Im November haben sich mehr als 3 500 Diabetesprofis zur fachlichen Weiterbildung in Leipzig getroffen. In zahlreichen Symposien und Workshops wurden innovative Möglichkeiten der Prävention und Therapie vorgestellt.
- neueste Erkenntnisse aus der Diabetesforschung
- speziell für Ärztinnen und Ärzte sowie alle Mitglieder des Diabetes-Behandlungsteams konzipiert
- vielfältige, praxisnahe Vorträge und Workshop
- die nächste Tagung findet vom 22. bis 23. November 2024 in Hannover statt
Das Motto der diesjährigen Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) hatte natürlich etwas damit zu tun, dass die Veranstaltung in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V (DGEM) durchgeführt wurde. Alle, die am 17. und 18. November im Congress Center Leipzig vor Ort waren, durften schließlich wissensgesättigt die Heimreise antreten. Daran konnte auch der Bahnstreik nichts ändern.
Appetit auf Gesundheit! Dieses Motto soll verdeutlichen, wie eng Ernährungsmedizin und Diabetologie verzahnt sein müssen, um im Sinne der Patient:innen eine erfolgreiche und vor allem nachhaltige Therapie zu erzielen. Diese Nachhaltigkeit bezieht sich dabei nicht nur auf den Diabetes, sondern auch auf Folge-und Begleiterkrankungen wie beispielweise Herz-Kreislauf- sowie Krebserkrankungen, heißt es im Grußwort der Veranstalter.
Breites Spektrum an Schwerpunktthemen
Themenschwerpunkte der Herbsttagung waren: "Tsunami Adipositas: unaufhaltsam oder wirksam therapierbar? Stellschraube ambulante Ernährungstherapie, strukturiert behandeln mit DMPs"; "Diabetes im Krankenhaus: intensiv, operativ, interdisziplinär: Diabetesmanagement prä-, peri- und postoperativ, künstliche und Mangel-Ernährung, Medikationseffekte"; "Wunderwaffen im Einsatz? Appetit auf neue Therapieoptionen und Ernährungsansätze: Gewichtseffekte von Antidiabetika, Medikation und Muskelmasse"; "Zukunftsvision Planetary health diet – nachhaltig, ökologisch, gesund? Appetit auf Verhältnisprävention, gesunde Mehrwertsteuer und Nachhaltigkeit"; "Nicht nur das Auge isst mit – Komplikationen und Folgeerkrankungen: Fettleber, Fuß, Niere und Auge"; "Appetit auf Bewegung und Ernährung, personalisierte Ernährung als Gamechanger bei der Prognose und Therapie verschiedener Krankheitsbilder?"; "Hungrig nach Digitalisierung – DiGAs & Technologien als digitale Helferlein, kontinuierliche Glukosemessung und Glykämie, technologische Chancen und Grenzen".
Präsentes Thema all überall in den Gesprächen auf den Gängen und in der Industrieausstellung war selbstverständlich die Krankenhausreform. Der Präsident der DDG, Professor Andreas Fritsche aus Tübungen, hat dazu ein Statement abgegeben und erklärt, welche Punkte für die DDG absolute Priorität haben sollten. Fritsche fordert auf, "das Problem direkt beim Schopf zu packen: Die Krankenhausreform vernachlässigt aktuell die Versorgungssicherheit und Behandlungsqualität von mehr als 8,7 Millionen Menschen mit Diabetes. Bisher hört man von Gesundheitsökonomen nur, dass Diabetes keinesfalls im Krankenhaus, sondern ausschließlich ambulant behandelt werden sollte. Doch bei dieser Forderung wird verdrängt, dass bereits jeder 5. Patient im Krankenhaus eine Diabetes-Erkrankung hat, die besonderer Beachtung bedarf, da sie sich auf alle anderen Behandlungen, den Krankheitsverlauf und die Liegedauer auswirkt. Den Faktor Diabetes aus dem Krankenhaus auszuklammern, ist daher schlichtweg unmöglich. Vielmehr fordern wir, dass eine qualifizierte Diabetesexpertise in allen Versorgungsleveln vorgehalten wird, da Menschen häufig nicht wegen, sondern auch mit Diabetes zur Behandlung kommen. Die DDG befürchtet, dass die Diabetesversorgung in der Breite durch die Umstrukturierung in den mittleren und kleineren Krankenhäusern vernachlässigt werden wird undletztlich die Betroffenen die Leidtragenden sein werden."
Zuviel Bürokratisierung
Allergrößte Gefahr sieht Fritsche in der Bürokratisierung der bevorstehenden Reform. Laut einem der Arbeitsentwürfe zum Gesetz sollen die Universitätskliniken neue Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben zugewiesen bekommen. Es darf nach Ansicht von Fritsche bezweifelt werden, dass die den Wissenschaftsministerien der Länder unterstellten Universitätskliniken mit ihrer Kernkompetenz und -aufgaben in Wissenschaft und Lehre, die international und national unter hohem Wettbewerbsdruck stehen, die geeigneten Institutionen sind, die breite Krankenhauslandschaft bis ins Kleinste hinein zu koordinieren. "Ohne Reform", so habe Professor Lauterbach das Vorhaben kommentiert, "werden viele Krankenhäuser unkontrolliert in die Insolvenz gehen." Zusammenfassend lässt sich aus Sicht Fritsches eher sagen, dass viele Krankenhäuser nicht ungesteuert, sondern gesteuert durch die Reform in Insolvenz gehen werden. "Wenn wir diese Fragen nicht klären, dann wird das Ergebnis das gleiche sein, und die Reform wird keinesfalls die stationäre Versorgung von multimorbiden Patienten mit Diabetes verbessern."
Unterschätzte Risiken
Weitere unterschätzte Risiken sind in interessanten Symposien zum Thema Ernährungsmedizin abgehandelt worden. Prof. Anja Bosy-Westphal, Tagungspräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), Prodekanin an der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, berichtete, dass etwa 80 Prozent der neu diagnostizierten Menschen mit Typ-2-Diabetes übergewichtig oder adipös sind. Im Vergleich zum Körperfett wurde bisher der Einfluss einer zu geringen Muskelmasse und Muskelkraft für die Stoffwechseleinstellung und den Verlauf der Patientinnen und Patienten wenig beachtet. Ein übermäßiger Verlust an Skelettmuskelmasse und -funktion mit steigendem Alter wird Sarkopenie genannt. Eine Sarkopenie wird heute sowohl als Risikofaktor für die Entstehung des Typ-2-Diabetes als auch als Folge dieser Erkrankung angesehen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist die "Muskelgesundheit" (charakterisiert anhand Muskelmasse, -kraft, -qualität und -funktion) durch die Insulinresistenz, eine schlechte Blutzuckereinstellung, Entzündung und erhöhten oxidativen Stress beeinträchtigt. Eine geringere Glukoseverwertung kann aufgrund der geringen Masse der Muskulatur sowie durch deren qualitative Veränderungen entstehen. Das Problem "Sarkopenie" erfordert eine differenzierte Diagnostik von Muskelmasse und Muskelkraft, um betroffene Patienten zu identifizieren und die Behandlung entsprechend anzupassen.
Preiswürdige Beiträge
Preise gab es bei der Herbsttagung der DDG selbstverständlich auch zu gewinnen: "Diabetes von allen Seiten: Leben. Behandlung. Forschung. Prävention" lautete das Thema der Medienpreisausschreibung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in diesem Jahr. In Leipzig wurden die Preisträgerinnen geehrt. 53 Journalistinnen und Journalisten hatten ihre Beiträge in den Kategorien "Hören", "Lesen" und "Sehen" eingereicht – so viele wie noch nie, laut DDG-Mitteilung. Preisträgerin in der Kategorie Hören ist Anja Kopf mit ihrem Beitrag "Was hilft bei einem diabetischen Fußsyndrom?", der im gesundheit-hören-Podcast "Der Zuckerdetektiv" erschienen ist. Sie erläutert darin ausführlich, wie es zum diabetischen Fußsyndrom kommt, welche Folgen es haben kann, wie man vorbeugt und behandelt. In der Kategorie Sehen gewann Heike Scherbel mit einer "Doc Fischer"-Sendung, die im SWR ausgestrahlt wurde, mit ihrem Thema "Gesundes Dicksein". In der Sendung wird erklärt, dass das Gewicht gar nicht immer entscheidend ist, sondern vor allem ein gesunder Stoffwechsel eine zentrale Rolle bei der Frage spielt, ob übergewichtige Personen einen Diabetes entwickeln oder nicht. In der Kategorie Lesen hat die Juryzwei Preisträgerinnen ausgezeichnet. Eva-Maria Vogel erhielt den Preis für ihren Artikel "Achtung, süßes Baby" aus dem Magazin Focus Gesundheit. Dem Thema Kinder mit Diabetes und ihren Schwierigkeiten in Kindergarten und Schule widmete sich Viola Volland in ihrem Artikel "Wenn die Mama mit in die Schule muss" aus der Stuttgarter Zeitung/den Stuttgarter Nachrichten.
Mehr von der Tagung finden Sie auf: www.diabetologie-online.de
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (12) Seite 38-40