Basensupplementation kann die Gewichtsreduktion bei kohlenhydratreduzierter, proteinreicher Diät steigern.

Zusammenfassung
Einleitung: Mit kalorienreduzierter Ersatzkost kann Gewicht reduziert werden. Häufig verlangsamt sich jedoch die Gewichtsabnahme oder stagniert trotz fortgesetzter Kalorienreduktion. Ursächlich könnte ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt sein. In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurde der Effekt von Basensupplementation auf die Gewichtsreduktion überprüft.

Methoden: 32 übergewichtige Erwachsene wurden in 2 Gruppen randomisiert und erhielten Informationen zur Lebensstiländerung, eine Ersatzkost und telemedizinische Begleitung über 26 Wochen. Die Interventionsgruppe nahm zusätzlich 2 x täglich ein Basensupplement zu sich. Primärer Endpunkt war die Estimated Treatment Difference (ETD) der Gewichtsreduktion.

Ergebnisse: Beide Gruppen reduzierten signifikant Gewicht (je p < 0,0001). Bei den Kontrollen kam es nach 12 Wochen zu einer Stagnation, die Interventionsgruppe reduzierte weiter Gewicht, so dass nach 26 Wochen eine signifikant höhere Gewichtsreduktion vorlag (-13,5 ± 8,1kg vs. -8,3 ± 4,8 kg; ETD 5,2 kg [0,5 – 9,9]; p = 0,038). Parallel trat eine signifikant stärkere Reduktion der Fettmasse, des Ruheenergiebedarfs, des Body-Mass-Index, des Taillen- und Hüftumfangs sowie der Harnsäurespiegel auf, während die Kontrollgruppe mehr Muskelmasse abgebaut hatte. Verstärkte Säureausscheidung am Morgen und ein Urin-pH-Anstieg am Nachmittag weisen auf eine regulierende Wirkung der Basensupplementation hin.

Zusammenfassung: Basensupplementation unterstützt die Gewichtsreduktion bei kohlenhydratarmer, proteinreicher Diät.

Schlüsselwörter: Gewichtsreduktion, Basensupplementation, Säure-Basen-Haushalt, Ersatzkost, Mineralstoffe

Einleitung

Die Ernährungsweise der Industrieländer, d. h. reich an Kohlenhydraterzeugnissen und tierischen Produkten, geht mit einer steigenden Prävalenz an Übergewicht und Adipositas einher. Tatsächlich sind in Deutschland mehr als die Hälfte aller Erwachsenen über 40 Jahre übergewichtig oder adipös (1). Daher sind Strategien zur effizienten Gewichtsreduktion notwendig. Aktuelle wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass Low-Carb-Strategien am erfolgversprechendsten sind – je nach Form kann der Kohlenhydratanteil dabei theoretisch auch bis auf null reduziert sein (ketogene Diät) –, die die Normalisierung der erhöhten Insulinspiegel im Fokus haben (2). Kohlenhydrate werden in Glukose bzw. andere Einfachzucker aufgespalten, die die Ausschüttung von Insulin anregen. Insulin wiederum vermittelt die Glukoseaufnahme in den Muskel, wo durch die Versorgung der Muskelzellen mit Glukose der Proteinabbau gehemmt wird. Überschüssige Energie wird in Form von Triglyzeriden in Fettzellen gespeichert. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Anwesenheit von Insulin die Lipolyse hemmt (3). Werden bei einer Ernährungsintervention die Kohlenhydrate minimiert, normalisieren sich nicht nur innerhalb weniger Tage die erhöhten Blutglukosespiegel; es sinken auch die Insulinspiegel ab und bei Patienten mit Typ-2-Diabetes kann es zu einer Remission der Erkrankung kommen (4). Gleichzeitig kann die Lipolyse starten, so dass es zu einer effektiven Gewichtsreduktion kommt.

Beim Fettabbau entstehen jedoch Ketosäuren, die eine Verschiebung ins Saure bewirken. Im Körper gibt es streng regulierte Puffersysteme, die z. B. den pH-Wert im Blut konstant bei 7,35 bis 7,45 halten und so vor "Übersäuerung" schützen. Ein Überschuss an sauren Stoffwechselprodukten wird u. a. über die Ausscheidung von Protonen über den Urin reguliert (5, 6). Dadurch wird der Urin saurer, der pH-Wert im Urin sinkt. Bis zu 70 % der Variabilität des Urin-pH-Werts werden durch die Nettosäureausscheidung über die Niere bedingt (5) und diese wird unmittelbar durch die Art der Nahrung beeinflusst. Je nach Zusammensetzung und Art ihrer Verstoffwechselung werden Lebensmittel als Säurebildner, neutral oder als Basenbildner gesehen. Grundsätzlich wäre anzunehmen, dass Lebensmittel mit einem höheren Chlorid-, Phosphat- und Schwefelgehalt eher säurebildend und solche mit höherem Natrium-, Kalium-, Magnesium- und Kalziumgehalt eher basisch wirken. Da die Absorptionsraten der einzelnen Nahrungsmittel und Ionen sich jedoch stark unterscheiden, ist die Einteilung komplexer (5). Zu den säurebildenden Lebensmitteln gehören u. a. Getreideprodukte, Teigwaren, Milch, Milchprodukte, Eier, Fisch, Fleisch und Wurstwaren. Neutral verhalten sich Fette und Öle sowie Getränke mit geringem Alkaligehalt. Basisch wirken hingegen z. B. Gemüse, Salate, Pilze, Obst, Kräuter und phosphatarme, mineralreiche Getränke (5).

In einer vorangegangenen Studie konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz einer kalorienreduzierten, kohlenhydratarmen, proteinreichen Ersatzkost (15 % Fett, 30 % Kohlenhydrate und 55 % Protein) im Rahmen einer Lebensstiländerung innerhalb von 26 Wochen eine signifikante Gewichtsreduktion von 6,7 ± 6,1 kg erreicht werden konnte (7). Interessanterweise verlangsamte sich jedoch die Gewichtsabnahme nach anfänglich schnellen Erfolgen (-6,2 ± 4,6 kg nach 12 Wochen) oder stoppte sogar ganz, obwohl die Kalorienreduktion weiter fortgesetzt wurde. Wir postulieren, dass ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt dabei eine ursächliche Rolle spielt, so dass zum Schutz der Zellen eine weitere Freisetzung von Ketosäuren verhindert wird und der Fettabbau stoppt. Bereits 1982 konnte gezeigt werden, dass bei einem 7-tägigen Fasten eine Basensupplementation (in Form von Natriumhydrogencarbonat) die Ketosäureproduktion und -ausscheidung stimuliert, während eine Säuresupplementation (in Form von Ammoniumchlorid) sie hemmt (8). Nach unserem Kenntnisstand sind derzeit keine Studien verfügbar, die den Einfluss von Basensupplementation auf die Gewichtsabnahme bei kohlenhydratreduzierter, proteinreicher Kost untersucht haben. In einer randomisierten, kontrollierten Studie mit übergewichtigen Erwachsenen wurde daher die Hypothese geprüft, ob eine Basensupplementation die Gewichtsreduktion während einer kalorienreduzierten, kohlenhydratarmen Diät verstärkt.

Material und Methoden

Studiendesign

Es handelt sich um eine einfach verblindete, kontrollierte Interventionsstudie mit zwei parallelen Gruppen. Der erste Teilnehmer wurde am 10.01.2015 rekrutiert, der letzte Teilnehmer beendete die Intervention am 01.02.2016. Die Studie wurde am Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ) in Düsseldorf und entsprechend den Prinzipien der Deklaration von Helsinki (1964) sowie den Richtlinien für "Good Clinical Practice" durchgeführt. Das Studienprotokoll wurde von der Ärztekammer Nordrhein (Nr. 2014244) genehmigt und alle Teilnehmer gaben ihr schriftliches Einverständnis, bevor sie in die Studie aufgenommen wurden.

Studienpopulation

32 übergewichtige Erwachsene wurden durch das WDGZ rekrutiert. Einschlusskriterien waren ein Alter von 21 bis 65 Jahren und ein Body-Mass-Index (BMI) > 27 kg/m²; Ausschlusskriterien waren akute oder chronische Erkrankungen, eine Rauchentwöhnung in den letzten 3 Monaten oder geplant während der Studie, die Einnahme gewichtsbeeinflussender Medikamente, eine Schwangerschaft oder Stillen eines Kindes und bekannte Unverträglichkeiten gegen Bestandteile der Ersatzkost.

Randomisierung und Verblindung

Jeder Teilnehmer erhielt eine Studiennummer und für jede Studiennummer gab es, generiert durch den Studienkoordinator mit Hilfe einer elektronischen Zufallssortierung, in einem verschlossenen Umschlag (ausgehändigt durch die Studienschwester) die zufällige Zuteilung in Kontroll- oder Interventionsgruppe. Die Reihenfolge der Gruppenzuteilung war den Teilnehmern, der Studienschwester und den Studienärzten nicht bekannt. Die Daten wurden (bis auf die separat ausgewerteten Urin-pH-Werte) verblindet analysiert.

Interventionen

Beide Gruppen erhielten schriftliche Informationen zur Lebensstiländerung (Tipps für mehr Bewegung im Alltag, Informationen zu kohlenhydratarmer, proteinreicher Ernährung, Vorlagen zur Verlaufskontrolle der eigenen Werte), eine elektronische Waage und einen Schrittzähler (smartLab®, HMM Holding AG, Dossenheim) sowie kalorienreduzierte Ersatzkost (Almased® Vitalkost, Almased Wellness GmbH, Bienenbüttel). Die Teilnehmer wurden dazu angehalten, täglich ihr Gewicht und ihre Schrittzahl zu messen. Diese Werte wurden automatisch in ein personalisiertes Onlineportal transferiert, das nur vom Teilnehmer selbst und vom Studienzentrum einsehbar war. Die Teilnehmer ersetzten in der einen Woche alle drei Hauptmahlzeiten durch 1 g Ersatzkost pro kg Normalgewicht (Normalgewicht = Körpergröße in cm - 100) in 250 ml Wasser und nahmen täglich zusätzlich 45 g Öl (reich an ungesättigten und Omega-3-Fettsäuren) und 750 ml Gemüsesaft zu sich. Zwischenmahlzeiten waren nicht erlaubt. In den folgenden 3 Wochen wurden dann 2 Hauptmahlzeiten und bis zum Ende der 6-monatigen Interventionsphase 1 Hauptmahlzeit ersetzt. Die Teilnehmer der Interventionsgruppe nahmen zusätzlich 2 x täglich 4,1 g Basensupplement (BasenCitrate Pur®, Madena GmbH & Co. KG, Köln), aufgelöst in 250 ml Mineralwasser, zu sich und bestimmten morgens, nachmittags und abends mit Hilfe von pH-Teststreifen (BasenCitrate Pur® Urin-pH-Teststreifen, Madena GmbH & Co. KG, Köln) den Urin-pH-Wert.

Parameter

Alter, Geschlecht und Größe wurden bei Studienbeginn erfasst. Alle weiteren Werte wurden bei Studienbeginn, nach 4, 12 und 26 Wochen (Ende der Interventionsphase) sowie nach einem Jahr bestimmt. Mit Hilfe einer geeichten Körperanalysewaage (seca mBCA 515, seca GmbH & Co. KG, Hamburg) wurden Gewicht, Fettmasse, fettfreie Körpermasse, Muskelmasse, Ruheenergiebedarf und BMI ermittelt. Der Taillenumfang wurde an der breitesten Stelle und der Hüftumfang an der schmalsten Stelle gemessen. Die Blutdruckmessung erfolgte nach 5 Minuten Sitzen am rechten und linken Arm und der Mittelwert der beiden Messungen wurde berechnet. Zur Bestimmung von Triglyzeriden, Gesamt-, HDL (high density lipoprotein)- und LDL (low density lipoprotein)-Cholesterin, Nüchternglukose, Hämoglobin A1c (HbA1c) und Harnsäure wurde nach einer Nüchternphase von 10 bis 16 Stunden venöses Blut aus einer Unterarmvene entnommen.

Statistik

Der primäre Endpunkt war die "Estimated Treatment Difference" der Gewichtsreduktion (Interventionsgruppe vs. Kontrollgruppe) nach 26 Wochen. Zusätzlich und für die sekundären Endpunkte wurden innerhalb jeder Gruppe die Änderung über die Zeit (Differenz zum Wert bei Studienbeginn) mittels Friedman-Tests inklusive des "Dunn’s Multiple Comparison Tests" bestimmt und Unterschiede zwischen den Gruppen mittels Mann-Whitney-Tests analysiert. Dichotome Variablen wurden mittels "Fisher’s Exact Tests" verglichen. Für multiples Testen wurde nach Bonferroni korrigiert. In die Analysen wurden alle verfügbaren Werte der Teilnehmer (n = 32) eingeschlossen. Das Signifikanzlevel (α) lag bei 0,05. Die Daten wurden mittels GraphPad Prism Version 6.04 (GraphPad Software, San Diego, CA, USA) analysiert.