Verordnung der digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) "HelloBetter Diabetes und Depression" im Diabeteszentrum Bad Lauterberg.

Menschen mit Diabetes (MmD) weisen gegenüber der Normalbevölkerung ein etwa doppelt so hohes Risiko auf, an einer Depression zu erkranken. Damit einher geht nicht nur eine erhebliche Reduktion der allgemeinen und diabetesspezifischen Lebensqualität, sondern auch eine geringere Adhärenz gegenüber therapeutischen Empfehlungen (Kulzer B et al. Psychosoziales und Diabetes… Diabetol Stoffwechs 2023; 18 (Suppl 2): S411–S427).

Relevanz der DiGA für die stationäre Diabetesbehandlung

Bei wegen Diabetes als Hauptdiagnose stationär behandelten Patienten liegt häufig eine Kombination aus Stoffwechselentgleisung und Depression vor. Von großer Bedeutung ist hierbei die Arbeit eines Psychologen im Diabetesteam. Dieser kann akut intervenieren und somit die Voraussetzung zur Optimierung der Diabetestherapie schaffen. Problematisch ist allerdings oft die Sicherstellung einer ambulanten Fortführung der begonnenen Behandlung. Aufgrund unzureichender ambulanter psychotherapeutischer Kapazitäten ist dies zeitnah meist nicht möglich. Im Diabeteszentrum Bad Lauterberg wird deshalb bei Interesse der Patienten und Patientinnen sowie vorhandener Indikation vor Entlassung die Verordnung der DiGA HelloBetter Diabetes und Depression angeboten. Im Folgenden sollen Erfahrungen mit diesem Medizinprodukt berichtet werden.

Was sind digitale Gesundheitsanwendungen?

DiGA gehören zu den niedrigrisikohaltigen Medizinprodukten und umfassen Apps, die von Versicherten auf ihren Smartphones oder Tablets genutzt werden können, sowie webbasierte Anwendungen, die über einen Internetbrowser auf PCs oder Laptops ausgeführt werden. Ihr Zweck besteht darin, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder zu lindern. Der gesetzliche Anspruch auf Erstattung wurde durch das Digitale-Versorgung-Gesetz geschaffen. Erstattet werden jedoch nur die Kosten für digitale Anwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und im DiGA-Verzeichnis aufgeführt wurden.

DiGA für Menschen mit Diabetes und depressiven Symptomen

HelloBetter Diabetes und Depression ist ein interaktives psychologisches Therapieprogramm, das entwickelt wurde, um die Schwere depressiver Symptome bei Personen mit Diabetes Mellitus Typ 1 oder Typ 2 zu reduzieren. Der 12-wöchige Online-Kurs bietet eine umfassende Psychoedukation in Form von Texten, Videos und Audios sowie wirksame Strategien aus der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) wie Verhaltensaktivierung und Problemlösetechniken. Zusätzlich behandelt das Programm diabetesbezogene Themen wie die Gestaltung von Gesprächen mit Ärzten, den Umgang mit Diabetes in Partnerschaften sowie das Bewältigen von "Grübelgedanken" im Zusammenhang mit der Erkrankung. Auch Themen wie Ernährung, Bewegung und gesunder Schlaf werden spezifisch für Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 behandelt. Das Programm bietet ein Online-Tagebuch, eine Begleit-App und regelmäßige Symptom-Checks, um Fortschritte zu dokumentieren und zu verfolgen. Um die Sicherheit der Patienten und Patientinnen zu gewährleisten, steht während des gesamten Kurses eine persönliche psychologische Ansprechperson zur Verfügung, die Feedback zur korrekten Durchführung des Programms gibt.

Erfahrungen mit der Verordnung der DiGA

Für die DiGA geeignete Patientinnen und Patienten wurden meist in Einzelgesprächen im Rahmen der psychologischen Mitbehandlung im Diabeteszentrum Bad Lauterberg ermittelt. Vor der Verordnung wurde sichergestellt, dass bei den Patienten und Patientinnen keine Suizidalität vorlag, da dies ein Ausschlusskriterium für die Verordnung der DiGA darstellt (ebenso die Abwesenheit depressiver Beschwerden).

Interesse an der DiGA gab es auch bei Teilnehmenden eines mehrmals jährlich stattfindenden, psychologischen Gruppenangebotes mit dem Schwerpunkt Motivationsprobleme bei Diabetes, bei denen neben dem Diabetes auch depressive Symptome vorhanden waren. Hier ließ sich mit der Verordnung auf den Wunsch eingehen, sich mit weiteren Themen, welche sich aus der Sicht der Teilnehmenden auf die Diabetesakzeptanz auswirken können, zu beschäftigen.

Die Verordnung der DiGA ist im Diabeteszentrum recht unkompliziert möglich, da etablierte Strukturen zur Ausstellung von Verordnungen und Rezepten vorhanden sind. DiGA sind im Rahmenvertrag Entlassmanagement berücksichtigt und können nach § 39 Abs. 1a SGB V DiGA auf Entlassmanagementrezepten verordnet werden.

Rückmeldungen aus Patientensicht

Mit einigen Nutzern und Nutzerinnen der DiGA wurde einige Zeit nach der Verordnung telefonisch Kontakt aufgenommen um eine Rückmeldung zum Programm zu erfragen. Die DiGA wurde angewendet, d.h. das Rezept bei der Krankenkasse eingelöst und mit dem dann zugeschickten Freischaltcode das Programm begonnen. Die in der DiGA thematisierten Inhalte hätten die Anliegen der Teilnehmenden angemessen berücksichtigt. Die Möglichkeit, das Programm zu selbst festgelegten Zeiten zu nutzen, wurde begrüßt, da dies mehr zeitliche Flexibilität erlaubte. Andererseits gab es auch eine Aussage, dass ein fehlender fester Durchführungstermin eine höhere Selbstverpflichtung erfordere, sich auch wirklich die Zeit zu nehmen. Eine Nutzerin gab an, ihren Partner in die Durchführung des Programms einbezogen zu haben, besonders für den Programmteil, der sich mit der Kommunikation über Diabetes in der Partnerschaft befasste, sei dies hilfreich gewesen und habe das gemeinsame Sprechen über Diabetes erleichtert. Das Aufgreifen von Ernährungsthemen unter Alltagsbedingungen wurde als wichtige Ergänzung zur bereits erfolgten, stationären Diabetesberatung bewertet. Insgesamt bewerteten alle Teilnehmenden die Themen der DiGA als interessant und hilfreich, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung für die einzelnen Themen. Einige Teilnehmenden hätten sich parallel zur Durchführung des Programms auch um einen ambulanten Psychotherapieplatz bemüht.

Fazit

Die Verwendung einer DiGA zum Thema Diabetes und Depression ist aus Sicht der verordneten Klinik eine gute Möglichkeit, stationären Patientinnen und Patienten eine Weiterversorgung über den Aufenthalt hinaus anzubieten. Rückmeldungen zur Akzeptanz und Wirksamkeit im Alltag waren ermutigend. Die Verordnung kann außerdem einen Beitrag leisten, Schwierigkeiten bei der sektorenübergreifenden Behandlung (fehlende Therapieplätze) zu begegnen. Derzeit sind beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über 60 DiGA für unterschiedliche Kategorien gelistet. Dies umfasst beispielsweise Apps, die anzuwenden sind bei Nikotinabhängigkeit oder chronischen Schmerzen und deshalb Potential für die Behandlung von Menschen mit Diabetes bieten.


Autoren:
© privat
Dr. Thomas Werner
Chefarzt Diabeteszentrum Bad Lauterberg

© DZBL
Martin Janert
Dipl.-Rehabilitationspsychologe Leipzig


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (6) Seite 36-37