Viele neue Gesetze nehmen Einfluss auf die Diabeteologie in Praxis und Klinik. Es geht nun darum, den Wandel zu gestalten, meint Diabetes-Forum-Chefredakteur Dr. Bernd Liesenfeld.

Nichts ist beständiger als der Wandel". Sollte man meinen. Nach der Flut von Gesetzen und Vorhaben zum Gesundheitswesen im letzten Jahr kam der versprochene Wandel mit dem Bruch der Koalition zu einem jähen Ende. Als letztes schaffte es das Klinikgesetz (KHVVG) nach einem hochdramatischen Finish ermattet über die Ziellinie. Andere für die Praxen wichtige und umstrittene Kandidaten wie das GSVG und das GHG blieben derweil auf der Strecke. Minister Lauterbach kündigt derweil unverdrossen Zeitpläne für die zur Umsetzung des Klinikgesetzes nötigen Rechtsverordnungen an die noch bis an den Tag der Bundestagswahl heranreichen. Ihm droht aber die Wandlung in eine sogenannte "lame duck", lahme Ente. So wird in den USA ein Präsident bezeichnet, der eine Wahl verliert und nur noch die Amtsgeschäfte bis zur Übergabe an den Nachfolger führt, ohne wirkliche Akzente setzen zu können. Lauterbach aber will unbedingt diesen letzten Meilenstein setzen und das Gesetz spätestens zum 1.1.2027 "scharf" schalten. Dazu benötigt er in den wenigen verbleibenden Wochen Rechtsverordnungen zur Finanzierung des Klinikumbaus (Transformationsfond), zur Definition wer Behandlungen durchführen darf (Leistungsgruppen) und wieviele davon jährlich erbracht werden müssen (Mindestvorhaltezahlen). Diese Verordnungen werden über die Zukunft der stationären Diabetologie entscheiden und mit Sicherheit etablierte Strukturen in Frage stellen. Werden Diabetesteams wie bisher ihre wertvolle Arbeit an den Häusern fortführen können?

Dabei ist allen Akteuren, insbesondere in der Diabetologie, bewusst, dass eine Anpassung der Strukturen notwendig ist. Die Schwerpunktpraxen sind gerade nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen, da das Praxengesetz (GSVG) nun nicht kurzfristig umgesetzt wird. Aber nach der Reform ist vor der Reform, und die Argumente liegen nun einmal auf dem Tisch, sodass jedwede politische Konstellation ab März dazu Stellung nehmen muss. Wir können die Zeit nutzen, die Kernpunkte dieser Reformen zu beeinflussen, noch ist Zeit. Dazu gehört kurzfristig die Verankerung diabetologischer Teams als Leistungserbringer in den Klinikstrukturen als Voraussetzung der Abrechnung und der Schutz der überwiegend hausärztlichen Schwerpunktpraxen durch Erhalt der Chronikerpauschale bei der Mitbehandlung.

Langfristig gilt es aber, das anzugehen was keine Reform alleine schaffen wird: der Umgang mit dem immer größer werdenden Mangel diabetologisch qualifizierter Menschen der Heil-, Beratungs- und Pflegeberufe bei gleichzeitig steigendem Bedarf. Die langjährigen Grabenkämpfe entlang den Linien der Haus- und Fachärzten, sowie der ambulanten und stationären Strukturen sind obsolet. Es führt nicht weiter, wenn jeder Sektor vom telemedizinischen "24/7-Allheilmittel" zur Versorgung maximal skalierbarer Patientenzahl träumt und dabei vergisst, dass auch hier Menschen mit langjährigen Ausbildungen nötig sind. Noch. In einer Veröffentlichung in JAMA Network Open vom Oktober 2024 schnitten Ärzte schlechter ab als ein KI-Modell hinsichtlich korrekter Diagnose und Therapie von simulierten Patientenfällen. Wir sollten begreifen, dass Kliniken und Praxen regional gemeinsam personelle Resourcen strukturiert einsetzen müssen, um den Wandel zu gestalten. Oder der Wandel wird uns gestalten. Wieso sind Kooperationsvereinbarungen bislang ungeliebte Papiertiger und nicht Anlass über sektorübergreifende Strukturen konkret im Alltag nachzudenken ? Gerne auch mit Einsatz moderner Technologien, die die räumliche Trennung der Leistungserbringer aufheben. Ich erinnere mich an die frühen Bemühungen um regionale Schulungsvereine in den 80er Jahren, die nie so richtig Fahrt aufnahmen, weil der Eigensinn der Akteure stärker war als der Wunsch nach einer optimal gesteuerten Versorgung. Ein regionaler, digitaler Schulungsverein mit Online- und Präsenzangeboten als erster Schritt? Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind jetzt da!

Auch unsere Zeitschrift wird sich dem Wandel nicht verschließen, sondern wird aktiv daran mitwirken, Sie zu unterstützen. Wir werden die Diabetes-Technologie stärker in die Printausgabe des Diabetes-Forums integrieren und damit den Stellenwert und die Sichtbarkeit des Themas "Digitalisierung" erhöhen. Tatkräftig unterstützt werden wir dabei vom diateam. Die Zahl der Printausgaben des Forums wird sich von zehn auf sechs pro Jahr konzentrieren, da Inhalte zusätzlich auf unserer Internet-Plattform "diabetologie-online" abgebildet werden. Dies erhöht Aktualität und Nachhaltigkeit. In diesem Jahr wird diese Plattform ein neues "Outfit" bekommen. Bleiben Sie dran.


Autor:
© privat
Dr. Bernd Liesenfeld
Chefredakteur


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (1) Seite 5