Metformin ist eines der wichtigsten Medikamente zur Behandlung des Typ-2-Diabetes und wird seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Es hemmt in der Leber die Neubildung von Glukose, senkt den Blutzuckerspiegel, dämpft das Hungergefühl und hilft damit sogar abzunehmen. Nun wurde ein möglicher neuer Wirkmechanismus des bewährten Medikaments entdeckt: Es beeinflusst die Darmflora.
Ungünstige Veränderungen der Darmbakterien wird rückgängig gemacht
Beim Typ-2-Diabetes kommt es zu ungünstigen Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmbakterien, die durch Metformin zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Andererseits scheint das Medikament auch für die Nebenwirkungen wie Blähungen und Durchfall mitverantwortlich zu sein. Die neuen Erkenntnisse wie die Darmflora Stoffwechsel und Hormone beeinflusst, ermöglichen neue Ansätze für eine schonende Behandlung des Diabetes, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) im Vorfeld ihrer DACH-Jahrestagung vom 26. bis 28. Mai 2016 in München.
„Wir setzen Metformin sehr häufig ein, weil es den Blutzucker auf schonende Weise senkt und die Patienten nachweislich vor Komplikationen der Erkrankung schützt“, sagt Professor Matthias Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Metformin gehört außerdem zu den Medikamenten, die keine gefürchteten Unterzuckerungen auslösen und nicht zu einer Gewichtszunahme führen. Professor Weber: „Bei den häufig übergewichtigen Diabetespatienten ist dies ein erwünschter Begleiteffekt.“ Viele Patienten nehmen nach Behandlungsbeginn etwas ab, was die Akzeptanz der Erkrankung und die Motivation zur Einnahme von Medikamenten fördere, fügt DGE-Mediensprecher Weber hinzu. Die blutzuckersenkende Wirkung von Metformin wird in erster Linie auf eine Hemmung der Blutzuckerneubildung in der Leber zurückgeführt.
Unbekannter Wirkmechanismus entdeckt
Neue Untersuchungen deuten jetzt darauf hin, dass Metformin seine positiven Wirkungen zumindest zum Teil durch einen bisher unbekannten Wirkmechanismus über die Beeinflussung der Darmflora vermitteln. Das zeigt eine kürzlich in Nature (2015; 528: 262-6) veröffentlichte Arbeit. Forscher aus China, Dänemark und Schweden analysierten Stuhlproben von 784 Menschen: In der Forschergruppe waren auch Mitarbeiter des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie in Heidelberg, die die Stuhlproben genetisch untersuchten. Sie hatten dabei Unterschiede zwischen Diabetikern und Nicht-Diabetikern in der Zusammensetzung der Darmbakterien untersucht, die bisher noch nicht mit einem antidiabetischen Medikament behandelt wurden: Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes findet sich dabei neben einer reduzierten Vielfalt an Bakterien, insbesondere ein Rückgang von Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure oder Propionsäure bilden. Diese Fettsäuren werden vom Darm aufgenommen und vom Körper verwertet.
„Dies hat normalerweise einen günstigen Einfluss auf den Blutzucker“, erläutert Professor Günter Stalla, Leiter der Inneren Medizin, Endokrinologie und Klinischen Chemie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie München und DGE-Tagungspräsident. „Der Mangel an diesen Bakterien könnte deshalb die Blutzuckerstörung beim Typ-2-Diabetes verstärken“, fügt der Experte hinzu.
Metformin kann diese Entwicklung nach den Ergebnissen der Analyse teilweise rückgängig machen. „Die Studie zeigt, dass die Behandlung mit Metformin die Produzenten kurzkettiger Fettsäuren im Darm fördert“, so Professor Stalla. Es sei durchaus möglich, dass diese Wirkung im Darm einen Teil der Blutzuckersenkung durch Metformin ausmacht und zu den vielfältigen positiven Wirkungen des Medikaments beiträgt.
Die ungünstigen Auswirkungen hemmen, die günstige Wirkung erhalten
Leider fördert Metformin aber auch die Vermehrung von E. coli-Bakterien, was zu Verdauungsbeschwerden führen kann. „Es kommt zu einem Ungleichgewicht der Darmflora, das für die Blähungen und andere Darmbeschwerden mitverantwortlich sein könnte, über die viele Patienten mit Typ-2-Diabetes unter der Behandlung mit Metformin klagen“, so Professor Stalla. „Wir müssen jetzt nach Wegen suchen, um die ungünstigen Auswirkungen von Metformin zu hemmen, ohne die günstige Wirkung zu schwächen.“
Ein denkbarer Weg könnte die Behandlung mit probiotischen Bakterien sein. Diese Bakterien müssten so ausgesucht werden, dass sie die E. coli-Bakterien verdrängen, ohne die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren zu behindern. Derzeit sind allerdings keine Mittel bekannt, die dies leisten. Professor Stalla: „Wir hoffen aber, dass wir eines Tages einen Spezial-Joghurt anbieten können, der die Behandlung mit Metformin für alle Patienten verträglich macht.“
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)