bereit und in der Lage waren, drei Monate lang ihre Abfälle im Zusammenhang mit der Diabetes-Technologie zu sammeln und aufzuzeichnen. Sie wurden gebeten, jedes einzelne Stück dieses Abfalls zwischen zwei Routinebesuchen zu sammeln.
Ethik
Die Studie wurde von der lokalen Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen ohne formale Prüfung genehmigt, da die Patientendaten anonymisiert verarbeitet wurden und keine potenzielle studienbezogene Belastung bestand.
Studiendesign
Zu Beginn der Studie wurden im Rahmen der Routineuntersuchung der MmD der Diabetestyp, die Behandlung, das Alter, das Körpergewicht, die Körpergröße, der BMI, die Jahre seit der Diabetesdiagnose, die antidiabetische Therapie und der HbA1c-Wert bestimmt. Alle Freiwilligen sammelten drei Monate lang bis zum nächsten Routinebesuch in der Praxis ihren diabetesbezogenen Abfall.
Alle Teilnehmenden erhielten schriftliche Anweisungen, welche Art von Abfall sie wie sammeln sollten. Diese Abfälle sind in Tabelle 1 aufgeführt. Setzhilfen für Glukosesensoren von CGM-Systemen wurden nicht gesammelt; da jedoch alle Systeme auf Einweghilfen basierten, entsprach ihre Anzahl den verwendeten Sensoren.
Tab. 1: Die im Rahmen der Studie gesammelten Abfälle. Alle Teilnehmenden erhielten schriftliche Anleitungen i.S. einer Checkliste, welche Abfallteile gesammelt werden sollen sowie Empfehlungen, wie diese sicher aufbewahrt werden können, z.B. Nadeln in Glasbehältern.
Die Studienteilnehmenden beantworteten zu Beginn und am Ende der Studie eine Umfrage zu ihrer Einstellung zur Nachhaltigkeit der antidiabetischen Therapie, zum Abfallaufkommen und zu ihrem eigenen Verhalten bei der Abfallvermeidung/-trennung (Tabelle 2).
Tab. 2: Umfrage zu Beginn und am Ende der Studie. Die Teilnehmenden wurden gebeten, die Fragen in Set 1 vor und nach dem Sammeln ihrer Abfälle zu beantworten. Die Fragen aus Set 2 wurden nur am Ende der Studie beantwortet. Die Antwortmöglichkeiten lauteten "stimmt", "stimmt teilweise", "neutral", "stimmt teilweise nicht", oder "stimmt nicht".
Messungen
Der HbA1c-Wert wurde mit einem immunoturbidimetrischen Test (Bioscientia, Ingelheim) gemessen. Die MmD sammelten ihre therapiebedingten Abfälle in Briefumschlägen, Papiertüten, Glasbehältern (Einmachgläsern) oder Originalverpackungen. Interessanterweise lieferten die meisten Teilnehmenden ihre gesammelten Abfälle sorgfältig sortiert in Pappkartons ab; einige verwendeten auch Tüten (Abbildung 1A-C). Zusätzlich zu den Aufzeichnungen der Teilnehmenden wurde jedes einzelne gesammelte Abfallstück händisch kontrolliert. Alle gesammelten Abfälle wurden zu diesem Zweck gründlich überprüft, sortiert und gezählt, d.h. die Sammelbehälter wurden geleert und sogar einzelne Nadeln und Glukoseteststreifen wurden erfasst (Abbildung 1D). Diese Prozedur wurde von zwei Personen des Studienteams durchgeführt, wobei eine Person zählte und die andere protokollierte.
Abb. 1: Beispiele für gesammelten Abfall. (A-C) Repräsentative Fotos verschiedener Methoden der Verpackung und (D) ein Beispiel von Abfall nach dem Erfassen und Zählen. Nadeln wurden in Glasbehältern mit Schraubverschluss, andere Teile in Umschlägen, Papiertüten oder der Originalverpackung gesammelt. Die meisten Teilnehmenden sortierten ihre Abfälle sorgfältig in Kartonboxen, einige brachten Papiertüten. Jedes Bild zeigt die Abfälle eines einzelnen MmD.
Statistik
Die Daten wurden mit dem Shapiro-Wilk-Test auf Normalverteilung geprüft und mit dem t-Test, dem Mann-Whitney-Test, einer einfaktoriellen ANOVA oder dem Kruskal-Wallis-Test analysiert. Die Daten werden als Mittelwerte (SD) angegeben, sofern nicht anders beschrieben. Ein p-Wert von <0,05 wurde als signifikant angesehen.
Ergebnisse
Patientencharakteristiken und Untergruppen
80 MmD nahmen an der Studie teil. 67 % (n = 31) der Menschen mit Typ-1-Diabetes (T1D) wurden mit ICT behandelt, und 33 % (n = 15) verwendeten eine Insulinpumpe allein oder als Teil eines AID-Systems. Alle MmD mit Typ-2-Diabetes (T2D) verwendeten eine ICT. Der HbA1c-Wert bei Studienbeginn und am Ende der Studie unterschied sich nicht (6,9 (0,9)% vs. 6,7 (0,7)%; p = 0,1). Die Teilnehmer wurden nach dem Typ ihres Diabetes und ihrer antidiabetischen Therapie in Untergruppen unterteilt, d. h. T1D ICT, T1D CSII/AID, oder T2D ICT (Tabelle 3). Die MmD mit T2D waren älter, hatten einen höheren BMI und wurden in einem höheren Alter erstdiagnostiziert.
Tab. 3: Patientencharakteristik und Untergruppen. 80 MmD nahmen an der Studie teil. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen ihrem HbA1c-Wert zu Beginn und am Ende der Studie (# p = 0,1, Mann-Whitney-Test). Die Teilnehmenden wurden je nach ihrer Therapie (ICT oder CSII/AID) und Diabetesform (Typ 1 oder 2) in entsprechende Untergruppen eingeteilt. Die Daten entsprechen dem Mittelwert (SD). Die p-Werte der Subgruppen wurde mit der einfaktoriellen ANOVA berechnet.
Diabetestherapie assoziierter Abfall
Insgesamt wurden während des Studienzeitraums 23 707 Abfallteile gesammelt (T1D ICT: 9 569, T2D ICT: 11 196, T1D CSII/AID 2 942). Diese Zahlen entsprechen einem Durchschnitt von 309 Abfallteilen für T1D ICT, 329 für T2 ICT und 209 für T1D CSII/AID über drei Monate und einer durchschnittlichen täglichen Entsorgung von 263 Stück. Diese durchschnittliche Anzahl unterschied sich signifikant zwischen den drei Untergruppen (p = 0,0085), wobei T2D ICT-Patienten die höchste und T1D CSII/AID die niedrigste Menge an Abfällen erzeugt hatten (T1D ICT: 9 569, T2D ICT: 11 196, T1D CSII/AID: 2 942 Stück). Mehr als die Hälfte der gesammelten Abfälle waren Nadeln (insgesamt 14 619) und Blutzuckerteststreifen (insgesamt 5 362).
Menschen mit T1D verwendeten signifikant mehr CGM-Sensoren als Menschen mit T2D (T1D ICT: 8±3 vs. T2D ICT: 6±3 vs. T1D CSII/AID: 13±6, p < 0,0001). Menschen mit T1D CSII/AID benötigten mehr Batterien als Menschen mit T1D oder T2D mit ICT, aber fast keine Nadeln (beide p < 0,0001). Einwegpens wurden hauptsächlich von ICT-Patienten und T2D verwendet (396 vs. 62 Pens), während Insulinpatronen von beiden Gruppen von ICT-Nutzern verwendet wurden. Nur ein wiederverwendbarer Pen wurde entsorgt. Eine Übersicht über alle gesammelten Abfälle pro MmD wird in Abbildung 2 gegeben. Die entsorgten Gegenstände pro Untergruppe sind in Abbildung 3 dargestellt, detaillierte Daten sind in Tabelle 4 enthalten.
Abb. 2: Übersicht aller gesammelten Abfallteile pro Patient. Die 80 teilnehmenden MmD sammelten insgesamt 23.707 Abfallteile. Jedes Symbol zeigt die Anzahl der entsorgten Teile je Kategorie pro Patient. Symbole für null gesammelte Teile wurden entfernt. Die Details sind in Tabelle 4 angegeben.
Abb. 3: Übersicht über alle gesammelten Teile Diabetestherapie-assoziierten Abfalls pro Subgruppe. (A) MmD mit T1 ICT sammelten insgesamt 9 569 Teile, (B) MmD mit T2 11 196 und (C) jene mit T1 CSII/AID entsorgen 2 942 Hilfsmittel. Jedes Symbol zeigt die Anzahl der entsorgten Teile je Kategorie pro Patient. Symbole für null gesammelte Teile wurden entfernt. Die Details sind in Tabelle 4 angegeben.
Tab. 4: Die Menge an über drei Monate gesammeltem Abfalls. Die einzelnen Teile wurden händisch gezählt und sind für jede Untergruppe von Studienteilnehmenden als absolute Anzahl (Mittelwert pro MmD) sowie als absolute Gesamtzahl pro Gruppe (Mittelwert pro MmD) angegeben. Da nicht von jedem MmD jede Art von Hilfsmittel verwendet wurde, wurde auf die Angabe einer Standardabweichung verzichtet. Die p-Werte wurden mittels Kruskal-Wallis-Test berechnet. **** p < 0,0001, *** p = 0,001, ** p = 0,0085, * p = 0,01. # Die Anzahl der Setzhilfen für CGM-Sensoren ist nicht gezählt worden; sie war äquivalent zur Anzahl der angewendeten Sensoren.
Ergebnisse der Befragung
78 (98 %) der Fragebögen wurden ausgefüllt. Zu Beginn der Befragung gaben 28 % der MmD an, dass der bei ihrer Therapie anfallende Abfall für sie (teilweise) von Bedeutung ist, während 55 % sagten, dass dies (teilweise) nicht zutrifft. Nach der Abfallsammlung gaben 81 % an, dass der Abfall für sie (teilweise) Bedeutung hat, und nur 16 % sagten, dass dem (teilweise) nicht so sei. Dies entsprach in etwa der persönlichen Besorgnis über den Abfall: Zu Beginn der Studie antworteten 35 % der Teilnehmenden, dass sie sich (teilweise) Gedanken über die Abfälle machen. Dieser Prozentsatz stieg nach der Studie auf 92 %. Interessanterweise stieg der Anteil derjenigen Personen, die angaben, ihren Diabetesmüll zu trennen, von 32 % auf 94 %, und die Bereitschaft, zur Abfallverringerung beizutragen, stieg von 69 % auf 93 %. Außerdem stieg die Anzahl der Personen, welche angaben, ihre Glukosesensoren in Batteriesammelstellen zu entsorgen, um 71 % (13 % zu Beginn der Studie, 84 % nach der Studie). Die Daten sind in Abbildung 4 und Tabelle 5 dargestellt.
Abb. 4: Ergebnisse der ersten Umfrage. Die Studienteilnehmenden wurden zu Studienbeginn und am Ende über ihre Einstellung gegenüber dem Abfallaufkommen ihrer Diabetestherapie und ihre persönliche Einstellung zur Müllvermeidung befragt. Die Antwortmöglichkeiten lauteten "stimmt", "stimmt teilweise", "neutral", "stimmt teilweise nicht", or "stimmt nicht". Details sind in Tabelle 5 angegeben.
Tab. 5: Ergebnisse der ersten Umfrage. Die Studienteilnehmenden wurden zu Studienbeginn und am Ende über ihre Einstellung gegenüber dem Abfallaufkommen ihrer Diabetestherapie und ihre persönliche Einstellung zur Müllvermeidung befragt. Die Antwortmöglichkeiten lauteten "stimmt", "stimmt teilweise", "neutral", "stimmt teilweise nicht", oder "stimmt nicht". Die graphische Darstellung findet sich in Abbildung 4.
Nach der Studie wurde ein zusätzlicher Fragenkomplex erhoben. Hier antworteten 92 % der Befragten, dass sie von der Menge des durch ihre Therapie erzeugten Abfalls (teilweise) überrascht waren. 94 % gaben an, dass sie ihren Abfall jetzt trennen, und 95 % würden Projekte zur nachhaltigen Abfallreduzierung unterstützen. Bemerkenswert ist, dass 87 % angaben, dass sich ihre Einstellung zum Thema Abfall durch die Teilnahme an der Studie geändert hat. Eine deutliche Mehrheit der MmD unterstützte die Forderungen nach Abfallreduzierung und Recycling: 91 % möchten, dass Unternehmen Möglichkeiten zur Entsorgung und/oder zum Recycling von Glukosesensoren und Pens anbieten, 94 % fordern eine Reduzierung der Verpackungen, und 93 % fordern Sammelstellen, an denen therapiebedingte Abfälle in Arztpraxen, Kliniken und Apotheken getrennt gesammelt werden können (Abbildung 5, Tabelle 6).
Abb. 5: Ergebnisse der zweiten Umfrage. Die Studienteilnehmenden wurden zu Studienbeginn und am Ende über ihre Erfahrungen im Rahmen der Sammelperiode, ihre persönliche Einstellung zu ihrem Abfall und ihren Forderungen und Wünschen zur Abfallreduktion befragt. Die Antwortmöglichkeiten lauteten "stimmt", "stimmt teilweise", "neutral", "stimmt teilweise nicht", or "stimmt nicht". Details sind in Tabelle 6 angegeben.
Tab. 6: Ergebnisse der zweiten Umfrage. Die Studienteilnehmenden wurden am Studienende über ihre Erfahrungen im Rahmen der Sammelperiode, ihre persönliche Einstellung zu ihrem Abfall und ihren Forderungen und Wünschen zur Abfallreduktion befragt. Die Antwortmöglichkeiten lauteten "stimmt", "stimmt teilweise", "neutral", "stimmt teilweise nicht", oder "stimmt nicht". Die graphische Darstellung findet sich in Abbildung 5.
Diskussion
Die Gesundheitssysteme sind weltweit für etwa 5 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich [Lopes 2022]. Die Diabetologie gilt im Vergleich zu anderen Fachgebieten nicht als besonders ressourcenintensive Fachrichtung; angesichts der hohen Zahl von MmD und der Tatsache, dass es sich bei den aktuellen Produkten der Diabetestechnologie meist um Einwegprodukte handelt, ist der Anteil des Diabetes an der Menge der CO2-Emissionen/Abfallerzeugung jedoch nicht zu unterschätzen. Da sowohl die Prävalenz des Diabetes mellitus als auch die Verwendung entsprechender Produkte in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, fallen von Jahr zu Jahr mehr Abfälle im Zusammenhang mit der Diabetestherapie an. Dieser Trend wird sich höchstwahrscheinlich noch verstärken. Mit dieser Studie haben wir erstmalig die Menge der diabetesbedingten Abfälle quantifiziert.
In einem hochentwickelten Land wie Deutschland, in dem die Kosten für die antidiabetische Behandlung vom Gesundheitssystem übernommen werden, ist dies mit einer beeindruckenden Menge an Abfall verbunden. Es ist klar, dass das Volumen jeder Abfallart ausgesprochen unterschiedlich ist, wenn man zwischen einem Infusionsset oder einem Teststreifen als kleinem Stück und der Verpackung einer Insulinpumpe oder der Setzhilfe eines Glukosesensors als relativ großem Stück unterscheidet. In unserer Studie haben wir Kartonagen, Beipackzettel oder Blisterverpackungen nicht berücksichtigt. Der Schwerpunkt lag auf den für die Therapie verwendeten Produkten. In diesem Sinne war unsere Studie konservativ und unterschätzte sicherlich die Gesamtmenge des anfallenden Abfalls.
Es gab – wie zu erwarten – erhebliche Unterschiede je nach Diabetestyp und der damit verbundenen antidiabetischen Therapie. Blutzuckerteststreifen als Basisinstrument für die Blutzuckermessung sowie Nadeln für die Insulininjektion machten den Großteil der von den MmD gesammelten Einwegartikel aus. Interessanterweise gab es keine signifikanten Unterschiede in der Verwendung von Teststreifen zwischen den drei Gruppen von MmD mit unterschiedlichen Behandlungsmodalitäten, obwohl MmD mit T1D häufiger CGM-Systeme verwendeten. Die meisten von ihnen benutzten wiederverwendbare Insulinpens, im Gegensatz zu Menschen mit T2D, die häufig Einwegpens verwenden. Auffallend ist, dass Menschen mit T1D, die mit CSII/AID behandelt werden, weniger Abfallprodukte entsorgen, obwohl sie eine größere Anzahl verschiedener Produkte für ihre Therapie verwenden. Die Untergruppe der Menschen mit T2D und ICT entsorgte die meisten Artikel, was hauptsächlich auf die Anzahl der Nadeln zurückzuführen ist.
Unter der Annahme, dass unsere Daten die "typischen Menschen mit Diabetes" in Deutschland widerspiegeln, haben wir die gewonnenen Daten verwendet, um die Anzahl der insgesamt in unserem Land gesammelten Abfälle zu schätzen. Dazu haben wir die Anzahl der in drei Monaten gesammelten Gegenstände mit vier multipliziert, um die Anzahl der Gegenstände für ein ganzes Behandlungsjahr hochzurechnen. Im nächsten Schritt haben wir diese Zahlen für die Patienten in den Untergruppen T1D ICT, T2D ICT und T1D CSII/AID mit der angenommenen Anzahl von Menschen mit Diabetes in diesen Gruppen in Deutschland multipliziert: 240 000 Menschen mit T1D, die mit ICT behandelt werden, 130 000 Menschen, die eine Insulinpumpe/ein AID-System verwenden; 25 % der 2,5 Millionen Menschen mit T2D, die mit einer ICT behandelt werden, was insgesamt 600 000 Fällen entspricht. Diese Berechnung summiert sich auf ca. 1,2 Milliarden Stück diabetesbedingter Abfälle pro Jahr in Deutschland (Tabelle 7).
Tab. 7: Extrapolation der Daten. Die mittlere Abfallmenge pro MmD pro Jahr wurde anhand der geschätzten Anzahl an MmD mit der jeweiligen Therapieform in Deutschland pro Jahr extrapoliert.
Diese Studie weist Limitationen auf: Die Entsorgung verschiedener Produkttypen könnte aufgrund der relativ kurzen Studiendauer von drei Monaten unterschätzt worden sein. Produkte wie wiederverwendbare Pens und Empfänger von CGM-Systemen sowie Stechhilfen sind langlebig und werden in der Regel erst im Abstand von einigen Jahren entsorgt. Unsere Daten beruhen vollständig darauf, dass die Teilnehmenden ihre therapiebedingten Abfälle selbst gesammelt haben. Trotz schriftlicher Informationen und vorgedruckter Protokolle für die Abfallsammlung ist davon auszugehen, dass nicht jedes einzelne Abfallstück erfasst worden ist. Praktisch alle Patienten gaben ihre Abfälle jedoch sorgfältig verpackt ab, was auf eine hohe Zuverlässigkeit schließen lässt. Dies wurde auch dadurch dokumentiert, dass 98 % der teilnehmenden MmD die Fragebögen ausgefüllt haben. Die Abfallmenge, die durch die Diabetestherapie vermutlich entsteht, lässt sich prinzipiell auch durch das Berechnen der empfohlenen Anzahl von Anwendungen ermitteln, d.h. wie viele Blutzuckermessungen, Insulininjektionen, Sensorwechsel usw. den MmD verordnet werden. Wie unsere Daten zeigen, gibt es jedoch ausgeprägte interindividuelle Unterschiede zwischen den MmD in einer bestimmten Behandlungsgruppe, was zumindest auf eine gewisse Diskrepanz zwischen Theorie und realen Daten hinweist. Bemerkenswert ist, dass die in diese Studie aufgenommenen MmD eine ausgewählte Gruppe mit einem hohen Versorgungsstandard darstellen, d. h. nur eine Minderheit verwendete kein CGM, was zu einer Unterrepräsentation z. B. der Menge an Blutzuckerteststreifen und Lanzetten führt. Dies wiederum erklärt die angegebene Menge der täglich entsorgten Artikel, die relativ niedrig zu sein scheint.
Trotz dieser Einschränkungen lassen sich aus unseren Daten relevante Schlussfolgerungen ziehen. Am bemerkenswertesten ist, dass bei den Studienteilnehmenden ein Bewusstseinswandel zu beobachten war: Sie berichteten von einem gesteigerten Interesse an Abfallvermeidung und Recycling sowie von einer vermehrten Sorge über die Abfallerzeugung, nachdem sie drei Monate lang ihre therapiebedingten Abfälle gesammelt hatten. Nach den Umfragedaten zu urteilen, befürwortet eine klare Mehrheit dieser MmD eine Ressourcenoptimierung in der Diabetesversorgung.
Blutzuckerteststreifen, Nadeln, Glukosesensoren, Einwegpens und Insulinpatronen trugen am meisten zur Gesamtzahl der entsorgten Artikel bei, was auf eine eindeutige Gruppe von Artikeln hinweist, die mehrfach verwendet und/oder recycelt werden sollten. Obwohl sie für ihre Therapie eine größere Anzahl verschiedener Produkte benötigen, war die Gesamtzahl der entsorgten Gegenstände bei denjenigen MmD am geringsten, die CSII/AID-Systeme für ihre Therapie verwenden. Es ist reizvoll, über eine mögliche geringere Umweltbelastung durch diese komplexen Therapieformen zu spekulieren; die schlichte Anzahl der entsorgten Gegenstände deutet jedoch nicht unbedingt auf eine hohe Umweltbelastung oder einen hohen Ressourcenverbrauch hin, so werden z. B. Einweg-CGM-Setzhilfen nur wenige Male pro Monat benötigt, bestehen aber aus 80 bis 100 Gramm Kunststoff. Dementsprechend muss die Zusammensetzung des anfallenden Abfalls, die in diesem Fall komplex und heterogen ist, berücksichtigt werden. Medizinische Geräte und Hilfsmittel enthalten viele wertvolle Rohstoffe wie Kunststoffe, Eisen und andere Metalle, die im Sinne einer Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind [Rodríguez 2023]. Eine nachhaltige Abfallwirtschaft beginnt mit der getrennten Sammlung von Abfällen in Haushalten und Arztpraxen. Es folgt die mechanische Zerkleinerung durch Brecher und Schredder in den Entsorgungsunternehmen. Optische und magnetische Detektoren trennen den Abfallstrom nach Arten, so dass einzelne Fraktionen anschließend verwertet werden können [Romanello 2023]. Die entsorgten Gegenstände bestehen jedoch aus scharfen/spitzen Gegenständen, Kunststoffen und Batterien, was neben den Umweltproblemen auch Risiken für die öffentliche Gesundheit mit sich bringt. Gebrauchte Spritzen, Lanzetten und Teststreifen gehören zu den scharfen Abfällen, die aufgrund ihrer Menge und ihres Potenzials, Menschen zu verletzen und Infektionen zu verbreiten, wenn sie nicht ordnungsgemäß entsorgt werden, eine enorme Herausforderung darstellen [Wu 2023]. Da die meisten Hilfsmittel im normalen Hausmüll entsorgt werden, sind verbesserte Entsorgungsrichtlinien und Managementstrategien dringend erforderlich. Solche umfassenden Strategien werden nicht nur die Umweltauswirkungen mindern, sondern auch die öffentliche Gesundheit schützen und Nachhaltigkeit gewährleisten.
Zusammenfassung
Diese systematische Analyse der von MmD unter realen Bedingungen erzeugten Abfallmengen ergab eine enorme Menge an entsorgten Diabeteshilfsmitteln. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Verwendung von Einwegprodukten zu reduzieren und Recyclingoptionen zu etablieren. Die befragten MmD fordern eine nachhaltigere antidiabetische Therapie, d.h. Mehrweg-Hilfsmittel, Möglichkeiten zum Sammeln und Recyceln von Gegenständen und verstärkte Bemühungen der Industrie und medizinischer Verbände zur Unterstützung von "Green Diabetes".
- Es gibt einzelne Pilotprojekte zum Recycling von Diabeteshilfsmitteln, aber keine flächendeckenden, systematischen Ansätze.
- Die Ergebnisse dieser Studie sowie die von anderen aktuellen Umfragen zeigen, dass sich die meisten Menschen mit Diabetes eine nachhaltigere Therapie wünschen.
- Mit einfachen Maßnahmen kann die Einstellung zur Entsorgung von Diabetesabfall verändert werden, was sich u.a. in vermehrtem und systematischen Mülltrennen äußert.
- Hilfestellungen bietet die AG Diabetes, Umwelt & Klima der DDG auf ihrer Website.
- Bisher haben Menschen mit Diabetes und ihre Diabetes-Teams nur begrenzte Optionen in Sachen Nachhaltigkeit – hier gilt es in Zusammenarbeit mit den Herstellern von Hilfsmitteln innovative Lösungen für mehrfach und länger verwendbare Hilfsmittel, Recycling und eine Reduktion des Verpackungsmülls zu finden.
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Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2024; 33 (6) Seite 319-330