In loser Reihenfolge stellen wir hier Mitgliedskliniken des BVKD vor. Heute ist die Diabetesklinik Karlsburg an der Reihe. Sie deckt das gesamte Spektrum der Diabetologie ab.

Das Klinikum Karlsburg genießt als renommiertes Herz- und Diabeteszentrum im Norden Deutschlands einen guten Ruf. Es liegt ca. 15 Kilometer vor den Toren der Universitäts- und Hansestadt Greifswald. "Karlsburg gehört zu den ältesten Diabeteseinrichtungen in Europa. Seit bald 80 Jahren werden an diesem Standort Diabetespatienten auf höchstem medizinischem Niveau versorgt", sagt Dr. med. Jörg Reindel (52), Direktor der Klinik für Diabetes, Stoffwechsel- und Nierenerkrankungen. Heute deckt das Haus als überregionales Zentrum das gesamte Spektrum der Diabetologie, einschließlich der diabetes-assoziierten Komplikationen, ab. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat die Klinik als Behandlungseinrichtung für Typ-1-und Typ-2-Diabetes sowie Diabetes bei Kindern und Jugendlichen und als ambulante und stationäre Fußbehandlungseinrichtung zertifiziert. Jährlich werden rund 2500 Patienten stationär versorgt. Dabei kommt neuen Diabetestechnologien immer größere Aufmerksamkeit zu. Die Technik hat sich durch die Digitalisierung rasant entwickelt. Beispielsweise ermöglichen neue Pumpen und Sensorsysteme eine bessere Stoffwechseleinstellung der Patienten. Bei sogenannten hybrid closed loop Systemen interagieren Pumpen und Sensoren miteinander, so dass auf Stoffwechselschwankungen automatisch reagiert werden kann. In Karlsburg stehen die Mediziner den modernen Systemen sehr aufgeschlossen gegenüber und bieten Patienten aller Altersgruppen sowie deren Angehörigen entsprechende Schulungen an.

© Klinikum Karsburg
Große Visite: In er Mitte Dr. Jörg Reindel, Direktor der Klinik für Diabetes und Stoffwechselerkrankungen am Klinikum Karlsburg.

Modernes Wundzentrum und Hygienemanagement

"Das Ziel unseres Teams ist es, die Lebensqualität der Diabetiker spürbar zu verbessern und krankheitstypischen Komplikationen vorzubeugen", unterstreicht Dr. Jörg Reindel. Besonders spezialisiert ist das Zentrum auf die Behandlung von chronischen Wunden. Dazu wurde ein modernes Wundzentrum eingerichtet. Im Obergeschoss ist der klinische Bereich untergebracht, in dem Patienten mit chronischen Wunden und Infektionen behandelt werden. Bereits bei Aufnahme ins Klinikum wird per Screening abgeklärt, ob Problemkeime vorhanden sind. Betroffene Patienten können dann in Einzelzimmern untergebracht werden, sie unterliegen einem umfassenden Hygienemanagement. Zudem besitzt der Multifunktionsbau im Basisgeschoss einen OP-Saal, Labore sowie Seminar- und Arbeitsräume für Wissenschaftler und Studenten. Gemeinsam arbeiten Forscher und Mediziner in Karlsburg an Therapien, um diese möglichst schnell in die Praxis einführen zu können. "Ein erster Erfolg gelang mit einer wissenschaftlichen Studie zum Einsatz der Plasmamedizin, die sich positiv auf die Wundheilung auswirkt", erklärt Dr. Reindel. Erstmals wurde in einer klinischen Studie wissenschaftlich bestätigt, dass physikalisches Plasma einen signifikant positiven Effekt auf chronische Wunden hat und zu einer schnelleren Heilung des Diabetischen Fußsyndroms führt. Die Studie, die vom Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen (HDZ Nordrhein-Westfalen), vom Herz- und Diabeteszentrum Karlsburg sowie vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) Greifswald initiiert und durchgeführt wurde, ist im "Journal of the American Medical Association" publiziert worden.

Der sogenannte diabetische Fuß ist eine der häufigsten und schwersten Folgeerkrankungen des Diabetes. Ein Viertel aller Diabetiker entwickelt im Laufe der Erkrankung solche Fußläsionen, für die Nervenschädigungen und Durchblutungsstörungen die Hauptursachen sind. Aufgrund der Nervenschädigung in den Füßen besitzen Patienten ein nur noch eingeschränktes oder fehlendes Schmerzempfinden, so dass aus kleinen Verletzungen oft unbemerkt gefährliche Infektionen entstehen, die sich rasch ausbreiten. Um dem Fußsyndrom vorzubeugen, sollte ein Diabetiker den Blutzucker immer im vorgeschriebenen Normbereich halten. Wichtig ist es auch, regelmäßig einen Facharzt zu konsultieren, der neben dem Stoffwechsel die Füße auf mögliche Läsionen und ihre Ursachen kontrolliert und untersucht. Im Klinikum Karlsburg arbeiten dabei Diabetologen, Internisten, Radiologen, Mikrobiologen, Gefäß- und Fußchirurgen sowie Orthopädie-Schuhmacher und Podologen (Fußpfleger) eng zusammen. "In unserem ambulanten Fußzentrum übernehmen wir die vor- und nachstationäre Betreuung von Diabetikern mit einem Fußsyndrom und wir helfen den Hausärzten bei der fachlichen Abklärung eines Problems", betont Dr. Jörg Reindel.

Augen, Nieren und Nerven im ständigen Check-up

Eine regelmäßige Kontrolle von Augen, Nieren und Nerven gehört zum Check-up für Diabetiker im Klinikum Karlsburg. Bekanntlich schädigt der Diabetes mellitus die großen und kleinen Gefäße des Menschen. Die normnahe Einstellung der Blutzuckerwerte ist deshalb wichtige Voraussetzung, um Erkrankungen an Augen (Retinopathie), Nieren (Nephropathie) und Nerven (Neuropathie) zu vermeiden. Derzeit arbeiten Karlsburger Diabetologen gemeinsam mit Greifswalder Augenspezialisten daran, die Retinopathie, eine fortschreitende diabetesassoziierte Erkrankung der Netzhaut des Auges, frühzeitig und umfassend zu erkennen. Sie nutzen dafür in einem Studienprojekt künstliche Intelligenz. Je eher die Erkrankung erkannt wird, desto besser stehen die Chancen, schwere Krankheitsverläufe zu limitieren und Erblindungen zu verhindern.

Bei akutem oder chronischem Versagen der Nierenfunktion zählen differenzierte Dialyseverfahren wie Hämodialyse, Hämodiafiltration, Hämofiltration und Peritonealdialyse zu den therapeutischen Möglichkeiten der Nierenersatztherapie. Das Klinikum Karlsburg verfügt über eine hochmoderne Dialyseeinheit mit neun Plätzen, wo alle gängigen Dialyseverfahren, einschließlich Citrat-, Infektions- und Peritonealdialyse für stationäre Patienten angeboten werden. Zudem können schwerstkranke Patienten mit einem Nierenversagen unterschiedlichster Ursache mit allen kontinuierlichen Therapieverfahren auf der Intensivstation versorgt werden.


Kooperation: Diabetologen, Herz- und Gefäßspezialisten

Ein besonderer und seit nunmehr vielen Jahren etablierter Behandlungsschwerpunkt in Karlsburg sind assoziierte Herz- und Gefäßkomplikationen. "Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen der Beine treten bei Patienten mit Diabetes ca. zweimal häufiger als bei Stoffwechselgesunden auf. Eine alleinige Optimierung der Blutzuckersituation ist zumeist nicht ausreichend", betont Dr. Reindel. Deshalb wird ein multimodales Behandlungskonzept unter Berücksichtigung aller Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – insbesondere Bluthochdruck, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen – favorisiert. Dies geschieht unter Ausschöpfung konservativ-medikamentöser Therapieansätze bis hin zu interventionellen sowie herz- und gefäßchirurgischen Eingriffen. Im Herz- und Diabeteszentrum Karlsburg arbeiten Diabetologen sowie Herz- und Gefäßspezialisten eng zusammen.

Das Klinikum Karlsburg hat neben den zahlreich hochbetagten Patienten auch sehr junge Patienten mit Diabetes. "Der Typ 1-Diabetes ist eine chronische Erkrankung, die häufig im Kindes- und Jugendalter auftritt. Von der Autoimmunerkrankung, bei der der Körper die Insulinproduktion einstellt, sind im Land Mecklenburg-Vorpommern ca. 650 Kinder und Jugendliche betroffen", erklärt Klinikdirektor Dr. Reindel. Diese Erkrankung ist nicht heilbar und macht es erforderlich, dem Körper täglich Insulin durch Spritzen oder über eine Insulinpumpe zuzuführen. Für Eltern und Kinder ist die Diagnose ein einschneidendes Ereignis. Im Klinikum Karlsburg werden Eltern und Kind nach der Diagnose gemeinsam aufgenommen. Es erfolgt die medizinische Versorgung des Kindes und die umfangreiche Schulung der Eltern. Neben den hohen medizinischen Kompetenzen setzt das interdisziplinäre Team der Diabetesklinik auf eine individuelle und einfühlsame Beratung und Therapie.

Tradition: Ferien-Schulungskurse für Kinder mit Diabetes

Das Klinikum Karlsburg organisiert seit 1978 regelmäßig Ferienschulungskurse für die 7 bis 15-Jährigen. Altersgerecht vermitteln Ärzte, Pflegefachkräfte, Psychologen, Diabetes- und Ernährungsberater Wissenswertes über den Diabetes. Die Kinder lernen in den Kursen, die zumeist eine Woche umfassen, wie sie den Alltag mit der chronischen Krankheit leichter meistern können. "Die Kurse während der Ferien bieten den Vorteil, dass kein Schulunterricht ausfallen muss", erläutert Oberärztin Dr. Antonia Müller, Kinderärztin und Diabetologin. Die Freizeit während der Ferienkurse verbringen die Kinder und Jugendlichen gemeinsam bei Sport und Spiel. Von besonderer Bedeutung ist für die Mädchen und Jungen der Austausch mit Gleichaltrigen. Die Kurse sind stets gut nachgefragt. Inzwischen werden sie auch für Jugendliche zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr und für Vorschulkinder mit einem Elternteil angeboten. "Unsere Erfahrungen haben uns gezeigt, dass es Zeiten gibt, die besondere Verunsicherungen im Umgang mit der Erkrankung mit sich bringen", sagt Dr. Müller. Dazu gehört beispielsweise der Start in den Schulalltag, der den Eltern der chronisch kranken Kinder Sorgen macht. Der einwöchige Kurs mit anderen Eltern und Kindern gibt auch psychologisch Unterstützung. Zudem bietet das Klinikum Karlsburg für interessierte Schulleiter, Lehrer, Trainer und Angehörige Informationskurse zum Diabetes. "Wir freuen uns natürlich, wenn das Angebot gut angenommen wird. Es hilft, Verständnis für die Kinder und den Diabetes zu wecken", meint Dr. Jörg Reindel. "Wichtig ist die optimale Einstellung des Stoffwechsels, die gerade bei jungen Menschen die Chance eröffnet, ein normales Leben führen zu können."



Autor: Anette Pröber
Klinikum Karlsburg
Herz- und Diabeteszentrum
Greifswalder Straße 11
17495 Karlsburg
Telefon: 038355 700

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2022; 34 (6) Seite 37-40