Wie können neue Möglichkeiten erschlossen werden, um Menschen besser vor Krebserkrankungen zu schützen? Zu dieser Frage tauschten sich Fachleute bei der 3. International Conference on Cancer Prevention 2022 aus, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutsche Krebshilfe hatten hierzu international führende Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Krebspräventionsforschung zusammengebracht. Die Staatssekretäre Mario Brandenburg, Bundesministerium für Bildung und Forschung, und Thomas Steffen, Bundesgesundheitsministerium, unterstrichen in ihren Grußworten die große Bedeutung der Krebsprävention für eine gesunde Gesellschaft.

Etwa zwei von fünf Krebserkrankungen ließen sich vermeiden, wenn alle wissenschaftlich belegten Maßnahmen zur Krebsvorbeugung tatsächlich umgesetzt würden. Nach aktuellen Berechnungen können Primärprävention und Früherkennung zusammengenommen die Krebssterblichkeit sogar um bis zu 75 Prozent senken, teilte das DKFZ in einer aktuellen Pressemeldung anlässlich der 3. International Conference on Cancer Prevention 2022 mit, die am vergangenen Freitag zu Ende gegangen war.

Viele Krebsfälle ließen sich vermeiden

Zwar ist längst bekannt, wie sich viele Krebsfälle vermeiden ließen, doch reicht das heutige Wissen bei Weitem noch nicht aus, um das große Potenzial der Krebsprävention zur Gänze auszuschöpfen, heißt es in der DKFZ-Meldung. „Intensive Forschung ist gefragt, um neue Ansatzpunkte für präventives Eingreifen zu identifizieren oder um für aussichtsreiche Ansätze evidenzbasierte Wirksamkeitsnachweise zu erbringen“, sagt Michael Baumann, Vorstandvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Forschung zur Primär- und Sekundärprävention

Diskutiert wurde die Frage, inwieweit ein gesunder Lebensstil tatsächlich das Krebsrisiko reduzieren kann. Ungesunde Ernährung, Übergewicht und Mangel an körperlicher Aktivität zählen zu den wichtigsten vermeidbaren Lebensstilfaktoren, deren Effekte oft nur schwer exakt voneinander zu trennen sind. Doch Primärprävention wirkt, wie Anne Tjønneland (Kopenhagen) berichtet: Schon ein Gewichtsverlust von nur etwa fünf Prozent führt zu einer Verringerung der Neuerkrankungsrate bei Brust- und Endometriumskrebs, zitiert die Forscherin aktuelle Ergebnisse. Sie betont die Wichtigkeit, Präventionsmaßnahmen insbesondere an die jüngere Bevölkerung zu richten, die in steigendem Maße von Übergewicht betroffen ist.

Darüber hinaus laufen bei Brust- und Darmkrebs derzeit zahlreiche Studien zur medikamentösen Prävention, einer als vielversprechend geltenden Strategien, die die molekularen Vorgänge, die Zellen zu Krebs entarten lassen, mit Impfungen oder Medikamenten aufhalten soll. Ergebnisse werden jedoch erst in einigen Jahren vorliegen.

Sekundärprävention an die individuellen Risiken anpassen

Screeninguntersuchungen zur Krebsfrüherkennung werden heute nach dem Gießkannenprinzip allen Menschen einer bestimmten Altersgruppe gleichermaßen angeboten. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass Angebote, die an das individuelle Risiko angepasst sind, höhere Akzeptanz erfahren, den am meisten gefährdeten Personen einen noch größeren Nutzen bieten und gleichzeitig Menschen mit geringeren Risiken entlasten. Auch unter ökonomischen Aspekten kann eine Risikostratifizierung sinnvoll sein.

Die zentrale Herausforderung dabei ist es, zunächst zu einer belastbaren Einschätzung der individuellen Risiken zu gelangen. Hier sind unter anderem innovative technische Ansätze gefragt. Für Brustkrebs beispielsweise stellt Graham Colditz (St. Louis) ein besonderes Verfahren (functional principal component analysis, FPCA) vor, das aus den Bilddaten der Mammographie Informationen extrahiert, die den Vorhersagewert der Untersuchung weiter verbessern können – auch in Kombination mit anderen Risikomarkern. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich so eine Gruppe von Frauen mit sehr geringen Brustkrebsrisiken eingrenzen lässt, für die möglicherweise keine weiteren Mammographien erforderlich sind.

Darmkrebs: zweistufiges Konzept minimiert Aufwand und Kosten

Für Darmkrebs schlägt der Epidemiologe Hermann Brenner (Heidelberg) ein neues zweistufiges Konzept zum risikostratifizierten Screening vor, das kostengünstig, einfach zu implementieren und darüber hinaus für die Teilnehmenden mit minimalem Aufwand verbunden ist. Seine Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass der immunologische Test auf Blut im Stuhl (FIT) besser als andere Risikomarker geeignet ist, das Vorliegen der gefährlichsten Darmkrebs-Vorstufen vorherzusagen. So könnte man der gesamten Bevölkerung ab dem 40. Lebensjahr in Zehnjahresabständen einen FIT zuschicken und gezielt die Menschen zur Darmspiegelung einladen, bei denen der Test auf das Vorliegen von Darmkrebsvorstufen hinweist. Durch mathematische Modellierung ermittelt das Team derzeit die optimalen Schwellenwerte und Zeitintervalle des Testangebots, mit denen die Darmkrebs Erkrankungs- und Sterberaten am besten gesenkt werden könnten.

Sozioökonomischer Status, Bildung oder ethnische Zugehörigkeit beeinflussen die Krebssterblichkeit

Der Public Health Experte Sir Michael Marmot (London) legte mit zahllosen Beispielen dar, dass sozioökonomischer Status, Bildung oder ethnische Zugehörigkeit die Krebssterblichkeit beeinflussen. Präventionsangebote müssen daher insbesondere die ärmsten und am wenigsten gebildeten Mitglieder der Gesellschaft erreichen, die oft die größten Krebsrisiken tragen. Auch hier ist die Devise „one size fits all“ wenig hilfreich, betont Kommunikationsexperte Gary L. Krebs (Fairfax). Am wirksamsten seien Kommunikationsangebote, die konkret auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind.

„..., dass Krebsprävention die gesamte Gesellschaft einbeziehen muss“

„Die Tagung hat uns vor Augen geführt, dass Krebsprävention die gesamte Gesellschaft einbeziehen muss“, sagt Michael Baumann zum Abschluss der Veranstaltung. „Die Vorträge haben uns erneut gezeigt, dass ein breites Bündnis vieler Forschungsdisziplinen erforderlich ist, um neue Präventionsansätze zu identifizieren, zu evaluieren und vor allem, um sie anschließend auch erfolgreich in die Breite der Bevölkerung zu tragen. Wir müssen gerade auch die Implementierungsforschung stärken und die Politik als unverzichtbaren Partner zur Umsetzung evidenzbasierter Ansätze ins Boot holen.“

Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe, fasst zusammen: „Die Tagung hat eindrucksvoll belegt: Wir brauchen Forschung, um besser zu verstehen, wie Krebs entsteht und wie die relevanten Prozesse rechtzeitig erkannt, hinausgezögert oder sogar verhindert werden können.“ Die Deutsche Krebshilfe ist der wichtigste private Geldgeber auf dem Gebiet der Krebsforschung in Deutschland. „Die Förderung der Krebsprävention hat dabei zunehmende Relevanz. Für das National Cancer Prevention Center stellen wir 25 Millionen Euro bereit und auch die Conference on Cancer Prevention haben wir finanziell erheblich unterstützt.“

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum | Redaktion

Redaktion diabetologie-online
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