Krankenkassen übernehmen seit drei Jahren bei gesetzlich Versicherten die Kosten für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Wir geben Ihnen einen Überblick, welche "Apps auf Rezept" es für Diabetes und Begleiterkrankungen gibt und welche Erfahrungen mit DiGAs vorliegen.

Apps sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Lebens und es gibt kaum ein Smartphone ohne die digitalen Helfer. Ob spielen, dem Wetterbericht abrufen, mal schnell etwas überweisen, die aktuellen Spotergebnisse checken und, und, und … Es gibt fast für alle Bereiche des Lebens eine App. Mehr als 200 Milliarden Apps wurden im letzten Jahr downgeloadet. Dabei gibt es die kleinen mobilen Helfer noch gar nicht so lange. Die Idee geht auf Steve Jobs zurück, der 2008 das erste iPhone von Apple mit Anwendungsprogrammen auf den Markt brachte, die auf dem Handy genutzt werden konnten. Diese Anwendungssoftware ("application") wurde schon bald in der Kurzform als Apps bezeichnet, womit der Begriff in unserem Sprachgebrauch Einzug hielt. Der Durchbruch gelang den Apps mit dem AppStore in iTunes von Apple und dem Android Market (heute: Google Play).

Gesundheitsapps werden immer beliebter

Natürlich gibt es auch jede Menge Apps zum Thema Gesundheit. Von den > 2 Millionen Apps, die in den großen Stores (Google Play, Apple iTunes) angeboten werden, stammen derzeit ca. 140 000 aus den beiden Kategorien "Gesundheit & Fitness" und "Medizin". Die Spannbreite der Gesundheitsapps ist riesengroß. Laut Statista sind bei den Gesundheitsapps im Jahre 2022 Ernährungs-Apps am beliebtesten, gefolgt von Apps zur Messung körperlicher Werte wie zum Beispiel Glukosedaten, die Bewegung oder Blutdruck. An dritter Stelle rangieren Apps zur Schlafüberwachung gefolgt von Meditations-/Achtsamkeits-Apps und Apps zur Aufzeichnung der Menstruation, natürlichen Verhütung und Familienplanung. Nach einer aktuellen, repräsentativen Umfrage von Bitcom (2023) haben etwas zwei Drittel der Deutschen eine Gesundheits- oder Fitness-App auf ihrem Smartphone. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Apps zu körperlichen Aktivitäten wie Laufen oder Radfahren (z.B. Komoot, Garmin Connect) (ca. 40%) am beliebtesten sind, gefolgt von Fitness-Übungen (30%), Messung der Schlafqualität oder Herzfrequenz (26%) und Apps zur Medikamenteneinnahme (16%). Wenn Sie sich über Diabetes-Apps ganz allgemeine informieren möchten: Unter www.kvappradar.de finden Sie 3700 Gesundheits-Apps gelistet. Wenn Sie "Diabetes" eingeben, bekommen Sie über 100 Treffer angezeigt.

Weltweise erste App auf Krankenschein

Es ist vor allem dem früheren Gesundheitsminister Jens Spahn zu verdanken, dass digitale Gesundheitsanwendungen – kurz DiGAs – Einzug in das Gesundheitssystem fanden. Basierend auf dem "Digitalen-Versorgung-Gesetz" (DVG) vom 19. Dezember 2019 (§§ 33a und 139e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) können Ärzte und Psychotherapeuten seit Anfang Oktober 2020 DiGAs verordnen: Daher die Bezeichnung "Apps auf Rezept". Damit war Deutschland das erste Land weltweit, in dem medizinische Apps von der Krankenversicherung als Regelleistung übernommen wurden. Zunächst wurden DiGAs nur von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet, aber mittlerweile ziehen immer mehr private Versicherungen nach. Die Apps sind für die Anwendung des Patienten allein oder von Leistungserbringern und Patienten konzipiert. Das deutsche Vorgehen ist mittlerweile Vorbild für eine Reihe anderer Länder, die ebenfalls Gesundheits-Apps in ihr Gesundheitssystem integrieren.

Ada Health zur Zweitmeinung

Die von einem Berliner Startups entwickelte Gesundheits-App "ada health" (https://ada.com/de) ist mit über 13 Millionen Anwendern einer der weltweiten am häufigsten angewendeten Gesundheits-Apps. Laut Selbstangabe belegt Ada Health in über 130 Ländern Platz 1 der Medizin-Apps.

Ada gibt mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, basierend gibt auf der Eingabe von verschiedenen Angaben des Nutzers, Symptomen Diagnose- und Therapievorschläge. Ada fragt zunächst nach Alter, Geschlecht, bekannten Grunderkrankungen und anschließend ziemlich detailliert, wie bei der Anamnese eines Arztes, nach den Beschwerden und Symptomen. Anschließend erstellt die App eine Diagnose, gibt aber gleichzeitig dem Nutzer auch Wahrscheinlichkeiten für mögliche andere Diagnosen an, so dass Sie sich eine eigene Meinung bilden können. Die Anwender erhalten auch Informationen zu dem Krankheitsbild und Therapievorschläge. Ada ist schon oft in wissenschaftlichen Studien geprüft worden und wird mittlerweile zur Zweitmeinung in klinischen Einrichtungen angewendet. Besonders bei der Diagnose seltener Erkrankungen hat ada, welche kostenlos im Apple Store oder bei Google-play downgeloadet werden kann, seine Stärken.

Nähere Informationen zu https://ada.com/de; mail: hello@ada.com ; Telefon: 800 461-9330.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs)

Warum ist ada health als deutsches "Vorzeigeprodukt" dann nicht als digitale Gesundheitsanwendung in Deutschland gelistet und damit verschreibungsfähig? Schließlich erfüllt sie die beiden Hauptkriterien einer digitalen Gesundheitsanwendung des Bundesamtes für Arzneimittelsicherheit (BfArM): Zum einen beruht die Hauptfunktion der DiGA auf digitalen Technologien und zum anderen wird der medizinische Zweck wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht. Allerdings ist auch entscheidend, wie die Zweckbestimmung einer App vom Hersteller definiert wird. Hier orientiert sich ada health mittlerweile nicht mehr am "Endkunden Patient", sondern nutzt eine sogenannte "Business-to-Business-to-Consumer-Plattform (B2B2C) und zielt damit mit ihrem Geschäftsmodell auf den Handel mit Gesundheitsdaten.

Um als "App auf Rezept" in Deutschland verschreibungsfähig zu werden sind jedoch noch weitere Hürden zu überspringen. Denn dass ein Herzschrittmacher, eine Knieprothese oder ein Blutzuckermessgerät sicher sein muss und dies auch überprüft werden muss, ist unzweifelhaft. Geregelt ist dies in einer Medizinprodukteverordnung (MPG), in der Medizinprodukte je nach körperlicher Eingriffstiefe (Invasivität) und Anwendungsrisiko in 4 Risikoklassen eingeteilt. Medizinprodukte mit einem geringen Risiko und einer geringen Invasivität fallen in die niedrigen Risikoklassen I (z.B. Lesebrillen) oder IIa (z.B. Hörgeräte). Produkte, deren Anwendung mit einem hohen Risiko und einem hohen Invasivitätsgrad verbunden sind, sind in die höheren Risikoklassen IIb (z.B. Infusionspumpen) oder III (z.B. Herzklappen) einzuteilen.

Auch digitale Anwendungen können sich auf die Gesundheit der Anwender auswirken. Wenn etwa über eine App Empfehlungen zu Menge des benötigten Korrekturinsulins gegeben wird, kann dies natürlich bei falschen Dosierungsempfehlungen Schaden bei Menschen mit Diabetes anrichten. Daher wurden in der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, kurz: MDR), die ab Mai 2021 auch in Deutschland gilt, eine eigene Klassifizierungsregel für Software geschaffen. Diese gilt auch für Apps - abhängig von der Zweckbestimmung des Herstellers - die zur Behandlung und Diagnostik von Krankheiten, aktiv über den Arzt oder Patienten in die Therapie eingreifen. In Tabelle 1 sind die wesentlichen Kriterien für die Klassifizierung von Apps entsprechend der MDR aufgelistet.

Tabelle 1: Einteilung von Apps entsprechend der europäischen Medizinprodukteverordnung

Bislang werden nur Apps der Risikoklasse I oder II a als DiGA zugelassen – auch daran würde ada health momentan scheitern. Allerdings sollen mit dem im August 2023 vom Kabinett beschlossenen "Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens" (Digital-Gesetz - DigiG)" auch digitale Medizinprodukte der Risikoklasse IIb in das Gesundheitssystem integriert werden, damit diese auch für komplexere Behandlungsprozesse – z.B. für das Telemonitoring – genutzt werden können. Dies ist eine gute Nachricht für zukünftige diabetologische Anwendungen.

Hohe Anforderungen des DiGA-Leitfadens

Bevor DiGAs verordnet werden können, müssen die Hersteller gegenüber dem Bundesamt für Arzneimittelsicherheit (BfArM) mit Studien nachgewiesen haben, dass die App einen klinischen Nutzen im Sinne positiver Versorgungseffekte erbringt. Liegen bereits aussagekräftige Studiendaten vor, kann eine sofortige und dauerhafte Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis erfolgen. Liegen nur Studienergebnisse vor, die erste Hinweise auf einen möglichen Nutzen erbringen, kann eine vorläufige Listung mit der Auflage erfolgen, dass der Hersteller in einer zusätzlichen Studie innerhalb eines Jahres die Wirksamkeit nachweist. Die methodischen Anforderungen an die Studien sind mittlerweile sehr hoch, so dass in der Realität nur randomisierte Studien mit genau vorher definierten Endpunkten in Frage kommen. Zusätzlich muss ein Hersteller zahlreiche andere Nachweisen hinsichtlich Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der App erbringen, die ebenfalls sehr aufwendig sind. Aktuell wird zur Überprüfung der Datensicherheit ein Penetrationstests nach einem vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfohlenen Konzept in einer vorrangig von BSI-zertifizierten Teststelle gefordert. Diese Auflagen erklären auch, warum der Preis von "Apps auf Rezept" relativ hoch ist und sich viele Hersteller in finanziellen Schwierigkeiten befinden.

Aktueller Stand der DiGAs

Bis zum Dezember 2023 wurden insgesamt 193 Anträge zur Prüfung beim BfArM eingereicht, davon 153 zur vorläufigen Aufnahme. Von den Herstellern wurden 101 Anträge wieder zurückgezogen, 21 befinden sich noch in der Bearbeitung. Insgesamt wurden 49 DiGAs in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und können damit verschrieben werden. 28 sind dauerhaft aufgenommen, 21 vorläufig. 16 Anträge wurden negativ beschieden. Insgesamt 6 Apps, die bereits gelistet waren – darunter mit der ESYSTA App von Emperra auch eine diabetologische App – wurden wieder aus dem Verzeichnis gestrichen, da sie entweder in dem geplanten Zeitraum die Studie nicht zu Ende gebracht haben oder den Nachweis eines positiven Versorgungseffekt nicht erbringen konnten.

Die meisten "Apps auf Rezept" werden für psychische Probleme wie Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder Ängste angeboten. Damit Sie sich auf einen Blick informieren können, welche Apps verschrieben werden können, finden Sie diese in Tabelle 2 alle aufgelistet. Wenn Sie sich genauer informieren möchten, gibt es unter https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis über alle erstattungsfähigen Apps nähere Informationen.

Tabelle 2: Liste aller "Apps auf Krankenschein" (Stand 12.12.2023).

Verschreibung einer DiGA

Wenn ein Arzt oder Psychotherapeuten, eine DiGA für eine bestimmte Erkrankung verschreibt, erfolgt dies über ein Rezept (Muster 16), welches bei der Krankenkasse eingelöst wird. Der Patient erhält daraufhin einen Freischaltcode, mit dem er die verschriebene App freischalten und anschließend nutzen kann. Je nach dem Betriebssystem des Smartphones kann die App im Apple App Store (Apple iOS), im Google Play Store (Android) oder direkt bei einer Webanwendung des Herstellers downgeloadet werde. Ein Rezept gilt für die Nutzung der App für 3 Monate. Für eine längere Nutzung wird alle 3 Monate ein weiteres Rezept benötigt. Alternativ kann ein Patient die Verordnung der App und den Freischaltcode direkt bei seiner Krankenkasse erhalten. Die Verordnung von DiGAs ist für Ärzte/Psychotherapeuten extrabudgetär, so dass weder das Heilmittel- noch das Arzneimittelbudget unmittelbar belastet werden.

Verschreibungszahlen

Ein Bericht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für den Zeitraum vom 01.09.2020 – 30.09.2022 gibt erste Hinweise auf die Verordnung von "Apps auf Rezept". Insgesamt wurden 203 000 DiGAs verordnet, 164 000 wurden vom Patienten eingelöst (81%). Die Verordnung erfolgt zu 89% durch den Arzt/Psychotherapeuten, nur zu 11% durch Antrag des Patienten direkt bei der Krankenkasse. Insgesamt betrug das Ausgabevolumen 55,5 Millionen Euro. Über 30 000 Apps der Indikation "Stoffwechsel, Hormone" wurden verschrieben, dies waren 14% aller verordneten Apps mit Kosten von 15,2 Millionen Euro. 87% der Verordnungen bezogen sich auf den Zeitraum von 3 Monaten, in 13% der Fälle wurden Folgeverordnungen ausgestellt. Im Durchschnitt nahmen Versicherte im Alter zwischen 55 - 65 Jahren, dicht gefolgt von der Altersgruppe 50 - 55 Jahren, am häufigsten eine DiGA in Anspruch. Insgesamt 70% aller Apps werden von Frauen genutzt, das durchschnittliche Alter aller Versicherten mit einer DiGA-Inanspruchnahme liegt bei 45 Jahren. Die KV Berlin hat mit 179 Verordnungen je 100 000 Versicherte die größte Inanspruchnahme von Apps, gefolgt von der KV Schleswig-Holstein (165 Verordnungen je 100 000 Versicherte) und Hamburg (160 Verordnungen je 100 000 Versicherte). Am geringsten erfolgt die Verordnung von Apps in dem KV-Bezirk Saarland (97 pro 100 000 Versicherte).

Am häufigsten verordnet wurden die Apps "Zanadio" (Indikation: Übergewicht; Anzahl: 27 000), "vivira" (Behandlung von akuten und chronischen Rücken-, Knie- oder Hüftschmerzen; 27 000), "Kalmeda" (Tinnitus, 27 000), "Somnio" (Schlafstörungen, 16 000) und "M-Sense" (Migräne, 12 000). Damit machen die fünf am häufigsten genutzten DiGAS 66 % aller Verordnungen aus.

Kosten von DiGAs

Die Preisfindung ist ein komplizierter Prozess und wurde in einer gemeinsamen Rahmenvereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern vereinbart. Vereinfacht gesagt, können die Hersteller den Preis im ersten Jahr nach der Listung unter Wahrung bestimmter Regelungen selbst festlegen. Dieser beträgt zwischen 119,00 € ("Mawendo"; Krankheiten der Patella) und 2.077,40 € ("levidex", Multiple Sklerose). Nach dem ersten Jahr wird in Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern der sogenannte Vergütungsbetrag ausgehandelt. Dieser liegt mit durchschnittlich 220 € für die Dauerleistung beträchtlich unter diesen Preisen. Ab einer Anzahl von 2001 und 10.001 Freischaltcodes erfolgt eine Reduktion der Vergütung um jeweils 25%.

Schnelle Freischaltung

Die Verordnung von Apps ist die alleinige Entscheidung des Arztes/Psychotherapeuten. Da dies von den Krankenkassen oft anders gehandhabt wurde, sah sich die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), gezwungen, in mittlerweile mehreren Briefen die Kassen darauf aufmerksam zu machen, dass diese Praxis nicht rechtskonform ist. Da sich zudem Beschwerden von Versicherten und Herstellern häuften, dass die Zeitspanne zwischen der Rezeptausstellung und der Zusendung des Freischaltcodes oft sehr lang ist, plant die Regierung, den Krankenkassen in Zukunft ein Zeitspanne vorzugeben, in der die DiGA-Rezepte für ihre Versicherten freizuschalten sind.

Apps für die Indikation Diabetes

Im Bereich "Hormone und Stoffwechsel" sind 5 DiGAs gelistet. Zwei Apps bieten Menschen mit Typ-2-Diabetes eine Unterstützung zur Lebensstiländerung an, zwei Apps sind zur Unterstützung einer Gewichtsreduktion zugelassen. Eine App richtet sich an Menschen mit Diabetes und depressiven Verstimmungen bzw. Depressionen.

Apps zur Unterstützung der Lebensstiländerung bei Typ-2-Diabetes

Vitadio

Die App beinhaltet ein interaktives Programm, welches die Themen Motivation, Ernährung, körperliche Aktivität, Schlafhygiene, psychisches Wohlbefinden und soziale Aspekte des Lebens mit Diabetes umfasst. Die Nutzer werden mit Hilfe von täglichen Aufgaben und automatisierten Nachrichten durch den virtuellen Kurs geführt. Das Gelernte wird mit Hilfe von spielerischen persönlichen Zielen umgesetzt, die dabei helfen sollen, neue Gewohnheiten in das tägliche Leben zu integrieren. Ein persönlicher Berater steht im Chat zur Verfügung, um Fragen der Nutzer zu beantworten, auch der Austausch in einer Peer-Gruppe ist möglich. Der besondere Clou ist jedoch Alfred, der auf der Basis von künstlicher Intelligenz die Mahlzeiten, die per Foto hochgeladen werden, analysiert und Vorschläge zur Optimierung macht. Fast wie ein menschlicher Ernährungsberater.

MebiX

Auch das Ziel von MebiX ist eine Lebensstiländerung bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Die Wissensvermittlung erfolgt durch Videos mit Wissenstests. Die App erstellt in Interaktion mit dem Nutzer einen Aufgabenplan, der verschiedene Tagesaufgaben z.B. zur Ernährung oder Bewegung koordiniert. Werden die Medikamente eingegeben, erinnert MebiX per Push- Nachricht an die Medikamenteneinnahme. Die Dokumentation der Ernährung ermöglicht die Ermittlung der Energie- und Ernährungsbilanz. Tages- und Wochenauswertungen geben eine Rückmeldung zu den Erfolgen der Therapie und motivieren zu weiteren Schritten und Aktivitäten.

Digitale Hilfe bei Depressionen

Ca. jeder 4. Mensch mit Diabetes hat depressive Verstimmungen, ca. jeder 8. weist eine klinische Depression auf. Nicht immer ist es einfach, rasch kompetente psychologische bzw. psychotherapeutische Hilfe zu bekommen. Hier bietet es sich an, ein digitales psychologisches Therapieprogramm zu nutzen, da dies unmittelbar nach einem Gespräch mit einem Patienten bzw. nach der Diagnose einer komorbiden Depression zur Unterstützung angeboten werden kann.

HelloBetter Diabetes und Depression

Diese DiGA zielt darauf ab, bei Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes mit depressiven Verstimmungen eine Depression zu vermeiden und die Stimmung zu verbessern. Bei bestehenden Depressionen kann sie ebenfalls angewendet werden. Der 12-wöchige Online-Kurs hat insgesamt 6 Online-Kurseinheiten von jeweils ca. einer Stunde, eine Auffrischungseinheit vier Wochen nach Kursende und Übungen zwischen den Kursterminen. Die Teilnehmer lernen besser mit Belastungen aufgrund des Diabetes umzugehen sowie besser mit belastenden Gedanken oder Sorgen zurecht zu kommen. Zusätzlich gibt es ein Online-Tagebuch, eine Begleit-App und wiederholte Symptom-Checks, um die eigenen Fortschritte festhalten, beobachten und auswerten zu können. In dieser App gibt jedoch nicht nur eine virtuell, sondern auch eine persönliche Unterstützung. Ein geschulter Psychologe gibt innerhalb von 24 Stunden nach jeder Einheit eine schriftliche Rückmeldung. Außerdem steht er jederzeit in Krisensituationen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Apps zur Unterstützung der Gewichtsreduktion

Die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes, aber auch immer mehr mit Typ-1-Diabetes kämpfen mit ihren Pfunden. Auch hierfür gibt es digitale Unterstützung. 2 Apps sind zur Unterstützung einer Gewichtsreduktion zugelassen.

Zandio

Zanadio ist der Branchenführer der DiGAs, da es die am häufigsten verordnete App ist. Sie ist für Personen zwischen 18 und 65 Jahren mit einem BMI zwischen 30 und 40 kg/m2 geeignet und kann auch länger als 3 Monate verschrieben werden. Zanadio zielt darauf ab, schrittweise ungesunde Verhaltensweisen zu identifizieren, diese zu verändern und diesen gesünderen Lebensstil auch langfristig beizubehalten. Dazu gibt es eine ganze Reihe von e-learning-Lektionen, die vom Nutzer bearbeitet werden, sowie Coachingelemente als Unterstützung zur Erreichung der Behandlungsziele.

Oviva Direkt für Adipositas

Auch bei dieser App gibt es einen persönlichen Kontakt. Via Telefonat oder Video-Call legen die Nutzer gemeinsam mit einer Ernährungsfachkraft zu Beginn die persönlichen Ziele und individuelle Strategien zur Gewichtsreduktion fest. In dem Gespräch wird auch die Oviva App erklärt. Diese bietet Lerninhalte, Übungen und Tipps rund um Ernährung, Bewegung, Motivation und Gewohnheitsbildung. Ein Foto-Ess-Tagebuch und die Aufzeichnung der Fortschritte zu Gewicht, körperlichen Aktivität, Stimmung können verfolgt werden.

Apps für Folge- und Begleiterkrankungen des Diabetes

Neben den in der Indikation "Hormone und Stoffwechsel" gelisteten DiGAs gibt es ganze Reihe andere Apps, die für die ergänzende Therapie bei Erkrankungen geeignet sind, die häufig mit Diabetes assoziiert sind. Es ist bekannt, dass Diabetes mit einem höheren Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Essstörungen assoziiert ist. Hier können die zahlreihen Apps der Indikation "Psyche" zu den unterschiedlichsten Indikationen eine Unterstützung darstellen. Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Rauchen oder schädlicher Alkoholkonsum können ebenfalls mit Hilfe von DiGAs positiv beeinflusst werden. Bei dem Vorhandensein von chronischen Schmerzen, welche bei Diabetes zum Beispiel bei Neuropathien auftreten können, ist ebenfalls zu prüfen, ob hier der Einsatz einer DiGA sinnvoll sein könnte. Bei Erektionsproblemen, auch eine häufig auftretende Folgeerkrankung des Diabetes bei Männern, kann ebenfalls eine entsprechende DiGA für Betroffene hilfreich sein. Ebenso gibt es bei Krebserkrankungen, Herzinsuffizienz entsprechende digitale Angebote für Betroffene.

Da Ärzte und Psychotherapeuten ungern Apps verschreiben, deren Inhalte sie nicht kennen, ist es sinnvoll, sich von den entsprechenden Herstellern einen Testzugang freischalten zu lassen, um einen Einblick in die entsprechende DiGA zu bekommen. Ausprobieren, eigene Erfahrungen sammeln und Patienten nach Ihren Eindrücken im Umgang mit DiGAs zu fragen, ist meines Erachtens eine ganz gute "DiGA-Strategie" für die klinische Praxis. Das klingt einfach, ist aber noch lange nicht die Realität: Bei der letzten Umfrage der Stiftung Gesundheit zur Nutzung von Apps hatten 2022 66,4% der möglichen Verschreiber angegeben, noch nie eine App verschrieben zu haben. Denn: Eigene Erfahrungen, Urteile ersetzen Vorurteile.

DiGAs der Gruppe "Hormone und Stoffwechsel"

Vitadio: www.vitadio.de, E-Mail: kontakt@vitadio.de, Telefon: 0157/38289953

Mebix: www.mebix.de, E-Mail: support@mebix.de, Telefon: 0361/34946454

HelloBetterDiabetes und Depression: www.hellobetter.de/online-kurse/diabetes, E-Mail: kontakt@hellobetter.de, Telefon: 040/524733310

zanadio: www.zanadio.de, E-Mail: support@zanadio.de, Telefon: 040/285306250

Oviva Direkt für Adipositas: www.oviva.com/de, E-Mail: kontakt-direkt@oviva.com, Telefon: 030/555720344


Autor:
© zukunftsboard digitalisierung/Ludwig Niethammer
Prof. Dr. Bernhard Kulzerak
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie
Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Mergentheim (FIDAM)


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (1/2) Seite 22-2