Seit dem 9. März 2024 ist die Videoschulung für die Umsetzung der für die DMP-zugelassenen Schulungs- und Behandlungsprogramme erlaubt.

Während der Coronapandemie hatte der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Videoschulung für die DMP-Schulung zugelassen. Dies war notwendig, da über den Besuch der Schulung unter anderem auch die Mitwirkungspflicht des Patienten an den DMPs operationalisiert ist. Verweigert ein Teilnehmer der DMP-Programme widerholt den Besuch einer Schulung, so wird er aus dem DMP wieder ausgeschrieben.

Nach Ende der Pandemie wurde diese Regelung nicht verlängert, wogegen maßgebliche Diabetes-Verbände in einer Resolution protestierten. Denn es hatte sich gezeigt, dass die Schulung mit den zugelassenen strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen über Video gut funktioniert und sowohl für die Teilnehmer von Schulungen als auch Diabetesteams neue Möglichkeiten bietet.

Anhörung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Videoschulung

Mitte 2023 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein erster Entwurf zur Anpassung der Richtlinien zu den DMP-Anforderungen mit dem Ziel veröffentlicht, auch die Videoschulung zu ermöglichen. Dies wurde von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). den Arbeitsgemeinschaften "Diabetes & Technologie" und "Pädiatrische Diabetologie" gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendendokrinologie (DGKED), dem Bundesverband der niedergelassenen Diabetologen e.V. und dem Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) in einer gemeinsamen Stellungnahme zwar begrüßt worden, allerdings wurden auch wichtige Anpassungen gefordert.

Denn in der Vorlage war sehr uneindeutig formuliert, was unter einer digitalen Schulung verstanden wird und wer die Patientenschulungen per Video durchführen darf – beides sehr wichtige Sachverhalte. Die Verbände plädierten dafür, in der Richtlinie den Begriff der Videoschulung zu präzisieren und schlugen folgende Begriffsdefinition vor: "Die Schulung von Versicherten sollte wahlweise in Präsenz, online oder in einer Kombination aus Präsenz- und Onlineeinheiten mit evaluierten Programmen erfolgen. Sie wird von den an den DMP teilnehmenden Leistungserbringern mit krankheitsspezifischer Expertise umgesetzt, um die Integration von Therapie und Schulung zu gewährleisten."

Damit sollte auch sichergestellt werden, dass es zwischen strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen und anderen digitalen Angeboten wie z.B. reinen Onlinevorträgen, Videos (z.B. Tutorials), Videosprechstunden zur Beratung oder "self-guided" Onlinetools (z.B. DiGAs), die keinen Ersatz für eine strukturierte Patientenschulung, sondern ein Add-on darstellen, eine Abgrenzung erfolgt. Um zu gewährleisten, dass nicht Anbieter ohne direkten Patientenkontakt (z.B. Versicherungen, Volkshochschulen etc.) Videoschulungen anbieten, wurde vorgeschlagen, dass Leistungserbringer, die Schulungen für Versicherte als Videoschulung anbieten, ebenfalls Angebote zur Präsenzschulung vorhalten müssen.

DMP-Anforderungen-Richtlinie: Patientenschulungen im Videoformat (§ 4)

(Beschlussdatum: 16.11.2023, Inkrafttreten: 09.03.2024)

Schulungen können ganz oder teilweise im Videoformat umgesetzt werden. Eine Videoschulung ist in diesem Kontext als Schulung in Form einer Videokonferenz oder eines Webinars mit synchroner Interaktion zwischen Schulungspersonal und zu schulenden Personen in Echtzeit zu verstehen. Das Curriculum muss Festlegungen zu folgenden Aspekten enthalten:
  1. für das Videoformat geeignete Anteile inklusive Empfehlungen zur Durchführung im Videoformat
  2. erforderliche Kompetenzen der schulenden Leistungserbringer
  3. strukturelle Anforderungen (z.B. Gruppengröße)
  4. erforderliche Maßnahmen des Qualitätsmanagements.

  • Für den Einsatz von Videoschulungen gelten die Anforderungen an technische Verfahren gemäß Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) (Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 365 Absatz 1 SGB V) entsprechend.
  • Für Schulungen, die sowohl im Videoformat als auch im Präsenzformat durchgeführt werden dürfen, muss mindestens ein Präsenzangebot für die jeweilige Schulungsindikation von dem schulenden Leistungserbringer vorgehalten werden.
  • Bei der Wahl des Formats soll die Patientenpräferenz berücksichtigt werden.

In der Anhörung konnten die Verbände mit ihren Argumenten überzeugen, so dass der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Sitzung am 16. November 2023 beschlossen hat, die DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL) um einen modifizierten Passus zur Videoschulung zu ergänzen (siehe Kasten).

Veränderung der Curricula notwendig

In dem Beschlusstext des G-BA wird ausgeführt, dass die Curricula der bisher und zukünftig anerkannten strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramme Ausführungen enthalten müssen, wie das Programm per Videoschulung umgesetzt wird (z.B. Gruppengröße, Inhalte), welche Kompetenzen Schulenden haben sollen, um die Videoschulung umzusetzen und wie dies im Qualitätsmanagement überprüft wird. Die veränderten Curricula der bestehenden Programme müssen dazu erst wieder bei den Krankenkassen eingereicht werden, die erstmalig das Programm an das Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) eingereicht hatten. Diese geben es nach einer ersten Prüfung an das BAS weiter, die die eigentliche Prüfung durchführt und bei einem positiven Bescheid die Zulassung zur Videoschulung erteilt. In der Liste der anerkannten Schulungsprogramme im Rahmen der DMP sind diese Programme mit einem "(V) als Schulung im Videoformat" gekennzeichnet. Dies kann dann auch in die regionalen DMP-Vereinbarungen übernommen werden. Aktuell sind die Programme MEDIAS BASIS, MEDIAS BSC, PRIMAS und INPUT als Schulung im Videoformat zugelassen, weitere befinden sich in der Prüfung durch das BAS.

Abb 1: Kennzeichnung der Programme, die im Rahmen der DMP-Programme für die Videoschulung zugelassen sind (www.bundesamtsozialesicherung.de/fileadmin/redaktion/DMP/DMP1/20250113_Anhang_1.pdf).

KBV-zertifizierte Anbieter

In dem Text wird auch gefordert, dass die Videoschulung nur mit einem Videoanbieter durchgeführt werden darf, der vorab von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geprüft und zugelassen wurde. Aktuell hat man die Auswahl zwischen 86 zugelassenen Videoanbietern, eine Liste dieser findet sich unter: https://www.kbv.de/media/sp/liste_zertifizierte-Videodienstanbieter.pdf. Hier wird auch aufgeführt, wie viele Teilnehmer dem Videocall beitreten können. Hier reicht die Spanne von 1 Teilnehmer (und damit für eine Gruppenschulung ungeeignet) bis hinzu Anbietern, die bis zu 1 000 Personen gleichzeitig zulassen (was für die Schulung ein wenig überdimensioniert ist).

Allerdings können Ärzte oder Psychotherapeuten Leistungen im Rahmen der Videosprechstunde erst dann abrechnen, wenn sie ihrer Kassenärztlichen Vereinigung zuvor angezeigt haben, einen zugelassenen Videodienstanbieter zu nutzen (in einigen KV-Regionen ist diese Regelung zurzeit ausgesetzt). Die Praxen erhalten dazu von dem zertifizierten Videodienstanbieter nach Vertragsschluss eine Bescheinigung, dass der Videodienst gemäß Anlage 31b zum BMV-Ä zur Informationssicherheit, zum Datenschutz und zu den Inhalten zertifiziert ist.

Patientenpräferenz berücksichtigen

In dem Text des G-BA steht ebenfalls, dass bei der Wahl des Schulungsformats die jeweilige Patientenpräferenz berücksichtigtwerden soll. Das ist sinnvoll, da es natürlich die Entscheidung von Menschen mit Diabetes sein sollte, welches Schulungsformat sie bevorzugen.

In der aktuellen Umfrage zum dt-report 2025 haben wir erneut eine große Anzahl von Menschen mit Diabetes gefragt (n = 2119), welche Präferenz sie für welche Schulungsform haben. Die Antworten zeigen sehr deutlich, dass die Präsenzschulung nach wie vor am beliebtesten ist, aber auch ein nicht geringer Anteil – mehr als jeder 3. Teilnehmer der Umfrage – sich für eine Videoschulung entscheiden würde (Abb. 2). Dies kann als ein klarer Auftrag an die Schulungseinrichtungen verstanden werden, eine Videoschulung anzubieten, um entsprechend der Präferenzen von Menschen mit Diabetes verschiedene Angebote vorhalten zu können. Auch bei den Schulungsmaterialien für die Teilnehmer können sich eine Mehrheit digitale Formate vorstellen (App/eBook).

Abb. 2: Ergebnisse des dt-reports 2025 bezüglich der Präferenzen von Menschen mit Diabetes zur Schulungsform und zu den Schulungsmaterialien (n=2119).

Positive Einstellung von Diabetologen:innen und Diabetesberatern:innen zur Videoschulung

In der selben Umfrage hatten wir auch Ärzte:innen und Diabetesberater:innen/assistenten:innen nach Ihrer Einstellung zur Videoschulung gefragt (n = 868). Die Mehrheit ist der Ansicht, dass Online-Video-Schulungen eine sinnvolle Ergänzung zu Präsenz-Schulungen darstellen (Abb. 3). Gleichzeitig ermöglicht sie relativ einfach praxisübergreifende Schulungsangebote, was besonders bei spezifische Schulungsangeboten (z. B. fremdsprachliche Schulungen) sinnvoll sein kann. Etwa die Hälfte der Teilnehmer sieht auch ein Potential, mittels Videoschulung Hausärzte dabei zu unterstützen, damit mehr Menschen mit Typ-2-Diabetes unmittelbar nach Diagnosestellung geschult werden.

Abb. 3: Ergebnisse des dt-reports 2025 bezüglich der Einstellung von Ärzten:innen, Diabetesberatern:innen und Diabetesassistenten:innen zur Videoschulung (n=868).


Autor:
© Ludwig Niethammer
Prof. Dr. Bernhard Kulzer
Diabetes Zentrum Mergentheim, Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim, diateam


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (1) Seite 30-32