In dieser Fortbildung erfahren Sie alles über die überarbeiteten Leitlinien mit konkreten Forderungen.
Im Sommer 2023 hat die Europäische Fachgesellschaft für Hypertonie (ESH) aktualisierte Leitlinien vorgestellt. In einem "Statement" (12/23) der deutschen Hochdruckliga wurden die aktualisierten und präzisierten Empfehlungen (praxisrelevant!) veröffentlicht (M. van der Giet, Charité Berlin, MMW 13/22). Viele Jahre/Jahrzehnte wurde ein Blutdruck systolisch zwischen 140-159 mmHg und diastolisch von 90-99 mmHg als milder Bluthochdruck = milde Hypertonie bezeichnet. Diese Bezeichnung implizierte, dass dieser Blutdruck gar nicht so schlimm sei.
Die Leitlinien der letzten Jahre (2019) haben dies berücksichtigt, man spricht seitdem nicht mehr von einem milden, sondern von einem hochnormalen Blutdruck. Dies umso mehr, als in zahlreichen Metaanalysen gezeigt werden konnte, dass eine Blutdrucksenkung eines erhöhten Blutdrucks (≥ 140/90 mmHg) einen positiven Effekt auf die Mortalität und das Erkrankungsrisiko für kardio-vaskuläre Erkrankungen hat – sowohl in der Primärprävention, als auch in der Sekundärprävention.
Nach diesen Leitlinien sollte der Blutdruck - altersadaptiert - unter 140/80 mmHg liegen – bei jüngeren Menschen eher niedriger. In Ergänzung zu den bisherigen Stadien der Hypertonie werden jetzt insbesondere hypertensive Organschäden und auch das kardiovaskuläre Risiko bezüglich ihrer prognostischen Relevanz berücksichtigt:
- Stadium 1: Unkomplizierte Hypertonie = ohne hypertonie-bedingten Organschaden (HMOD) oder kardiovaskulären /chronischen Nierenschaden Stadium 1 bis 2.
- Stadium 2: Bereits vorhandener hypertonie-bedingter Organschaden (HOMD) / chronischer Nierenschaden Stadium 3 oder Diabetes.
- Stadium 3: Kardiovaskulärer Endorganschaden oder chronischer Nierenschaden Stadium 4.
In der Studie ARIC (= Atherosklerose Risk in Communities/Teramoto K. et al.2020) mit über 4578 Teilnehmern in 24 Jahren Dauer konnte gezeigt werden, dass bei Menschen im mittleren Lebensalter (70 Jahre ± 5 Jahre) eine gute Blutdruckeinstellung wesentlich darüber entscheidet, ob später eine Herzinsuffizienz auftritt – das Mortalitätsrisiko und die Herzinsuffizienz waren eindeutig mit den systolischen Blutdruckwerten assoziiert (Teramoto K et al., Hypertension 2020).
- Resistente Hypertonie
- Schlafstörungen / Schlaf-Apnoe
- COPD
- NASH
- Chron. Infektion (incl. Covid-19)
- Migräne
- Depressionen
Die grundsätzliche Bedeutung liegt darin, dass die Zahl der Menschen mit Herzinsuffizienz rapide zunimmt und man bei etwa 70% aller Herzinsuffizienz - Patienten Stoffwechselprobleme findet - in Form eines Diabetes mellitus (bei etwa 50%) oder einer anderen Glucosestoffwechselstörung bei weiteren 35 % (Prof. W. Döhner Charité Berlin). Patienten mit Diabetes haben generell ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen – bis zu 70 % versterben vorzeitig am Herzinfarkt und am Schlaganfall (DHD). Eine der pathogenetisch wichtigsten Begleiterkrankungen des Diabetes ist dabei die Hypertonie. Über 75 % aller Menschen über 70 Jahre entwickeln eine Hypertonie – einer von vier Erwachsenen hat einen Bluthochdruck (Luft F.C./Charité/Berlin)! Eine genetische Prägung scheint dabei größer als bisher gedacht (40 – 50 %!) – Eltern und Großeltern spielen auch diesbezüglich eine große Rolle (Framingham Studie/ von Niiranen et al. EurHeart J,38).
Risikofaktoren
Vor Therapiebeginn sollte nach den neuen Leitlinien das kardiovaskuläre Gesamtrisiko anhand des Score 2 bzw. Score 2 -OP bei älteren Menschen, bestimmt werden. Diese erlauben das 10 -Jahres Risiko abzuschätzen.
- Maligne Hypertonie in der Vorgeschichte
- Niedriges Geburtsgewicht
- Hypertonie während der Schwangerschaft mit oder ohne Präeklampsie/Eklampsie
- Frühes Einsetzen der Menopause
- Hinfälligkeit
- Psychosoziale und sozioökonomische Faktoren
- Migrationshintergrund
- Exposition für Luftverschmutzung und Lärm
NEU: Hypertonie-Screening
Nach den neuen Leitlinien sollten alle Patienten über 40 Jahre einmal im Jahr eine Blutdruckmessung bekommen. Bevorzugt ist der Oberarm mit automatischer Oszillometrischer Messung – diese wird auch bei der 24 -Stunden Messung und der Heimmessung eingesetzt. Nur validierte Messgeräte sollten verwendet werden. So ist denn auch die leitliniengerechte Praxis -Blutdruckmessung die Standard Methode für die Diagnose und auch das Management von Hypertonie Patienten.
Neu: Die Heim-Blutdruckmessung wird aufgewertet – sowohl bei der Diagnose als auch im Verlauf der Hypertoniebehandlung. Ein entsprechendes Training der Patienten mit Dokumentation der Messwerte (ebenfalls oszillometrische Messung empfohlen!) vorausgesetzt.
Screening nach hypertoniebedingten Endorganschäden (HMOD)
Neben dem Basisprogramm:
- 12-Kanal-EKG
- Kreatinin
- GfR
Neu: Albuminverlust über die Nieren im spontanen Morgen-Urin (Albumin/Kreatinin Ratio).
Diese zeigt, wie auch die Mikroalbuminurie bei Menschen mit Diabetes, schon frühzeitig einen beginnenden Nierenschaden an.
Empfohlene Untersuchungen
Neu: Urinuntersuchung mit Bestimmung der Albumin/Kreatinin-Ration im Morgenurin schon bei der Diagnose einer Hypertonie.
- 30 – 50 % der Patienten mit Herzinsuffizienzzeichen haben eine diastolische Herzschwäche (= mangelhafte diastolische Füllung des linken Ventrikels bei noch normaler Auswurfleistung in der Systole)
- 60 % der Patienten mit Vorhofflimmern haben eine arterielle Hypertonie
- 54 % der Apoplexe, 47 % der koronaren Herzkrankheit (KHK) und ca. 40 % aller Herzinsuffizienz-Patienten sind Folge einer arteriellen Hypertonie
Neu: Blutdruckziele wurden vereinfacht
Für die meisten Patienten gilt <140/80 mmHg. Wenn man den Blutdruck aus weiteren Gründen auf <130/80 mmHg senken möchte, sollte man unbedingt das "Wohlbefinden" des Patienten beachten – insbesondere im Hinblick auf die "Therapie-Treue". Die Leitlinien beinhalten natürlich auch, dass weiterhin "individuelle" Ziele mit dem Patienten vereinbart werden können!
Berücksichtigen sollte man dabei aber auch eine Studie der Universität Bern (Am.Fom. Med.2019) die zeigt, dass aber auch bereits ein systolischer Blutdruck unter 130 mmHg die Gefahr impliziert, dass Senioren kognitive Leistungseinbußen erleiden – die Korrelation zwischen niedrigem systolischen Blutdruck und stärkerem kognitiven Abbau war dabei bei "gebrechlichen" Menschen am Größten. Niedriger ist also nicht immer besser – dies zeigten auch schon frühere Studien.
Diabetes und Hypertonie
Nach der Studienlage entwickeln etwa 50 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes einen Bluthochdruck – oft parallel zu einer gleichzeitigen diabetischen Nephropathie. In einer schon älteren aber wichtigen internationalen Studie (Leader 4/2016) waren 90 % der Diabetiker auch Hypertoniker – bei 51% lag trotz Therapie der Blutdruck nicht unter 140/85 mmHg. Nur etwa 20 % erreichten den Zielblutdruck von <130/80 mmHg.
Bei Menschen mit Diabetes findet man oft eine isolierte systolische Hypertonie – Ausdruck einer zunehmenden Gefäßsteifigkeit (=Gefäßschäden) und einem damit oft einhergehenden erhöhten cardialen Risiko (Middeke M.2017).
Aus pathophysiologischen Gründen kann die Bestimmung der Pulswellengeschwindigkeit als Biomarker für die Gefäßsteifigkeit sowie des zentralen Blutdrucks bei der Therapie helfen, eine bessere Einstellung des Blutdrucks zu erreichen.
Durch die sogenannte Windkesselfunktion der Aorta wird die Druckamplitude nach Kontraktion des linken Ventrikels und der Aortenklappe gedämpft. Der Druckpuls wird in den peripheren Arterien teilweise reflektiert, wodurch die Druckamplitude in den herzfernen peripheren Arterien ansteigt. (Druckpulskurve herznah mit Inzisur, herzferne Arterien mit dichroter Welle.)
Zudem findet man häufiger eine gestörte circadiane Blutdruckrhythmik mit einer oft unzureichenden Nachtabsenkung des Blutdrucks – manchmal bei völlig normalen Tageswerten (="maskierte, nächtliche Hypertonie" (="Non-Dipper"). Deshalb sind durchaus ambulante 24-Stunden Blutdruckmessungen bei unklaren klinischen Befunden bei Diabetikern sinnvoll!
Der Blutdruck eines Menschen sinkt in der Nacht üblicherweise um etwa 10-20 % unter den Tagesmittelwert (= Normal dipper, aus dem englischen to dip =absenken), Menschen bei denen der Blutdruck nachts um weniger als 10 % absinkt, bezeichnet man demnach als "Non dipper", dagegen bei denen nachts der Blutdruck sogar eher ansteigt als "Inverted dipper.
Der nächtliche Blutdruck scheint eher als der Tagesblutdruck, eine schlechte Prognose hinsichtlich Herz-Kreislauferkrankungen (Non dipper, Inverted dipper) zu signalisieren.
Andererseits sind aber auch Menschen mit einem extrem niedrigen Blutdruck während der Nacht (=Extreme dipper) im Schlaf mit einem höheren Herz-Kreislauf-Risiko behaftet.
Ein extremer Blutdruckanstieg in den frühen Morgenstunden (>55mmHg = "Morning Surge"/ Sturge-Phänomen) stellt ein besonderes Risiko z.B. für den Herzinfarkt und Schlaganfall dar.
Therapeutische Möglichkeiten
Die Hyperglykämie muss bei bestehendem Diabetes wegen der Endorganschäden (Infarkt, Apoplex, Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz) und der Hypertonie gleichwertig gut behandelt werden.
Dabei ist die Datenlage bei Menschen mit Diabetes nach wie vor nicht so eindeutig. So konnte in den zuvor schon angesprochenen Studien keine Reduktion kardio-vaskulärer Ereignisse und auch der Sterblichkeit erreicht werden – auch nicht das Risiko der diabetischen Retinopathie und Neuropathie (s. Middeke M, Diabetes 2018). Niedrigere RR-Werte <120 mmHg hatten in der Accord-Studie eher Nachteile, ein RR-Wert <130 mmHg in einer schwedischen Studie (Cederholm J. 2012) zeigte ebenfalls keinen positiven Effekt.
Blutdruckwerte <140 mmHg scheinen generell einen leichten Vorteil bezüglich kardio-vaskulärer Ereignisse zu haben (Accord bei Diabetikern). Eine weitere Senkung scheint jedoch nur bezüglich Senkung der Apoplex-Rate und der Albuminurie von Vorteil (Metaanalyse von Emdin et al. 2015). In der HOT-Studie konnte bei Diabetikern mit einem diastolischen RR-Wert <80 mmHg (im Vergleich zu der 90 mmHg-Gruppe) eine kardio-vaskuläre Risiko-Reduktion von 51 % erreicht werden. Nach den amerikanischen Leitlinien (Sprint-Studie) sollte auch bei Diabetikern der Blutdruck unter 130/80 mmHg eingestellt werden – diese Empfehlung ist von den Europäischen Gesellschaften nicht übernommen worden. Die Senkung des systolischen Blutdrucks unter 120 mmHg hatte zwar in der Progress-Studie, in der Invest-Studie und in der Ontarget-Studie zu weniger Schlaganfällen, jedoch auch zu mehr Herzinfarkten geführt. Aufgrund der vorliegenden Daten von Metaanalysen ist ein Blutdruck bei Menschen mit Diabetes von systolisch 120-130 mmHg und diastolisch von 70-80 mmHg zu präferieren!
Lebensstilinterventionen
Die essentiellen Bausteine wie Gewichtsreduktion, regelmäßige körplerliche Aktivität, verminderte Kochsalzaufnahme werden ergänzt durch:
Neu: Steigerung der Kaliumaufnahme.
Ganz neu: Stressreduktion durch gezielte, bewusste körperliche Übungen oder auch Meditation.
Nicht-medikamentöser Therapieansatz der Hypertonie
Ein westlicher Ernährungsstil ist für die arterielle Hypertonie ein treibender Faktor. Deshalb kann ein gesunder Lebensstil mit Ernährungsumstellung und einer Gewichtsreduktion (1 kg Gewichtsabnahme senkt den systolischen Blutdruck um etwa 1mmHg!) ein genetisches Risiko für die Hypertonie zum Teil ausgleichen (V.Mc Parloud/N.Wilck/Berlin).
Kochsalz
Eine Restriktion scheint wegen des allgemein hohen Kochsalzverbrauchs vor allem durch Fertigprodukte in der Bevölkerung aufgrund der Studienlage sinnvoll – besonders bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz (etwa 4 g/Tag ist in Ordnung). Mehr Ballaststoffe können wohl zur Vorbeugung von Hypertonie beitragen, ebenso wie die mediterrane Diät und die DASH-Diät.
Die mediterrane Diät besteht primär aus pflanzlichen Lebensmitteln und ist reich an:
- Gemüse
- Obst
- Vollkornprodukten
- Ballaststoffen und enthält wenig:
- gesättigte Fette
- Zucker
- raffiniertes Getreide
- stark gesalzene Lebensmittel
(Trichopoulou A N Enge J Med)
Die mediterrane Küche wird in den Leitlinien der ESC/ESH 2018 empfohlen. Die DASH-Diät (= Dietary Approches to Stog Hypertension), die viele gesunde Nährstoffe enthält, stellt zusätzlich einen Ernährungsleitfaden zur Verfügung, der eine lebenslängliche Ernährungsumstellung noch leichter ermöglicht! (N.Wilck, Charité/Berlin).
Medikamentöse Therapie
Neben den Lebensstilinterventionen spielt die medikamentöse Therapie nach wie vor eine entscheidende Rolle!
Wie bisher sind die 5 Klassen von Blutdruckmedikamenten zur Therapie möglich, die in 4 Gruppen eingeteilt werden.
- ACE-Hemmer oder AT1 Blocker
- Betablocker – erfahren für bestimmte Indikationen eine Renaissance
- Kalziumantagonisten (Kalzium-Kanal-Blocker)
- Diuretika (Thiazide/Thiazidastige Diuretika)
Prinzipiell können alle Antihypertensiva der 4 Hauptklassen miteinander kombiniert werden – die zwei Medikamentengruppen in "A" dürfen nicht miteinander kombiniert werden.
Blutdruckmedikamente
Nach den aktuellen Leitlinien kann eine medikamentöse Therapie auch schon bei "hochnormalem Blutdruck" (120-129/<80 mmHg) und gleichzeitig vorhandenem sehr hohem kardio-vaskulärem Risiko begonnen werden.
Wann konkret damit begonnen wird, hängt weiterhin von Begleiterkrankungen ab.
Eine medikamentöse Monotherapie wird in den meisten Leitlinien nur noch bei Menschen mit Grad I Hypertonie (syst. <150 mmHg) und niedrigem kardio-vaskulären Risiko empfohlen. Dies gilt auch für sehr alte Menschen über 80 Jahren.
In allen anderen Fällen sollte laut ESC/ESH-Leitlinien bereits zu Beginn mit einer 2-fach-Kombination (= "duale Therapie") begonnen werden. Man erhofft sich daraus ein sicheres Erreichen der Zielblutdruckwerte – Studien belegen dieses Vorgehen eindeutig (135.971 kalifornische Hypertonie-Patienten ABNJ, Luong T et al 2021, Hypertension).
Merke: Für die meisten Patienten und gemäß der Leitlinien wird eine primäre Kombinationsbehandlung mit zwei Substanzklassen empfohlen.
Wegen der oft vorhandener Polymorbidität müssen viele Patienten oft zusätzlich andere Medikamente einnehmen (z.B. Diabetesmedikamente, Medikamente gegen Asthma/ COPD, Fettstoffwechselstörungen) – ein Zusammenwirken bzw. "Nicht-Passen" muss immer berücksichtigt werden (z.B. auch bei Niereninsuffizienz!)
Betablocker werden im Rahmen der Bluthochdrucktherapie praktisch nur noch bei begleitenden Herzerkrankungen eingesetzt – besonders bei der systolischen Herzinsuffizienz und der KHK (Koronare Herzkrankheit)/Vorhofflimmern, erfahren aktuell aber eine gewisse Renaissance.
Therapieresistenter bzw. auch therapierefraktärer Bluthochdruck (= neue Definition):
Wenn unter mehr als 3 Blutdruckmedikamenten mit verschiedenen therapeutischen Ansätzen der Blutdruck nicht unter 140/90 mmHg sinkt, spricht man von einem therapieresistenten Bluthochdruck.
Ein therapierefraktärer Bluthochdruck liegt vor, wenn unter 5 Blutdruckmedikamenten mit verschiedenen therapeutischen Ansätzen kein Effekt (<140/90 mmHg) erreicht wird.
Neu: Bei einem resistenten Blutdruck hat sich die renale Denervation als vergleichbar effektiv herausgestellt.
Medikamentöse Therapie: Nutzen einer frühen Kombination bestätigt! (Adhärenz)
Studien belegen die konsequente Medikamenteneinnahme bei Fixkombinationen (Zunahme um 21%, Metaanalyse Düsing). Eine schlechte Adhärenz zeigte ein deutlich erhöhtes Risiko bestimmter kardiovaskulärer Ereignisse – in einer nachträglichen Analyse der Ontarget-Studie war das Risiko bei den Therapie-Abbrechern um 38,5% höher!
In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass durch eine 2er-Kombination von Medikamenten (z.B. Coach-Studie) oder sogar einer 3er-Kombination (z.B. Trinity) die Effektivität zunahm – unter der 3fach-Kombination nochmals mehr als unter der 2fach-Kombination. So konnten deutlich mehr Patienten auch noch nach 1 Jahr der Therapie im Zielbereich verbleiben!
Beachte: RAS (= Renin-Angiotensin-System)-Blocker und auch ACE-Hemmer dürfen in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden – bei geplanter Schwangerschaft sollten Frauen entsprechend aufgeklärt werden. RAS = AT1 Blocker müssen bei Schwangeren sofort abgesetzt werden.
ACE-Hemmer werden vornehmlich renal eliminiert – AT1 Blocker hauptsächlich hepatisch – ihren therapeutischen Effekt kann man meist sehr rasch an der effektiven Blutdrucksenkung bzw. auch an einem Rückgang der Proteinurie erkennen. Die Internationalen Richtlinien der KDIGO (Kidney Disease Improving Global outcomes) empfiehlt beide Substanzklassen bei hypertonen diabetischen und nicht-diabetischen Menschen mit chronischer Nierenkrankheit und einer Mikroalbuminurie von >300 mg/l! Die Gabe von ACE-Hemmern oder AT1-Blockern konnte in einer Studie bei einer GFR <26 ml/Min den weiteren Abfall der GFR sogar verhindern und die Proteinurie reduzieren.
Gerade in der Kombination mit Spironolacton droht eine oft gefährliche Hyperkaliämie! (Bei einer GFR <30 ml/Min nicht mehr als 25 mg/d Spironolacton geben!)
Beachte: HCT und weißer Hautkrebs:
Aus Sicht der Task Force der Deutschen Hochdruckliga überwiegt deutlich der Nutzen der Therapie. Ebenso bezüglich des Risikos für Lungen-Ca. Sind Basaliome bereits vorhanden, sollte dieses Diuretikum nicht eingesetzt werden (eher z.B. Indapamid). Patienten mit HCT und nicht melanozytärem Hautkrebs sollten auf einen ausreichenden Hautschutz vor Sonnen –und UV-Strahlung achten (DHL 2018), es braucht keine generelle Umstellung zu erfolgen.
"Maskierte Hypertonie"
Von "maskierter Hypertonie" spricht man, wenn in der Praxis ein normaler, bei der Heim-Messung jedoch erhöhte Werte gemessen werden (etwa 15 % der Fälle!). Hier ist eine Lebensstilintervention, kombiniert mit regelmäßigen Kontrollen auf Endorganschäden wichtig.
Diabetische Nephropathie: Nephroprotektion = Kardiovakuläre Risikoreduktion!
Neben einer intensivierten Diabetestherapie (HbA1c <6,5%) ist eine optimale Blutdruckeinstellung mittels ACE-Hemmern (RR <130/70 mmHg), der zusätzlichen Thrombozyten-Aggregationshemmung mittels ASS unerlässlich (STENO-2-Studie), um eine Remission der diabetischen Nephropathie zu erreichen. Laut einer australischen Studie an 587 Patienten mit Mikroalbuminurie konnte durch einen ähnlichen multifaktoriellen Ansatz bei 35,8 % der Betroffenen (RR <130 mmHG) eine Remission bis hin zur Normo-Albuminurie erreicht werden (Hsich Mc Clin Invest 2011).
Durch die kombinierte Therapie mit Renin-Angiotensin-Aldosteron-Hemmern und auch dem Einsatz von SGLT-2-Hemmern zur Senkung des glomerulären Filtrationsdrucks, kann so erstmals auch das kardio-vaskuläre Risiko deutlich gesenkt werden.
- Erneute Aufklärung
- Vereinfachung des medikamentösen Regimes:
- Gabe von Medikamenten grundsätzlich morgens (Adhärenz abends schlechter!)
- Prüfung der NW und ggf. Therapieumstellung zur Reduktion von NW
- Zuzahlungskosten reduzieren durch Umstellung der Medikamente
- Integration der Einnahme in die tägliche Routine
- Verfügbare Apps verwenden (Erinnerungsfunktion, Motivationsinhalte)
- Verwendung digitaler Anwendungen zur psychologischen Unterstützung, Aufklärung, Motivation und damit Adhärenz-Steigerung
Interventionelle Verfahren
Invasive Verfahren wie die renale Denervation, Carotiskörpermodulation, Baroreflexstimulation mittels Stent oder Schrittmacher etc. werden aktuell nicht für die Routine-Behandlung der Hypertonie empfohlen (O.Vonend/Wiesbaden 2019). Sie können jedoch durch Beeinflussung des autonomen Nervensystems (vor allem des sympathischen Nervensystems!) gerade angesichts der doch zahlreichen Patienten mit nicht ausreichend kontrollierter Hypertonie trotz medikamentöser Therapie eine zunehmende Rolle spielen!(?) (z.B. renale Denervation z.B. Syral-Off-Med-Studie [Böhm M.et.al]) – z.B. auch Katheterintervention bei der Nierenarterienstenose.
Nachsorge – langfristige Betreuung
Neu: eine regelmäßige Nachsorge ist essentiell, um die Effektivität der Therapie/Intervention zu überprüfen. Neu ist auch der Hinweis auf eine mögliche Untätigkeit/Unlust von Ärzten eine schlechte Blutdruckeinstellung adäquat durch regelmäßige Kontrollen zu überwachen/zu verändern!
Zusammenfassung
Die überarbeiteten Leitlinien der europäischen Fachgesellschaft für Hypertonie (ESH) enthalten detailliertere Angaben z.B. bei der Neu-Diagnose oder auch zur Risiko-Stratefizierung anhand der Blutdruckwerte bei der Praxis-RR-Messung. Durch ein früheres Screening auf hypertone RR-Werte bei allen Menschen mit Diabetes und ihren häufig zusätzlichen Begleit-/Folgeerkrankungen könnten diese davon profitieren. Der Vermeidung von Endorganschäden durch eine frühzeitige Therapie kommt eine immer wichtigere Bedeutung zu – eine rasche Progression kann so zumindest in vielen Fällen verhindert werden.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (10) Seite 22-29