Es gibt den Typ- und den Typ-2-Diabetes sowie weitere Diabetesformen. Worin unterscheiden sie sich, worin nicht? Prof. Hellmut Mehnert mit einer Einordnung.

Unter Typ-3-Diabetes versteht man nach neuester Nomenklatur sämtliche Diabetesformen, die man früher als sekundären Diabetes bezeichnet hat. Damit wird vereinfacht wiedergegeben, dass unter dem Einfluss pankreopriver Faktoren, hormoneller Störungen und bestimmter Medikamente ein Diabetes auftreten kann, der sich grundsätzlich vom Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterscheidet.

Allenfalls kann man sagen, dass Menschen, die relativ früh - etwa unter einer Kortisongabe - einen Diabetes entwickeln, diese Behandlung als Provokationstest im Hinblick auf einen später sich eventuell manifestierenden Typ-2-Diabetes anzusehen haben. Ähnliches gilt für den Gestationsdiabetes, der ja auch eine Art Provokationstest darstellt, da etwa 50 % der derartig erkrankten Frauen - nach einer nichtdiabetischen Phase post partum - schließlich doch einen Typ-2-Diabetes entwickeln.

Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Doch nun zu den beiden wichtigsten Formen Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Die eigentlichen Erbfaktoren für beide Diabetesformen sind nur unvollkommen erforscht. Es gilt die Regel, dass der Typ-2-Diabetes penetranter vererbt wird als der Typ-1-Diabetes. Allerdings hat sich in jüngster Zeit gezeigt, dass bei genügend langer Beobachtung von Typ-1-Patienten auch die hereditäre Durchschlagskraft deutlich erhöht ist. Als Beispiel haben dabei die für die Forschung so wichtigen eineiigen Zwillinge zu gelten.

Hier galt ursprünglich die Regel, dass bei Typ-1-Diabetes des einen Zwillings nur eine 35-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass der andere Zwilling im Laufe des Lebens einen Typ-1-Diabetes entwickelt. Demgegenüber haben neuere Untersuchungen von Eisenbarth und Soeldner gezeigt, dass bei jahrzehntelanger Beobachtung solcher Zwillinge doch eine Konkordanz von 60 % festzustellen ist. Bei eineiigen Zwillingspaaren mit Typ-2-Diabetes hat man allerdings mit einer annähernd 100-prozentigen Konkordanz zu rechnen, wenn diese Menschen nur genügend alt werden.

Typ-2-Diabetes

Bei Typ-2-Diabetikern gibt es - im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes - keine bestimmten krankheitsspezifischen HLA-Konstellationen, wohl aber eine höhere Vererbbarkeit. Zwei Faktoren bestimmen die Pathogenese des Typ-2-Diabetes: die meist vorhandene Insulinresistenz, also eine Unterempfindlichkeit gegen körpereigenes sowie gegen später notwendig werdendes gespritztes Insulin, und das zunehmende Defizit der endogenen Insulinproduktion.

Letzteres tritt früher auf, als man es vor Jahren noch gedacht hat. Wichtig ist, dass Typ-2-Diabetiker meist ein prädiabetisches Stadium durchlaufen, das als Metabolisches oder besser Metabolisch-vaskuläres Syndrom bezeichnet wird. Hier kommen bekanntlich zur Insulinresistenz Hypertonie, Dyslipoproteinämie, Gerinnungsstörung, gestörte Glukosetoleranz und vor allem die androide Stammfettsucht als wichtigster Risikofaktor hinzu.

So verwundert es nicht, dass Typ-2-Diabetiker bei der Diagnose ihrer Erkrankung bereits in einem hohen Prozentsatz makrovaskuläre Schäden aufweisen. Fehlgedeutet wurde über Jahre die bei Typ-2-Diabetikern anfänglich ausgeprägte Hyperinsulinämie: Denn eigentlich müssten solche Patienten eine noch wesentlich stärkere Insulinproduktion aufweisen, um dem Blutzuckeranstieg als Folge der Insulinresistenz zu begegnen. Einen gewissen Teil an Insulin vermag die Bauchspeicheldrüse noch kompensatorisch zur Verfügung zu stellen; aber diese Hyperinsulinämie ist sozusagen bereits eine relative Hypoinsulinämie.

Typ-1-Diabetes

Demgegenüber hat der Typ-1-Diabetes eine völlig andere Pathogenese aufzuweisen. Hier zerstört der Organismus auf humoralem und zellulärem Weg die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und bewirkt innerhalb kurzer Zeit einen absoluten Insulinmangel. So beträgt die aktive Inselzellmasse bei Manifestation eines Typ-1-Diabetes nur noch 10 %. Gibt es nun Gemeinsamkeiten von Typ-1- und Typ-2-Diabetes? In der Pathogenese wurden neue Erkenntnisse über Schäden im Zinktransportersystem der Bauchspeicheldrüse bekannt, was beiden Diabetestypen gemeinsam zu sein scheint.

Man darf beide Diabetesformen auch deswegen als Diabetes mellitus bezeichnen (also ein Synonym wählen), da sie als charakteristisches Diagnostikum und als Kontrollparameter eine erhöhte Blutglukose aufweisen und weil die Folgekomplikationen bei beiden Diabetestypen in ähnlicher Weise auftreten. Der „Schädling Glukose“ (O. H. Wieland) richtet seine Schäden also bei beiden Diabetestypen an, ein Phänomen, das auf diese Erkrankungen, aber auch auf den Typ-3-Diabetes begrenzt ist. Gerade für Letzteren bestand früher die Ansicht, dass die Folgeschäden wegen der bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes offenbar vorhandenen zusätzlichen genetischen Faktoren für den Typ-3-Diabetes nicht bestünden.

Keine Unterschiede bei Mikro- und Makroangiopathie

Dies ist aber falsch: Wenn die Patienten genügend lang unter der verderblichen Hyperglykämie leiden, entwickeln auch Typ-3-Diabetiker - vielleicht wegen der wohl fehlenden Genetik etwas weniger - mikrovaskuläre und neuropathische Schäden sowie auch eine verstärkte Arteriosklerose. Der Standpunkt, dass die Mikroangiopathie nur für den Typ-1- und die Makroangiopathie nur für den Typ-2-Diabetes gilt, ist überholt und falsch, wird aber immer wieder ins Feld geführt: Typ-2-Diabetiker erleiden in gleicher Weise eine Mikroangiopathie, wenn der Diabetes - vor allem bei schlechter Einstellung - lange genug dauert, und Typ-1-Diabetiker mit langer Lebensdauer bekommen gehäuft auch kardiovaskuläre Komplikationen. Besonders gefürchtet ist das vermehrte Auftreten von solchen Schäden bei gleichzeitig vorhandener Nephropathie.

Trotzdem sind die Unterschiede in der Pathogenese des Typ-1- und Typ-2-Dia­betes bedeutsam, da sie natürlich Therapieunterschiede bedingen. Typ-1-Diabetiker erhalten eine sofort einsetzende intensivierte Insulintherapie, bei Typ-2-Diabetikern stehen unter Berücksichtigung von Übergewicht und Bewegungsmangel die Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie eine adäquate orale Therapie und, nicht zu spät allerdings, auch eine Insulinbehandlung (zunächst als BOT) im Vordergrund. Auf Letzteres haben verdienstvollerweise die letzten Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft ausdrücklich hingewiesen.



Autor:
Prof. Dr. Hellmut Mehnert, Krailling

Forschergruppe Diabetes e. V., Drosselweg 16, 82152 Krailling

Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2010; 20 (6) Seite 452-453