Der Berufsverband „Diabetologen Hessen eG” hat in einem umfangreichen Prozess eine All-in-One-Lösung für ein niederschwelliges Retinopathie-Screening mithilfe künstlicher Intelligenz gefunden und bietet diese nun für seine Mitglieder an. Auch erste Verhandlungen mit einer Krankenkasse laufen bereits.

Das Thema künstliche Intelligenz (KI) ist seit ChatGPT in aller Munde. Dabei übersieht man leicht, dass „Machine Learning“, „Deep Learning“ oder „Computer Vision“ den medizinischen Alltag stark verändern werden und das Potenzial bieten, Menschen medizinische Leistungen auf einem Qualitätsniveau anzubieten, zu dem sie bisher keinen Zugang hatten. In der Radiologie arbeiten große Gerätehersteller mit Nachdruck daran, Radiologen bei der täglichen Befundung von Bildern zu unterstützen und zu entlasten. Die KI kann in diesen Bereichen bereits so gut Bilder begutachten wie ein erfahrener Radiologe. Ein entscheidender Vorteil der KI: Sie wird nicht müde und bleibt daher immer gleich leistungsfähig, unabhängig von der Tageszeit.

Ein weiteres großes Potenzial der KI liegt in der begrenzten Verfügbarkeit von Ärzten in den westlichen Industrienationen, einschließlich Deutschland. Dies führt bereits jetzt zu Engpässen in der medizinischen Versorgung, insbesondere bei der Behandlung von Menschen mit Diabetes. Wie oft hören Diabetologen von ihren Patienten, dass sie keinen zeitnahen Termin für eine wichtige Netzhautuntersuchung bekommen können? Die Konsequenz: Netzhautblutungen werden möglicherweise zu spät erkannt.

Diabetologen Hessen eG finden geeignete KI-Lösung

Die Diabetologen in Hessen wollten sich mit dieser Situation nicht länger abfinden und haben über ihre Genossenschaft „Diabetologen Hessen eG“ nach einer praktikablen Lösung gesucht. KI ist ein vielversprechendes Schlagwort, aber die Umsetzung eines Retinopathie-Screenings mittels KI erfordert die Klärung unzähliger Fragen: Welche Kamera liefert qualitativ hochwertige Netzhautaufnahmen ohne Weittropfen? Welche Kamera ist im Spannungsfeld „Kosten versus Qualität“ bezahlbar? Welche KI-Software bietet die besten wissenschaftlichen Daten und überzeugt gleichzeitig datenschutzrechtlich?

Nach einem mehr als zwei Jahre dauernden Prozess hat die Diabetologen Hessen eG eine geeignete Kamera (Hersteller Icare, Finnland) und eine passende KI-Software (Hersteller Eyenuk, USA / UK) gefunden. Nach einer Testphase im April und Mai 2024 wird die Lösung schrittweise in Hessen und assoziierten Mitgliedern außerhalb von Hessen angeboten. Alle notwendigen Dokumente inklusive juristischer Prüfung, Kostenkalkulationen und verhandelte Preise für beide Komponenten werden in einem All-in-One-Paket bereitgestellt.

Über die spezifischen Details zur Wissenschaftlichkeit (Validität der Studien zur Software) sowie die datenschutzrechtlichen Besonderheiten wird das „diatec journal“ in den nächsten Ausgaben ausführlicher berichten.

Verhandlungen mit Kostenträger über Finanzierung

Für die Zukunft wird es spannend sein zu sehen, ob Krankenkassen den Nutzen des Retinopathie-Screenings direkt in der diabetologischen Schwerpunktpraxis erkennen und bereit sind, über einen wirtschaftlich tragfähigen Weg zu verhandeln. Ziel ist es, diese wichtige Innovation auch Patienten anzubieten, die keine individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) bezahlen können. Diabetologen Hessen eG diskutiert aktuell Finanzierungsmodelle mit einer ersten Krankenkasse, die hier Vorreiter sein könnte.

Bei Interesse an dem Angebot kann Kontakt kann per Mail an die Diabetologen Hessen eG aufgenommen werden unter info@diabetologen-hessen.de bzw. unter mr@diabetologie-rothsching.de

Autor: Dr. Marcus Rothsching
Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologe und Diabetologie,
Praxis Diabetologie Dr. Rothsching
Vorstandsmitglied Diabetologen Hessen eG