Die Zahl der Stimmen, die ein Ende der einseitig nährstoff-fixierten Empfehlungen für Gesunde fordern, wächst.

Zusammenfassung
Die in der wissenschaftlichen Literatur verfügbaren epidemiologischen Studien (Interventionsstudien, Kohortenstudien und darauf basierenden Metaanalysen) zum Zusammenhang von quantitativer und qualitativer Fettaufnahme und dem Risiko für ernährungsmitbedingte Erkrankungen (Adipositas, Typ-2-Diabetes, Metabolisches Syndrom, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Dyslipoproteinämien und Krebs) wurden kürzlich von einer Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) systematisch ausgewertet. Kernergebnisse der aktualisierten Fettleitlinie lauten: Die Evidenz für einen risikosteigernden Effekt eines hohen Fettanteils an der Energiezufuhr für das Adipositasrisiko gilt als wahrscheinlich, während für die Höhe der Fettzufuhr kein risikomodifizierender Effekt für Typ-2-Diabetes, Hypertonie, koronare Herzkrankheit (KHK), Schlaganfall und Krebskrankheiten nachzuweisen war. Langkettige Omega-3-Fettsäuren senken mit wahrscheinlicher Evidenz das Risiko für Bluthochdruck. Der Austausch von gesättigten Fettsäuren gegen mehrfach ungesättigte Fettsäuren der Omega-3- und -6-Reihen sowie die Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren senkt mit wahrscheinlicher Evidenz das kardiovaskuläre Risiko, während Transfettsäuren dieses mit wahrscheinlicher Evidenz erhöhen. Dagegen steht die Cholesterinzufuhr weder mit dem Risiko für KHK noch mit dem Auftreten von Schlaganfällen in Verbindung.

Schlüsselwörter: Nahrungsfett, Nahrungscholesterin, Adipositas, KHK, Typ-2-Diabetes

Einleitung

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) prüft in regelmäßigen Abständen, inwieweit Nahrungsfaktoren Krankheitsrisiken beeinflussen können. Die Ergebnisse der Analysen werden dann in Form der DGE-Leitlinien veröffentlicht. Bisher erschienen sind die evidenzbasierten Leitlinien Kohlenhydrat- und Fettzufuhr. Letztere wurde nun von einer Leitlinienkommmission der DGE überarbeitet. Kernfrage der nun vorliegenden 2. Version der Fettleitlinie war, welchen Einfluss die Höhe der Zufuhr von Fett und Fettsäuren auf das Risiko für weitverbreitete ernährungsmitbedingte Krankheiten wie Adipositas, Typ-2-Diabetes, koronare Herzkrankheit (KHK) und Krebs ausübt (1).

Methodisches Vorgehen

Alle DGE-Leitlinien orientieren sich an der Methodik der evidenzbasierten Medizin (EbM), die auf die Prävention durch Ernährung übertragen wurde. Hierzu wurden in der wissenschaftlichen Literatur verfügbare epidemiologische Studien (Interventionsstudien, Kohortenstudien und darauf basierende Metaanalysen), die den Zusammenhang zwischen quantitativer und qualitativer Fettaufnahme und dem Erkrankungsrisiko untersucht hatten, systematisch erfasst (siehe Abbildung 1). Eingang in die Datenauswertung fanden die bis zum 30.06.2012 veröffentlichten Untersuchungen bzw. die bis zum 27.10.2014 publizierten Metaanalysen.

Nach der Literaturrecherche und Erfassung der Studienergebnisse wurden die identifizierten Studien den beiden Evidenzklassen I (Interventionsstudien) und II (Kohortenstudien) zugeordnet (siehe Tabelle 1). Darauf aufbauend wurde – in Anlehnung an das Bewertungsschema der Weltgesundheitsorganisation (2) – eine Bewertung der Evidenz nach vier Härtegraden vorgenommen (3):

  • Überzeugende Evidenz für eine präventive Wirkung. Dieser Härtegrad wurde vergeben, wenn mindestens zwei Interventionsstudien von höchster Qualität (Evidenzklasse I) mit konsistentem Ergebnis vorlagen. Bestanden bei den Studien methodische Schwächen, erhöhte sich die Mindestzahl der erforderlichen Interventionsstudien auf fünf. Waren keine Interventionsstudien, sondern nur oder überwiegend Kohortenstudien zu identifizieren, mussten ebenfalls mindestens fünf davon mit überwiegend einheitlichem Ergebnis vorliegen. Zudem sollten Ergebnisse von Kohortenstudien durch Resultate von Interventionsstudien mit Intermediärmarkern (Surrogatmarker wie Lipidparameter in Hinblick auf KHK) gestützt werden. Idealerweise sollte eine Metaanalyse von Kohortenstudien keine statistischen Hinweise auf Studienheterogenität liefern.
  • Wahrscheinliche Evidenz für eine präventive Wirkung bzw. einen fehlenden Zusammenhang. Voraussetzung für die Vergabe dieses Härtegrads waren mindestens fünf epidemiologische Studien mit einheitlicher Beziehung von Expositionsfaktor (Fettanteil oder Zufuhr bestimmter Fettsäuren) und Endpunkt (Erkrankungen, Lipidprofil des Bluts). Allerdings bestanden Schwächen beim Beweis eines ursächlichen Zusammenhangs (Hinweis für Heterogenität in Metaanalysen, Fehlen von Interventionsstudien mit Intermediärmarkern, z. T. uneinheitliche Studienergebnisse).
  • Mögliche Evidenz für eine präventive Wirkung bzw. einen fehlenden Zusammenhang. Dieser Härtegrad wurde vergeben, wenn nur ungenügend gut durchgeführte kontrollierte Interventionsstudien und Beobachtungsstudien oder nicht kontrollierte klinische Studien vorlagen, deren Mehrzahl – mindestens jedoch drei – im Ergebnis übereinstimmten. Es konnten weitere Studien ohne Risikobeziehung bzw. mit gegenteiliger Beziehung vorliegen.
  • Unzureichende Evidenz. Es lagen keine oder nur wenige Studienergebnisse zur untersuchten Beziehung vor oder die Studienlage war uneinheitlich in dem Sinne, dass eine Mehrzahl von Studien keinen Risikonachweis ergab bzw. sich in den Ergebnissen widersprach.

Einfluss des Fettanteils auf "harte" Endpunkte

Der Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Menge bzw. des Anteils des Gesamtfetts an der Energiezufuhr mit dem Adipositasrisiko wurde als wahrscheinlich gewertet. Dies gilt jedoch nur unter Ad-libitum-Bedingungen mit unkontrollierter Energiezufuhr, d. h. bei hyperkalorischer Ernährung. Unter isokalorischen Verhältnissen (Energiezufuhr entspricht dem Verbrauch) findet sich erwartungsgemäß kein Hinweis auf einen risikosteigernden Effekt des Fettanteils. Die Evidenz für einen fehlenden Zusammenhang gilt als wahrscheinlich. Für alle übrigen "harten" klinischen Endpunkte, darunter Typ-2-Diabetes, Hypertonie, KHK, Schlaganfall und Krebskrankheiten, konnte für den Fettanteil kein risikomodifizierender Effekt nachgewiesen werden. Die Evidenz für einen fehlenden Zusammenhang wurde als wahrscheinlich gewertet (1) (siehe Tabelle 2).

Einfluss der Fettqualität auf "harte" Endpunkte

Bei der Auswertung der Daten zum Zusammenhang zwischen der Fettqualität und dem Erkrankungsrisiko wurden alle Evidenzhärtegrade vergeben. Deutliche Hinweise für einen risikomodifizierenden Effekt ergaben sich allerdings nur für zwei Erkrankungen (1) (siehe Tabelle 2):

  • Hypertonie. Von allen Fettsäurearten fanden sich nur für die Gruppe der langkettigen Omega-3-Fettsäuren Hinweise für eine risikomodifizierende Wirkung. Diese senken das Risiko für Bluthochdruck mit wahrscheinlicher Evidenz.
  • KHK. Mit Bezug auf die Prävention der koronaren Herzkrankheit ist der partielle Austausch von gesättigten Fettsäuren gegen mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) der Omega-3- und -6-Reihen sowie die Zufuhr von langkettigen Omega-3-Fettsäuren mit wahrscheinlicher Evidenz wirksam. Die Zufuhr von Transfettsäuren erhöht dagegen mit wahrscheinlicher Evidenz das KHK-Risiko. Es fanden sich keine Hinweise, dass die Höhe der Cholesterinzufuhr über die Nahrung das Risiko, an KHK oder Schlaganfall zu erkranken, erhöht.

Einfluss des Fettanteils und der Fettqualität auf das Lipidprofil

Die Evidenzbewertung zur Assoziation der quantitativen sowie qualitativen Fettaufnahme und des Lipidprofils bzw. des Risikos für Dyslipoproteinämien ist Tabelle 3 zu entnehmen. Präventivmedizinisch von Bedeutung ist insbesondere der Effekt auf die Serum-Triglyzeride, das Verhältnis von Gesamt- zu LDL- bzw. HDL-Cholesterin und auf den LDL/HDL-Quotienten. Die Ergebnisse stellen sich wie folgt dar:

  • Gesamt- zu LDL-Cholesterin. Die Evidenz, dass eine Reduktion des Anteils von Fett an der Energiezufuhr im Rahmen einer Ernährung mit derzeitigem Fettgehalt und derzeitiger Fettqualität die Gesamt- und LDL-Cholesterinkonzentration im Plasma senkt, wurde als überzeugend gewertet. Die Evidenz für einen Anstieg des Gesamt- und LDL-Cholesterins durch gesättigte Fettsäuren (SFA; Ausnahme: Stearinsäure und mittelkettige Triglyzeride (medium-chain triglycerides, MCT)) und Transfettsäuren gilt ebenso als überzeugend. Mit überzeugender Evidenz senkt der Ersatz von SFA durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) der Omega-6-Reihe das Gesamt- und die LDL-Cholesterinkonzentration im Plasma.
  • Gesamt- zu HDL-Cholesterin. Omega-6-Fettsäuren und ein Austausch von Stärke durch einfach ungesättigte Fettsäuren (MUFA) senken mit überzeugender Evidenz das Verhältnis von Gesamt- zu HDL-Cholesterin, während Transfettsäuren und Nahrungscholesterin den gegenteiligen Effekt entfalten. Der Evidenzhärtegrad wurde für Transfettsäuren mit überzeugend und für Cholesterin mit wahrscheinlich gewertet.
  • LDL/HDL-Quotient. Risikomodifizierende Effekte auf das Verhältnis von LDL- zu HDL-Cholesterin ergaben sich nur für die Gruppe der MUFA. Im Austausch gegen Stärke senken sie mit überzeugender Evidenz das Verhältnis von LDL- zu HDL-Cholesterin.
  • Triglyzeride. Omega-3-Fettsäuren, gesättigte Fettsäuren, ein Austausch von Stärke durch MUFA und eine Erhöhung des Anteils von Omega-6-Fettsäuren zu Lasten von Kohlenhydraten senken mit überzeugender Evidenz die Triglyzeridkonzentration des Plasmas. Den gegenteiligen Effekt haben Transfettsäuren. Sie erhöhen mit überzeugender Evidenz das Risiko für eine Hypertriglyzeridämie.

Praktische Umsetzung der Erkenntnisse – Empfehlungen der DGE

"Die Zufuhr von Fett und Fettsäuren", so die zusammenfassende Bewertung der DGE, "ist […] für die Prävention der Krankheiten Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und koronare Herzkrankheit relevant. Die geeigneten Strategien zur Reduktion des Risikos für die genannten Krankheiten sind eine moderate Fettzufuhr, ein Austausch von gesättigten durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, eine erhöhte Zufuhr von langkettigen n-3 Fettsäuren und eine niedrige Zufuhr von Transfettsäuren" (4). Zur Prävention empfohlen wird eine fettsäurenmodifizierte Kost mit limitiertem Fettgehalt (4):

  • Gesamtfett. Begrenzung der Gesamtfettzufuhr auf 30 Energie%, bei entsprechender körperlicher Aktivität (Physical Activity Level (PAL) = 1,7) bis maximal 35 Energie%. Zur Beschränkung der Gesamtfettzufuhr wird empfohlen, die Zufuhr von Lebensmitteln tierischer Herkunft einzuschränken, beim Konsum fettarme tierische Lebensmittel zu präferieren (Ausnahme: fettreiche Fische) und vermehrt Gemüse, Obst und Vollkornprodukte in den Speiseplan zu integrieren.
  • Austausch von gesättigten durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Empfohlen wird auch hier, Lebensmittel tierischer Herkunft teilweise zu ersetzen durch Lebensmittel pflanzlicher Herkunft. Ausgenommen vom "Substitutionsprinzip" ist fettreicher Fisch, der besonders reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist. Empfohlen wird ein regelmäßiger Fischverzehr (1- bis 2-mal pro Woche), insbesondere, um eine Fleischmahlzeit zu ersetzen.
  • Erhöhte Aufnahme von langkettigen Omega-3-Fettsäuren. Eine besonders gute "Omega-3-Quelle" ist fettreicher Seefisch wie Makrele und Sardine. Empfehlenswert ist ein wöchentlicher Verzehr von 1 bis 2 Portionen.
  • Reduzierte Zufuhr von Transfettsäuren. Hohe Gehalte an Transfettsäuren finden sich in frittierten Erzeugnissen, Fertigprodukten, manchen Backwaren, Streichfetten und Süßwaren. Ein reduzierter Verzehr dieser Lebensmittel wird empfohlen.