Frage an PD Dr. Michael Hummel: Welche Kriterien sollten Kliniken erfüllen, in denen Schwangere mit Diabetes mellitus zur geplanten Geburt vorstellig werden?
1. Bei Gestationdiabetes (GDM)
Schwangere mit GDM sind Risikoschwangere. Um eine optimale Primärversorgung des Kindes zu gewährleisten, muss bei Gestationsdiabetes mit Insulintherapie die Geburtsklinik über eine Neonatologie (Perinatalzentrum LEVEL 1 oder 2) verfügen. Bei GDM mit Ernährungstherapie sollen die Patientinnen über Vorteile der Entbindung in einer Geburtsklinik mit Neonatologie informiert werden.
2. Bei präkonzeptionell bekanntem Diabetes
Die gesamt-perinatale Mortalität – alle Todesfälle zwischen einem Gestationsalter von mehr als 22 Schwangerschaftswochen und den ersten 7 Lebenstagen – ist bei Typ-1-Diabetes mit 2,8 % und bei Typ-2-Diabetes mit 2,5 % vergleichbar. Das relative Risiko für einen Tod des Kindes bei präexistentem mütterlichem Diabetes ab einem Gestationsalter von 22 Schwangerschaftswochen bis zur Vollendung des 7. Lebenstages beträgt das 4- bis 6-fache gegenüber der allgemeinen Bevölkerung. Ätiologisch sind Fehlbildungen, Geburtskomplikationen, Folgen der Frühgeburtlichkeit, Atemstörungen und unerklärter intrauteriner Fruchttod in ähnlichen Prozentsätzen beteiligt. Infolge intensivmedizinischer Behandlung kommt es zunehmend zu einer Verlagerung von Todesfällen in die post-perinatale Periode (Todesfälle zwischen dem 7. Lebenstag und dem Ende des ersten Lebensjahres).
Die Entbindung aller Schwangeren mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes (mit Insulintherapie) muss in einem Perinatalzentrum mindestens LEVEL 2 geplant werden (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen). Schwangere mit Diabetes sollten frühzeitig in der Geburtsklinik vorgestellt werden. Eine präpartale Vorstellung spätestens mit 36 SSW ist obligat. Bei pränatal diagnostizierten Fehlbildungen muss die Entbindung mit direkter Anbindung an die entsprechenden chirurgischen Spezialdisziplinen (Kinder-, Neuro-, Kardiochirurgie) erfolgen. Eine stationäre Aufnahme vor Entbindung ist nur bei zusätzlichen geburtshilflichen oder metabolischen Komplikationen indiziert. Bei Gefährdung des Kindes ist eher die vorzeitige Entbindung anzustreben.
Es erscheint ratsam, Kliniken mit großer Erfahrung in der Diabetologie auszuwählen. Auch eine gute internistische Diabetologie vor Ort ist wünschenswert, da dann auch Probleme mit der Insulintherapie – wie z. B. einer Insulinpumpe – umgehend gelöst werden können. Nur im optimalen Zusammenspiel von Gynäkologen, Neonatologen und Internisten können die Besonderheiten von Schwangeren mit Diabetes ausreichend adressiert werden.
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2014; 26 (7/8) Seite 43
