Rauchen ist der wichtigste Risikofaktor für den frühzeitigen Tod eines Menschen mit Diabetes mellitus. Es kostet 10 Jahre Lebenszeit, der Diabetes selbst schon 6 Jahre. 25 % der Typ-1-Diabetiker und 13 % der Typ-2-Diabetiker fröhnen im Nachbarland Frankreich dem Konsum, 4 % müssen täglich passiv inhalieren. Nicht allein die Güte der Stoffwechselkontrolle, des Blutdrucks und der Blutfette entscheidet vornehmlich über die Dauer und Qualität des Lebens mit Diabetes, sondern die Tatsache, ob jemand raucht. Wieviel Zeit verwenden wir auf der anderen Seite, um dieses Thema mit den betroffenen Patienten zu besprechen? Bringt nichts, hilft nichts, keine Zeit – so die landläufige Meinung der Behandler. Währenddessen ist den Patienten dieses Dilemma sehr wohl bewusst, der Leidensdruck hoch. Im Schnitt gibt der deutsche Raucher 1 800 Euro jährlich für Rauchwaren aus – kein Pappenstiel. Gerne werden deshalb auch teure alternative Heilmethoden bemüht, z.B. eine Injektion fragwürdiger Flüssigkeiten in die Ohrmuschel, um endlich von der Sucht befreit zu werden.

Nikotin hat antiöstrogene Effekte die eine stammbetonte Fettverteilungsstörung begünstigen. Kontrainsulinäre Hormone wie Adrenalin, Wachstumshormon und Cortiosol werden vermehrt ausgeschüttet und verstärken die Insulinresistenz. Das Risiko, überhaupt einen Diabetes zu entwickeln ist bei Rauchern bereits um 40 % erhöht. Betazellen reduzieren ihre Funktion unter Nikotineinfluss und sterben früher ab. Die Angst vor einer Gewichtszunahme hält viele davon ab einen Versuch zur Entwöhnung zu unternehmen. Im Durchschnitt nehmen Menschen nach dem Nikotinstopp um 3,8 kg zu, meist innerhalb der ersten 3 bis 6 Monate, aber knapp 10 % nehmen dagegen sogar ab.

Der texanischen Suchtforscherin Luba Yammine fiel bereits vor über 10 Jahren auf, dass Menschen unter GLP-1-Therapie deutlich häufiger das Rauchen beendeten. Das trifft interessanterweise auch auf andere Suchterkrankungen wie Alkoholismus oder Kokainmissbrauch zu. Sie initiierte eine Pilotstudie mit Exenatid zur Entwöhnung bei Raucher:innen mit Prädiabetes, die eine deutlich bessere Abstinenzrate und geringere Gewichtszunahme zeigten. Aktuell leitet sie zwei Studien (Exenatid, Semaglutid) zur Entwöhnung. Sollten ähnliche zentralnervöse Mechanismen Appetit und Suchtverhalten beeinflussen? Sind es zwei Seiten der gleichen Medaille?

Das Risiko für einen frühzeitigen Tod nimmt mit der Dauer der Entwöhnung unabhängig vom vorherigen Konsum schrittweise ab und erreicht nach 10 Jahren das Ausgangsniveau. Es ist also selten zu spät. Als Nachteil steigt der HbA1c nach dem Stopp um etwa 0,6 % an, aber dies wird durch die gesundheitlichen und ökonomischen Vorteile für Mensch und Gesellschaft mehr als ausgeglichen.

In Neuseeland kippte in diesen Tagen die neue Regierung gegen öffentlichen Widerstand das weltweit erste weitreichende Gesetz zur Bekämpfung der Nikotinsucht. Es hätte mit einem Rauchverbot für alle nach dem 1.1.2009 Geborenen, drastischer Reduzierung des Nikotingehalts für Rauchwaren und Ausdünnung der Verkaufsstellen eine massive Verbesserung der Gesundheit in diesem Land und Vorbildfunktion für den Rest der Welt gehabt. Das Gesetz fiel Steuersenkungen zum Opfer zu deren Finanzierung die Tabaksteuer als unabdingbar erschien. In Deutschland beläuft sich diese Steuer auf seit Jahren konstante 14 Milliarden Euro. Dies steht jährlichen direkten Kosten für tabakbedingte Erkrankungen (Arzneimittel, Klinik etc) von ca 30 Milliarden Euro und etwa 67 Milliarden Euro für indirekte Kosten wie Arbeitsausfällen o.ä. (Quelle Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, DHS, 2024) entgegen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

In meiner täglichen Praxis biete ich denjenigen, die aus welchem Grund auch immer, die Nikotinabstinenz trotz Ausschöpfung der traditionellen Methoden (Beratung, Nikotinpflaster, Hypnose) nicht schaffen zumindest eine Risikominimierung mit niedrig-dosierten Statinen und Acetylsalicylsäure an, um das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen zu minimieren. Oft sind hierunter Patienten mit psychischen Erkrankungen, die Änderungen des Lebensstils weniger zugänglich sind. Entgegen bisheriger Hoffnungen scheint auch das Ausweichen auf E-Zigaretten kein gangbarer Weg zur Risikoreduktion zu sein.

Bevor wir mit Patient:innen über die vielen notwendigen Dinge sprechen den Alltag mit Diabetes besser zu meistern, sollten wir über Dinge sprechen, die sie besser vermeiden sollten. Das Schädliche lassen bevor man mit dem Nützlichen beginnt. Weniger ist eben manchmal mehr und kostet in diesem Fall nichts.


Autor:
© privat
Dr. Bernd Liesenfeld
Chefredakteur


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (7/8) Seite 5