Im Rahmen des ICTrealDiab Spot (eine Befragung von winDiab – ICTrealDiab) haben die Autoren die Realität der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) bei Patient:innen mit Typ-2-Diabetes in der Praxis erfasst und untersucht. Die Ergebnisse sind medizinisch und berufspolitisch bedeutsam.
Der Hintergrund: Obwohl die Rechtslage eindeutig ist, werden von einzelnen MDK-Gutachtern rtCGM Versorgungen mit der Begründung abgelehnt, es werde keine "richtige ICT" durchgeführt. Zitat:
Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (mds e.V.) hat im ergänzenden Begutachtungsleitfaden "Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (real-time Glucose Monitoring – rtCGM)" – Stand: 16.08.2019 ausgeführt:
In der Nationalen Versorgungsleitlinie zur Therapie des T2DM wird die ICT lediglich als Beschriftung in einer Tabelle zusammengefasst:
Die Definition einer ICT über KE/BE Faktoren ist also nicht in Stein gemeißelt. Die Auslegungen sind zumindest nicht identisch und erlauben einen Interpretationsspielraum.
Wie aber ist die Realität in den Schwerpunktpraxen?
Wir haben diabetologische Schwerpunktpraxen darum gebeten, bei einer Basis-Bolus-Therapie den Grad der Korrekturen zu erfassen, die die Patient:innen umsetzen. Dabei sollten möglichst die nächsten 100 Typ-2-Diabetes-Patient:innen mit ICT konsekutiv erfasst und summiert werden. Wir baten auch zu erfassen, falls die Patient:innen einen Insulinspritzplan benutzen. Folgende Gruppen wurden erfasst:
- Feste Insulindosen, kaum Korrektur
- Nur Korrektur nach BZ, ggf. Spritzplan
- Mit KE- und Korrekturfaktoren ggf. Spritzplan
Ergebnisse
Es haben 24 Zentren teilgenommen, einige mit bis zu 7 Erhebungsbögen. Davon haben manche pro Diabetolog:in jeweils 100 Menschen mit einer ICT erfasst. Insgesamt wurden 2630 Patient:innen mit ICT erfasst und somit im Durchschnitt 110 pro DSP. 23,7 % der Patient:innen hatten eine einfache ICT mit festen Insulindosen, kaum Korrektur. 55,4% der Patient:innen hatten eine ICT mit Korrektur nach Blutzuckerwert, davon 78,0 % nach einem individuellen Spritzplan. 21,0 % der Patient:innen hatten eine ICT mit KE- und Korrekturfaktoren, davon 27,6 % mit individuellem Spritzplan. Beim Vergleich der Zentren untereinander fällt auf, dass die Ergebnisse relativ homogen sind.
Mehr als die Hälfte der Patient:innen mit Typ-2-Diabetes und ICT korrigieren nach BZ-Wert, oft mit Hilfe einer Anpassungstabelle und sicherlich auch nach Auswertung der CGM-Kurven, unter freier Berücksichtigung der aufgenommenen Nahrung und mit Berücksichtigung der Bewegung.
Eine klassische ICT mit KE- und Korrekturfaktoren, wie sie seit Jahren bei der Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes erprobt ist, kommt möglicherweise eher bei Menschen mit geringer Insulineigensekretion, z.B. des SIDD-Clusters oder bei Langzeit-T2DM, zum Einsatz.
Fazit
In der Versorgungsrealität der Patient:innen mit Typ-2-Diabetes führen weniger als 25 % der Patient:innen in diabetologischen Schwerpunktpraxen, die eine ICT durchführen, diese unter Hinzunahme von KE- und Korrekturfaktoren durch.
Mehr als 75% (Gruppe I und II) führen eine Form der ICT durch, die weder in der Tabelle der NVL zur Therapie des T2DM noch in der Begutachtungsleitlinie des mds e.v. genannt sind.
Mehr als 75 % (Gruppe II und III) führen eine Form der ICT durch, die der Definition des G-BA genügt, wenn man davon ausgehen darf, dass Patient:innen der Gruppe II bei zumindest stark abweichenden Kohlenhydrataufnahmen auch eine Anpassung der Insulindosis über den Glukosewert hinaus machen.
Die Realität der ICT für Patient:innen mit Typ-2-Diabetes hat die althergebrachte Vorgehensweise längst überholt. KE/BE Faktoren führten trotz guter Schulung häufig zu Unterzuckerungen oder Überinsulinierungen mit Resistenzentwicklung und Gewichtzunahme. Diese Erkenntnisse konnten wir erst durch die Auswertung der AGP-Profile sichern und die individuellen Strategien der Wirklichkeit anpassen. Die kollektive Erfahrung zeigt, dass die Insulindosierung nach Glukosewert unter Berücksichtigung der rtCGM-Daten nach entsprechender Schulung der Patient:innen gut funktionieren.
Die Definition des G-BA für die ICT bei rtCGM-Verordnung beschreibt gut die Versorgungsrealität und sollte bei den rtCGM-Begutachtungen als Grundlage dienen.
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (3) Seite 34-35