Immer mehr Menschen mit Diabetes sterben wegen ihres hohen kardio-vaskulären Risikos. Herzinfarkt, Schlaganfall, pAVK und Herzinsuffizienz spielen eine große Rolle. Dr. Gerhard-W. Schmeisl berichtet.

Fortbildung im Diabetes-Forum
Liebe Diabetes-Forum-Leser, liebe Mitglieder des Verbandes der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V., in regelmäßigen Abständen gibt es in unseren Diabetes-Forum-Ausgaben Fortbildungsbeiträge. Zusammengestellt sind die informativen Artikel von Dr. Gerhard-W. Schmeisl aus Bad Kissingen. Dieses Mal geht es um das Thema "Hochrisiko-Gefäßpatienten".

Die Mitglieder des VDBD und auch alle anderen Interessierten haben an dieser Stelle die Möglichkeit, ihr Wissen über das jeweilige Thema zu überprüfen. Wenn Sie an den Lösungen des Fragebogens interessiert sind, schicken Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff "Fortbildung im Diabetes-Forum" an heinz@kirchheim-verlag.de

Die richtigen Lösungen schicken wir Ihnen umgehend. Die Redaktion wünscht Ihnen viel Erfolg!

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Laut offiziellen Zahlen sterben in Europa etwa 4 Millionen Menschen jährlich – Menschen mit Diabetes, insbesondere Typ-2-Diabetiker haben dabei eine 2-3-fach höhere kardio-vaskuläre Sterblichkeit. Das bedeutet vorzeitigen Tod, vor allem durch Herzinfarkt, Schlaganfall, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und – neuerdings mehr im Fokus: die Herzinsuffizienz.

Die aktuellen Therapieleitlinien, die eine starke Änderung der Gewichtung erfahren haben, tragen dieser "neuen Sichtweise" Rechnung (GLP1 Analoga, SGLT2 Hemmer als first-line Medikamente). Die Behandlung des Diabetes und auch Präventivmaßnahmen haben vor allem die Lebensstiländerung (Bewegung, nicht Rauchen, KH-ärmere Ernährung) und auch die Senkung der Risikofaktoren wie der Blutfette, des Bluthochdrucks aber auch des Blutzuckers im Blick.

Alleine wenn Blutdruck und erhöhte Cholesterinspeiegel über die gesamte Lebenszeit gut eingestellt wären, würde sich das kardio-vaskuläre Risiko um bis zu 80 Prozent senken (Prof. Florian Limbourg, Hannover) lassen.

Andererseits zeigt sich jedoch besonders bei Gefäß-Hochrisikopatienten, die gleichzeitig einen Diabetes haben, dass der Blutzucker im Rahmen einer Intervention in der Klinik oft nicht ausreichend beachtet wird- einen schlechteren langfristigen "Outcome" der Intervention (Katheter, Bypass, Amputation nach Infektion) in Kauf nehmend. Die allseitig geforderte interdisziplinäre Zusammenarbeit, aber auch der durch den Diabetes selbst oft notwendige größere Aufwand wird leider auch immer noch seitens der Kostenträger (DRGs!) nicht ausreichend honoriert.

Koronare Herzerkrankung (KHK)

Komplikationen im Rahmen von Herz-Kreislauferkrankungen haben in den letzten zwei Jahrzehnten sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei Menschen mit Diabetes in den so genannten "Industrienationen" abgenommen!

Bei Diabetikern angeblich relativ gesehen um fast 70 Prozent - absolut gesehen natürlich wegen der insgesamt zunehmenden Zahlen nicht (ähnlich wie bei den Amputationen!). Wichtig ist, dass atheromatöse Komplikationen sowohl bei Typ-2-Diabetikern als aber auch bei Typ-1-Diabetikern früher im Leben auftreten. Eine erhöhte Rate an Koronarer Herzerkrankung findet man bereits in den Vor-Stadien des Diabetes in der Phase der gestörten Glukosetoleranz mit dem Auftreten der bekannten Risikofaktoren (Insulinresistenz, erhöhte Lipide, Hypertonie etc.).

Laut Deutschen Registerdaten findet man bei Patienten mit einer KHK in 39 Prozent einen bekannten Diabetes mellitus, in 30 bis 40 Prozent zusätzlich kann entweder dieser oder eine gestörte Glukosetoleranz im oralen Glukosetoleranztest (oGGT) bewiesen werden. Deshalb wird seitens der Kardiologen ein Screening- Test auf Diabetes bei nachgewiesener KHK dringend empfohlen.

Was geschieht bei einem Infarkt?

Die koronare Herzerkrankung ist durch atheromatöse Plaques gekennzeichnet, die je nach Gegebenheit einreißen können und so lokal die Bildung eines Gerinnsels mit kurzfristigem Verschluss (NSTEMI= Nicht ST-Elevations-Infarkt) verursachen. Bei einem kompletten anhaltenden Verschluss eines Gefäßes entsteht in der Regel ein STEMI (=ST-Elevations-Infarkt), den man im EKG als solchen erkennen kann. Wenn Herzmuskelgewebe untergegangen ist, kommt es zum Anstieg der herztypischen Herzmuskelenzyme (z.B.Troponin-Test, instabile AP).

Typische Infarkt-Beschwerden sind:

  • Angina pectoris (=Engegefühl in der Brust), die auch Ausstrahlen kann in den Bauch, die Arme, den Rücken und auch den Kiefer!
  • Brennendes Gefühl im Brust/Brustbein-Bereich, oft als Sodbrennen verkannt.
  • Übelkeit und Brechreiz
  • Nackenbeschwerden
  • Luftnot (neu aufgetreten – schon bei geringer Belastung!)
  • Schwäche und Müdigkeit einige Tage vor dem Infarkt.

Bei Millionen Menschen bleiben die atheromatösen Veränderungen über viele Jahre ohne jegliche Konsequenz, da sie keinerlei Beschwerden machen. Geht ein Blutgefäß über Jahre langsam zu, indem sich das Lumen immer mehr reduziert, so bemerkt dies ein ansonsten gesunder Mensch erst dann, wenn das Gefäß schon zu etwa 70 Prozent verschlossen ist und akut plötzlich mehr Sauerstoff benötigt wird z.B. beim Treppen steigen, beim Hinterherrennen eines weggefahrenen Busses etc.

Dies bedeutet: Etwa 70 bis 75 Prozent Stenosen machen in Ruhe weder am Herzen, noch an den Beinen oder am Gehirn Probleme, wenn nicht akut etwas geschieht! (oder man es wegen einer Neuropathie nicht merkt!)

Infarktsymptome bei Frauen Besondere Risikofaktoren bei Frauen
Nackenschmerzen Diabetes mellitus
Übelkeit, Erbrechen Doppelrolle Haushalt und Beruf
Müdigkeit, Abgeschlagenheit Partnerschaftsprobleme

Insbesondere Übelkeit, Brechreiz und auch Nacken - und Kieferschmerzen finden sich häufig bei Frauen! (=Eva-Infarkt). Da die Beschwerden und Symptome der koronaren Herzerkrankung nicht immer eindeutig sind und auch ein "normales" EKG einen Infarkt nicht ausschließt, gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die die Wahrscheinlichkeit einer KHK erhärtet oder auch ausschließt – dies hängt sowohl vom Geschlecht, aber auch vom Alter der Betroffenen ab. Treten die genannten Beschwerden regelmäßig bei Belastung auf, spricht man von einer "stabilen Angina pectoris".

Fakten zum Herzinfarkt-Risiko bei Frauen
  • Grundsätzlich die gleichen wie bei Männern
  • Aber Frauen sind meist bis zur Menopause geschützt
  • Allerdings: Frauen die die Pille nehmen und rauchen, haben ein vierfach erhöhtes Herzinfarkt-Risiko
  • Bei Diabetikerinnen ist das Risiko für einen Herzinfarkt um das Sechsfache erhöht, bei Männern etwa um das Vierfache.
  • Der Blutdruck steigt oft schnell nach der Menopause und fordert deshalb besondere Aufmerksamkeit.

Insbesondere bei Diabetikern mit einer bereits bekannten Polyneuropathie können entsprechende Symptome einer KHK völlig fehlen ("autonome Neuropathie des Herzens"). Dies muss bei asymptomatischen Diabetikern mit bekannt hohem Risiko bei der Austestung der Wahrscheinlichkeit unbedingt berücksichtigt werden.

Angina pectoris trotz normaler Herzkranzgefäße
  • Rund 50 Prozent aller Patienten, die wegen des Verdachts auf koronare Herzkrankheit eine Herzkatheteruntersuchung erhalten, haben keine bedeutsamen Verengungen der Herzkranzgefäße.
  • Oft löst eine Fehlfunktion der kleinen Blutgefäße im Herzmuskel (mikrovaskuläre Dysfunktion) Angina-pectoris-Beschwerden und EKG-Veränderungen aus (besonders bei Diabetikern, aber auch Raucher!)

Findet man in der Koronarangiographie nichts Aufregendes – also keine Stenose, die die Beschwerden erklären kann, liegt manchmal eine Funktionsstörung der kleinen Arterien ("Koronare micro- vasculäre Dysregulation) vor (etwa 50 Prozent der Patienten mit Beschwerden aber ohne Nachweis einer Stenose!).

Diagnostik der KHK

Ein "normales" Ruhe-EKG schließt eine KHK – ja sogar einen frischen Herzinfarkt (NSTEMI) keinesfalls aus. Da in Ruhe meist alle Befunde bei einer KHK normal sind, werden Belastungs-Tests durchgeführt:
  • Belastungs-EKG (nicht 100 Prozent aussagefähig!)
  • Myokardszintigraphie (Spect) und PET-Untersuchung
  • Stress-MRT (Magnetresonanztomographie)
  • Stress-Echokardiographie
  • Computertomographie
  • Herz-Katheter- Untersuchung (zur Beseitigung einer Stenose und evtl. Stent-Platzierung

Eine Möglichkeit im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung diese sehr kleinen Arterien zu untersuchen, besteht darin, den körpereigenen Botenstoff Acetylcholin in die Herzkranzgefäße zu injizieren, nachdem gesichert ist, dass diese nicht eingeengt sind. Normalerweise werden die Koronarien darüber weiter, nicht jedoch in diesem Fall.

Therapie der KHK

Unterscheiden muss man zwischen Medikamenten, die eine Progression der Grunderkrankung reduzieren und damit evtl. auch lebensverlängernd wirken, von einer Therapie, die die Beschwerden akut (Luftnot, Schmerzen etc.) z.B. mit NitroSpray oder Zerbeiß-Kapseln, oder auch langfristig lindern (Corvaton, Molsiket ret., Pentalong etc.

Um ein Fortschreiten einer KHK zu bremsen, einen Infarkt zu verhindern und ggf. die Lebenserwartung zu verbessern, stehen folgende Medikamenten-Gruppen im Vordergrund:
  • Acetylsalicyl-Säure (ASS, evtl. Clopidogrel etc.) und Statine, die alle Patienten bekommen
  • ACE-Hemmer und Betablocker für bestimmte Patienten,– neuerdings meist nur für eine bestimmte Zeit, bei besonders gefährdeten Patienten auch Gerinnungshemmer.

Medikamentengruppen und Wirkstoffe bei KHK

mod. nach Meinertz/Dt. Herzstiftung, 2015
Acetylsalicylsäure z. B. ASS
Clopidogrel -
Statine z. B. Simvastatin, Atorvastatin, Rosuvastatin
Betablocker z. B. Bisoprolol, Nebivolol oder Carvedilol
Ivabradin = Procorolan®
ACE-Hemmer z. B. Ramipril, Renalapril, Lisinopril
Sartane (= At1-Blocker) z. B. Candesartan, Valsartan, Lorsartan
Calcium-Antagonisten Amlodipin, Nisoldipin, Lercandipin oder Verapamil, Diltiazem
Nitrate Isosorbiddinitrat, Penta-erythrityl-tetranitrat
Ranolazin Ranexa®

Apoplex (= Schlaganfall)

Bei Menschen mit Diabetes ist das Schlaganfallrisiko 2-4 Mal höher als bei Stoffwechselgesunden. Der Schlaganfall ist außerdem die zweithäufigste Todesursache – 80 Prozent sterben einen kardio-vaskuklären Tod. Menschen mit einem Apoplex haben in 20 Prozent der Fälle einen Diabetes – etwa 300.000 Menschen erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Ischämische Schlaganfälle, also durch Durchblutungsstörungen bedingt, machen über 80 Prozent der Schlaganfälle aus, nur 20 Prozent sind durch Blutungen verursacht.

Die Unterscheidung kann heute und muss heute möglichst rasch insbesondere durch bildgebende Verfahren wie CT oder NMR gestellt werden, damit die richtige Therapie eingeleitet wird (bei einem Thrombus ggf. eine Lyse).

Der ischämische Apoplex (80 Prozent)

Ursachen sind atheromatöse Plaques an denen sich Thromben bilden, sowohl außerhalb als auch innerhalb der Hirnarterien, wobei einer der wichtigsten Risikofaktoren der Bluthochdruck ist, insbesondere der systolische Blutdruck. Es konnte in Studien gezeigt werden, dass ein systolischer Blutdruckanstieg um 10mmHg bereits ein Schlaganfallrisiko um 30 Prozent erhöht (Physicians Health Study, Herold 2018, S.811). Bluthochdruckkranke haben ein etwa 4fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Menschen mit normalen Blutdruckwerten. Dreiviertel aller Schlaganfall-Patienten haben einen Bluthochdruck!

Weitere Risikofaktoren sind vor allem:
  • das hohe Alter,
  • eine koronare Herzerkrankung (KHK),
  • aber auch Diabetes mellitus Typ 2,
  • Rauchen
  • Starker Alkoholkonsum
  • Hormone, wie z.B. Östrogene
  • Patienten mit starker Migräne und entsprechender Aura.

Arterielle Embolien kommen vor allem aus dem Herzen, besonders aus dem linken Vorhof und dem "Vorhofohr" (eine Aussackung des Herzens) bei Vorhofflimmern, aber auch bei Mitral - und Aortenklappenerkrankungen. Außerdem bei Herzinfarkt oder Aneurysma im Herzen (z.B. nach Infarkt), bei Herzinnenhautentzündungen oder auch nach bestimmten Katheter-Manipulationen. Sie stammen aber auch von Verkalkungen der Hauptschlagader (Aorta).

Apoplex durch eine Blutung (20 Prozent)

Etwa 15 Prozent alle Hirnblutungen treten spontan auf, wobei einer der wichtigsten Faktoren die Hypertonie ist – dabei kommt es zur Plaque-Ruptur. Blutungen gibt es natürlich auch vermehrt unter Gerinnungshemmern (Marcumar, Faktor Xa-Hemmer, direkte Thrombinhemmer!), trotz korrekter Dosierung und Anwendung.

Symptome des Apoplex

Die Verschluss – Lokalisation, also der Ort des Geschehens – bestimmt die Symptomatik der Beschwerden. Leitsymptom eines Schlaganfalls sind, wenn die Halsschlagader (A.carotis interna) betroffen ist:

  • Vorübergehende Erblindung (Amaurosis fugax)
  • Lähmungen und Gefühls (= Sensibilitäts-) störungen
  • Sprachstörungen
  • Bewusstseinsstörungen.

Ist dagegen die A. vertebralis betroffen (sie läuft in den Querfortsätzen der Halswirbelsäule ins Gehirn), kommt es häufiger zu:

  • Drehschwindel,
  • Sturzattacken ("Drop attacks"/Fallneigung zu einer Seite)
  • Augenmuskelbewegungen,
  • Erbrechen,
  • Sehstörungen und
  • Lähmungen.

Komplikationen

Schluckstörungen mit der Gefahr einer Aspirations- Lungenentzündung, Harnwegsinfektionen (z.B. durch Blasenverweilkatheter), Urin-oder Stuhlinkontinenz, epileptiforme Anfälle, Atemregulationsstörungen. Ist die Durchblutung in den Gehirnarterien höhergradig eingeschränkt (>70 Prozent) oder bedingt durch ein Gerinnsel, kann es zur TIA (transitorische ischämische Attacke), einer vorübergehenden Durchblutungsstörung (<24h) kommen – dieser kleine Schlaganfall ist nicht selten Vorbote eines "großen Schlaganfalls".

Etwa 12 Prozent aller Diabetiker leiden an Durchblutungsstörungen des Gehirns – Gefäßveränderungen an der Halsschlagader (A.carotis) oder der Schädelbasis – sind die häufigste Ursache. Leichte Durchblutungsstörungen" können so bereits früh in der Entwicklung zu Störungen im Gehirn führen, z.B. das logische Denken lässt nach, ebenso die Aufmerksamkeit und Organisationsfähigkeit.

Das Gehirn benötigt für seinen Stoffwechsel fast ausschließlich Zucker (Glukose) als Energielieferanten: Täglich etwa 115g – 15 Prozent des Herzminutenvolumens werden dazu unter Ruhebedingungen benötigt obwohl das Gehirn selbst nur etwa 2 Prozent des Gesamtkörpergewichtes ausmacht! Klinische Symptome treten auf, wenn die Gehirndurchblutung von normalerweise etwa 58ml/100g Gehirn auf unter 22ml/100g Gehirn absinkt.

Zur Erinnerung: Die Leber liefert tagsüber pro Stunde etwa 10g Glukose (in der Nacht etwas weniger) – davon sind schon mindestens 6g alleine für das Gehirn bestimmt (Zuckerneubildung und Mobilisation). Das Risiko für einen Apoplex ist bereits im Stadium der gestörten Glukose-Toleranz erhöht (Nurses Health-Study, USA)

Diagnostik des Apoplex

Die Doppler/Duplex-Farbduplex – Sonographie spielt bei der Diagnose von Plaques oder Stenosen der A.carotis bzw. der A.vertebralis die wichtigste Rolle, da sie schnell einsetzbar und beliebig wiederholbar ist ohne schädliche Strahlen oder die Belastung durch Kontrastmittel bei der Gefäßdarstellung (wichtig bei Diabetes und Nierenschaden).

So kann man auch schon Jahre vorher pathologische Wandverdickungen (=Zunahme der Intima-Media-Dicke) erkennen und die weitere Entwicklung abschätzen! Spezielle Untersuchungstechniken ( z.B. Angio-CT/ Kernspin) erlauben die Darstellung des gesamten Gehirns mit seiner Durchblutung (NMR-Magnetresonanz –bzw. Computer-Tomographie).

Hiermit lässt sich auch am besten die Unterscheidung treffen:
  • Blutung im Gehirn (z.B. nach einer Blutdruckkrise!)
  • Stenose einer Arterie (=Ischämie) durch einen Thrombus (z.B. bei Vorhofflimmern des Herzens)

Wie kann ich vorbeugen?

  • Optimale Blutzuckereinstellung
  • Gute Blutdruckeinstellung
  • Rauchen einstellen
  • Normalisierung des Fettstoffwechsels (durch Ernährung und/oder Medikamente- Fettsenker)
  • Regelmäßige Bewegung und Entspannung (z.B. Autogenes Training, QI-Gong etc., Joggen, Walken etc.)
  • Evtl. Thrombozytenaggregationshemmer, z.B. 100mg ASS oder Clopidogrel täglich.

Zusammenfassung

Der Schlaganfall ist für viele Menschen ein einschneidendes Erlebnis – manchmal sogar tödlich. Vorboten sollten insbesondere auch Menschen mit Diabetes kennen, da sie häufig weitere ursächliche Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen haben und damit Ihr Risiko steigt. Gehen Sie rechtzeitig bei entsprechenden Beschwerden zum Arzt – jede akute Durchblutungsstörung des Gehirns ist ein Notfall!

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

Man kann es auf einen einfachen Nenner bringen: "Je schlechter die Beindurchblutung, desto kürzer das Leben" (Prof. Diehm). Die arterielle Verschlusskrankheit ist eine der häufigsten Gefäßerkrankungen, wobei insbesondere männliche Raucher – und auch Diabetiker – betroffen sind. Unter pAVK verstand man bisher immer nur eine Durchblutungsstörung der Beine – nach den neuen ESC-Leitlinien zählen auch Durchblutungsstörungen der Armarterien, der extracraniellen hirnversorgenden Arterien sowie des Darmes (= Mesenterial- ) und Nierenarterien dazu.

Stadien der pAVK nach Fontaine – (symptomorientiert!)

Stadium I keine Beschwerden, bzw. uncharakteristische Missempfindungen
Stadium II Beschwerden beim Gehen von einer Strecke >200m (IIa) bzw. Schmerzen, Beschwerden schon bei einer Strecke von <200m (IIb)
Stadium III Schmerzen bereits im Ruhezustand
Stadium IV Teil des Gewebes bereits untergegangen (Nekrose)

Besonders ist auch die Bedeutung der "maskierten" pAVK zu nennen; häufig wird die pAVK aufgrund anderer Erkrankungen nicht erkannt- besonders dann, wenn keine typischen Beschwerden (Claudicatio) vorhanden sind:
  • Herzinsuffizienz
  • Cox-Gonarthrosen
  • Neuropathie.

Die pAVK gehört wie der Herzinfarkt, der Schlaganfall zur klassischen Makro-Angiopathie des Menschen mit Diabetes. Die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung liegt bei etwa 5 Prozent, die von Diabetikern bei dem 4-fachen, nämlich 20 Prozent - altersabhängig natürlich

pAVK und Diabetes

Patienten mit Diabetes haben ein etwa 30-fach erhöhtes Risiko für eine Amputation (40.000 Diabetiker von insgesamt 60 .000 Oerationen/Jahr) – wegen einer beim Diabetiker häufiger gleichzeitig vorkommenden pAVK und Neuropathie! So kann der Schmerz als Warnsymptom völlig fehlen, eine schlechte Wundheilung ist dagegen oft ein wichtiger Hinweis darauf. Dies erschwert auch oft eine Antibiose-Therapie, da die Antibiotika wegen der Durchblutungsstörungen meist nicht in ausreichender Dosis am Infektionsort ankommen!

Was ist typisch?

Für den Diabetiker typisch sind langstreckige Verschlüsse der Arterien unterhalb des Kniegelenkes (Studie Graziani et al. – 74 Prozent unterhalb des Kniegelenkes) – in 25 Prozent der Fälle findet man Stenosen. Es gibt Untersuchungen nach denen gerade bei Diabetikern die sonst so wichtigen Umgehungskreisläufe (Kollateralen) schlechter ausgebildet sind (Th.Werner). Die zahlreichen Begleiterkrankungen, die häufig zusätzlich vorhanden sind, erhöhen oft dramatisch die Mortalität (Niereninsuffizienz, Hypertonie etc.) Neuere Untersuchungstechniken (NMR) mit weniger Kontrastmittel statt herkömmlicher Angiographie, senken dieses Risiko deutlich!

Die pAVK ist unterdiagnostiziert und bezüglich ihrer hohen Sterblichkeit unterschätzt!

Rechtzeitige Diagnose

Durch einfache, überall durchführbare Tests könnte die pAVK rechtzeitig erkannt und dann auch adäquat behandelt werden. Eine rechtzeitige Diagnose eröffnet darüber hinaus auch die Chance, andere betroffene Gefäßgebiete (z.B. A.carotis, Koronararterien) rechtzeitig bezüglich Stenosen zu erkennen.

Beim Hausarzt bzw. beim Gefäßspezialisten werden als Basisdiagnostik zunächst zwei wichtige Untersuchungen durchgeführt:
  • Die Messung des Blutdrucks über den Knöchelgefäßen an den Füßen und vergleichend an den Armgefäßen (ABI= Ankle Brachial Index) in Ruhe
  • Die Untersuchung der Durchblutung unter Belastung z.B. auf einem Laufband mit Bestimmung der sogenannten "schmerzfreien Gehstrecke".

Als wichtigste Methode – ohne Katheter und Kontrastmittel – erfolgt nach der körperlichen Untersuchung eine Farb-Duplex-Sonographie mittels derer die betroffenen Blutgefäße angesehen, die Blutströmung gemessen bzw. eine Stenose quantifiziert werden kann. Diese Befunde stimmen nahezu perfekt mit Befunden überein, die mittels eines Katheters und Röntgen erhoben werden. Gerade bei Menschen mit Diabetes und einer Niereninsuffizienz sind Ultraschalltechniken zunächst zu bevorzugen! (→ Nierenschaden durch das Kontrastmittel!)

Mögliche Therapieverfahren

Wie kann eine mögliche Stenose wieder behoben werden?! Muss immer operiert werden?!

  • Lyse-Therapie: Die Stenose kann über einen Katheter ein Medikament z.B. Alteplase eingebracht und so versucht werden z.B. ein Thrombus aufzulösen.
  • PTA (=perkutane transluminare Angioplastie): Durch Einbringen eines Ballons über einen Katheter - meist über die Leistenarterie - kann die lokale Stenose aufgedehnt werden.
  • Stent mit PTA: Nach der Ballonaufweitung des Gefäßes erfolgt nicht selten das zusätzliche Einbringen eines Stent, um das Gefäß an dieser Stelle zu stabilisieren und offen zu halten.
  • TEA (=Thrombendarteriektomie): Darunter versteht man das Ausschälen von größeren und ausgeprägten Wandverkalkungen bzw. auch Gerinnseln mit evtl. dem Aufnähen eines Art "Flickens"(=patch-plastik) durch den Gefäßchirurgen, um den Defekt zu schließen!
  • Gefäß-Bypass: Umgehen eines engen bzw. verschlossenen Gefäßabschnittes durch ein Stück eigene Vene (z.B. aus dem Oberschenkel, bzw. Unterschenkel) bzw. Kunststoff (PTFE- Bypass) als Bypass (z.B. Y-Prothese im Becken).

Welches Verfahren im Einzelfall angewendet wird, hängt ganz vom lokalen Befund (Ausdehnung, kompletter Verschluss) und von der Dringlichkeit ab: Ist das Bein akut gefährdet oder kann durch Gehtraining ggf. durch Medikamente evtl. noch etwas erreicht werden?

Konservative Maßnahmen – Was ist gesichert?!

Konservative Maßnahmen sind präventiv und auch begleitend nach invasiven Eingriffen immer sinnvoll bzw. erforderlich:
  • Regelmäßiges Gehtraining (=Gefäßsport) kann die Gehstrecke eines Menschen trotz Stenose deutlich verlängern (auch eine Gewichtsreduktion). Es fördert die Entstehung z.B. von Kollateralen, d.h. von Umgehungskreisläufen über kleinere Arterienäste. Diese können manchmal sogar ein Hauptgefäß komplett ersetzen – längeres Training vorausgesetzt!
  • Vernünftige Ernährung = kalorienreduzierte Ernährung mit mehr einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, weniger Kohlenhydraten (z.B. Soft-Drinks, Soßen), viel Gemüse und etwas Obst
  • Einstellen des Rauchens!
  • Medikamentöse Senkung des LDL-Cholesterin (z.B. CSE-Hemmer =Fettsenker, Antikörper, Lipid-Apharese), evtl. mäßiger Reduktion des Blutdrucks
  • Evtl. Umstellung der Medikamente bei Diabetes: z.B. weniger gewichtsfördernde Medikamente z.B. Sulfonylharnstoffe, Insulin, evtl. auf Darmhormon-basierte Medikamente z.B. GLP-1 Analoga, DPP-4-Hemmer oder SGLT-2-Hemmer und Metformin umstellen.
  • Thromboztenaggregationshemmer, z.B. ASS, Clopidogrel, Faktor Xa-Hemmer! [Compass-Studie] etc.

Fazit

Rauchen ist nach wie vor der wichtigste Risikofaktor für die pAVK – die Menge des Rauchens korreliert direkt mit dem Schweregrad der pAVK, der erhöhten Amputationsrate und der Sterblichkeit! (Diehm, N und C Kardiovasc 2012/6). Ein "Nikotin-Stopp" ist für einen Raucher mit pAVK unabdingbar! Starke Raucher sollten jede erdenkliche Hilfe in Anspruch nehmen, um es zu schaffen (z.B. Nikotinersatz, Nikotinpflaster, Nicht-Raucherprogramme mit psychologischer Unterstützung, Akupunktur o.a.).

Da der Diabetes auch ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung und das Fortschreiten der pAVK darstellt, ist auch eine gute Blutzucker-Einstellung mit einem Ziel-HbA1c-Wert um etwa 7 Prozent erstrebenswert. Dem Einsatz von Thrombozytenaggregations-Hemmern (und evtl. Gerinnungshemmern) kommt ebenfalls eine wichtige Bedeutung zu.

Ein tägliches Gehtraining (ca.1 Stunde) in Intervallen von 5-15 Minuten, ist als Basis sehr zu empfehlen – er fördert neben der peripheren Durchblutung zusätzlich die Herz-Kreislauf-Fitness und hilft so evtl. auch G
Zewicht zu reduzieren. Da die pAVK eine "Markererkrankung" für manchmal noch schwerwiegendere Folgeschäden wie eine KHK (→ Herzinfarkt), darstellt, sollte bei entsprechender Veranlagung (Prädisposition) dringend nach ihr gefahndet werden.

Diabetes und Herzinsuffizienz

Nach neueren Daten ist die Herzinsuffizienz eine der häufigsten Begleiterkrankungen bei Diabetes und : Auch ohne Diabetes führt sie innerhalb von 3 Jahren schon bei der Hälfte der Betroffenen zum Tode – bei 80 Prozent der über 65Jährigen Diabetiker!

Der über Jahre langsame Umbau der Herzstruktur bei Diabetes mit dem zunehmenden Missverhältnis zwischen Energiebedarf und seinem Verbrauch scheint ursächlich für die Entwicklung einer KHK. Heute steht ´nicht mehr primär die Perfusion des Myokards im Fokus, sondern die Herzinsuffizienz und auch das Vorhofflimmern (Risiko Schlaganfall/Embolie!)

Wenn die Herzleistung gemessen an der linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF normal >60 Prozent) unter 35 Prozent fällt, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod – bei Menschen mit Diabetes sogar bei normaler EF! Auch Vorhofflimmern kommt bei Diabetikern deutlich häufiger vor. Die Herzinsuffizienz hat sowohl beim Typ 2 Diabetiker als auch beim Typ 1 Diabetiker eine ungünstige Prognose – Typ 1 Diabetiker mit Niereninsuffizienz besonders. Die schlechte Prognose korreliert dann mit zunehmend erhöhtem HbA1c.

Was ist eine Herzinsuffizienz?

Wir unterscheiden zwischen einer systolischen Herzinsuffizienz mit einer Verminderung der Auswurfleistung (=verminderte EF<60 Prozent) und einer diastolischen Herzinsuffizienz, einer reduzierten Entspannungsfähigkeit des Herzens (= Compliance – Störung des linken Ventrikels) was zu einer unzureichenden Füllung des linken Ventrikels führt.

Menschen mit einer systolischen Herzinsuffizienz haben als Ursache zu 2/3 eine koronare Herzerkrankung. Patienten mit einer diastolischen Füllungsstörung können eine noch normale systolische Pumpfunktion haben – also eine Herzschwäche trotz normaler systolischer Aktivität des linken Ventrikels.

Meist haben diese Patienten noch zusätzlich eine:
  • Hypertonie
  • Linksventrikuläre Hypertrophie.

Wenn der Diabetes noch dazu kommt, wird es gefährlich! 20-30 Prozent sind auf andere Erkrankungen (z.B. Drogen, Alkohol, Herzklappenerkrankungen) zurückzuführen

Wie zeigt sich eine chronische Herzinsuffizienz?

  • Schleichend zunehmende Atemnot bei Belastung
  • Zunehmende Abnahme der Leistungsfähigkeit, z.B. Treppensteigen, an einer Anhöhe, beim schnellen laufen (NYHA-Stadien!)
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit
  • Schwellung im Bereich der Fußknöchel und/oder Unterschenkel (Strümpfe schnüren ein!)
  • Tachykardie = schneller Herzschlag

Die NYHA-Stadien (Stadien der Herzschwäche) geben den klinischen Verlauf wieder:

NYHA-Stadien

Stadium I Herzschwäche ohne körperliche Einschränkung
Stadium II Herzschwäche mit leichter Einschränkung der Leistungsfähigkeit bei Belastung
Stadium III Herzschwäche mit höhergradiger Einschränkung der Leistungsfähigkeit bei normaler Tätigkeit, keine Beschwerden in Ruhe
Stadium IV Herzschwäche mit Beschwerden schon bei geringster Belastung und in Ruhe, Bettlägerigkeit

Wie stellt man die Herzinsuffizienz fest?

  1. 1. Anamnese (Atemnot, Ödeme, zunehmende Schwäche etc.)
  2. 2. Biomarker: NT-pro BNP = wichtigster Faktor!

    • a. Ist der Wert normal, liegt keine Herzschwäche vor.
    • b. Bei einem Wert von >125pg/ml: Abklärung erforderlich beim Kardiologen.
    • c. Unter einer erfolgreichen Behandlung geht ein hoher Wert langsam wieder zurück!
  3. 3. Echokardiographie!4. EKG (Rhythmus?!)5. Röntgen Thorax (Stauung?)6. Ggf. Herzkatheter-Untersuchung

Da bei einer Herzinsuffizienz der gesamte Körper leidet, sollten Begleiterkrankungen/Folgeerkrankungen unbedingt ausgeschlossen werden, z.B. Nieren-oder Lungenerkrankungen, Eisenmangel, Atemstörungen, psychische Probleme (Depression)!

Therapie der Herzinsuffizienz

Neuere große Interventionsstudien mit oralen Antidiabetika (z.B. DPP-4-Hemmer, SGLT 2 Hemmer) haben bezüglich der Herzinsuffizienz eine deutliche Verbesserung gezeigt. Sie werden wahrscheinlich demnächst schon primär auch bei Nicht-Diabetikern mit Herzinsuffizienz neben den bisherigen Medikamenten eingesetzt werden.

Die beste Strategie ist:

  • Die Behandlung der Grundkrankheiten:
  • KHK
  • Diabetes
  • Bluthochdruck
  • Herzklappenerkrankungen etc.

Bisherige medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz (Auswahl):
  • Betablocker
  • ACE-Hemmer/Sartane
  • MRAs (Mineralo-kortikoidrezeptorantagonisten)
  • Angiotensin-Rezeptor- Neprisylin-Inhibitor (Arni)
  • Diuretika
  • Ivabradin
  • Glykoside (syst. Herzinsuffizienz/Vorhofflimmern)

Bei allen Medikamenten sollten die Kontraindikationen unbedingt beachtet werden und der Kaliumspiegel egelmäßig überprüft werden.

Zusammenfassung

Menschen mit Diabetes sind Hoch-Risiko-Patienten bezüglich Herz-Gefäß-Erkrankungen: Die möglichst normnahe Blutzuckereinstellung ist zwar wichtig – und zwar von Anfang an- aber der rechtzeitigen Beachtung von erhöhten Lipiden, eines erhöhten Blutdrucks, evtl. einer familiären Belastung und der ggf. rechtzeitigen Änderung seines Lebensstils kommt neben der medikamentösen Therapie die größte Bedeutung zu. Die immer wieder geforderte Zusammenarbeit von Fachleuten verschiedener Disziplinen – insbesondere in der Akutphase im Krankenhaus lässt noch zu wünschen übrig.

Trotz aller technischer Fortschritte in der Therapie der Folgeschäden – die stetige Anpassung der "Diabetes-Therapie" bezüglich der Zuckerwerte bleibt unabdingbare Voraussetzung für eine Vermeidung bzw. Reduzierung von schwerwiegenden Gefäßschäden und auch Akut-Komplikationen.


von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/ Sozialmedizin,
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg,
Chefarzt Deegenbergklinik,
Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen,
E-Mail: schmeisl@deegenberg.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2020; 32 (6) Seite 28-33