Eigentlich ist es nichts Besonderes, wenn man sich in den Finger schneidet und es blutet. Was aber, wenn es nicht aufhören will zu bluten? Dann stimmt etwas mit der Gerinnung nicht. Dr. Gerhard-W. Schmeisl weiß Rat.
In der menschlichen Evolution hat sich ein wunderbar effektives Zusammenspiel von Immunsystem und Blutgerinnung ergeben – dieses erst ermöglicht physiologischerweise die Homöostase im Bereich der Wundheilung. Üblicherweise kommt es bei der Aktivierung unseres Immunsystems unter Beteiligung verschiedener genau aufeinander abgestimmter Signalwege (Kaskaden) und über eine Aktivierung von humoralen und zellulären Elementen einschließlich des Gefäßendothels, der Thrombozyten und unseres Komplementsystems auch zu einer Blutgerinnungsaktivierung, die vorübergehend sogar überschießend sein kann. Eine gleichzeitige Ingangsetzung, auch der Fibrinolyse kann dies meist verhindern. Diese Immunabwehr-Situation wird schließlich durch Wiederherstellung der Homöostase abgeschlossen. Erfolgt dieses krankhafterweise nicht und es herrscht weiterhin eine Art anhaltende Inflammation, kann diese Reaktion auch pathologischerweise fortschreiten bis hin zu einer Verbrauchskoagulopathie und /oder Gefäßverschlüssen im Rahmen einer Sepsis (z.B. bei einer Autoimmunreaktion/-Erkrankung).
Diese Zusammenhänge wurden im Zusammenhang mit der noch nicht lange zurückliegenden Covid-19-Epidemie deutlich – viele Menschen sind infolge von Thrombo-Embolien gestorben!.
In diesem Zusammenhang wurde auch immer mehr der Begriff "Thromboinflammation" verwendet. Man erkannte die Covid-19- Erkrankung als systemische Entzündungserkrankung, die zu einer überschießenden -und Fehlregulation unseres Immunsystems führte mit der Folge einer Hyperkoagulopathie und dem Auftreten zahlreicher Thromben in unserem Körper. Eine massive Zerstörung des Gefäßendothels in bestimmten Organregionen durch die Entzündung selbst und die folgende Immunabwehr mit Hypofibrinolyse kamen hinzu. Die Folge waren Thromboembolien bedingt durch die Hyperkoagulobilität und Hypofibrinolyse und der Ausschüttung von Zytokinen. Infolge der massiven Immunaktivierung entstanden sowohl Mikro -als auch Makrovaskulärere Thrombosen!
Neben entzündlichen Erkrankungen vor allem Virusinfektionen – gehäuft in den Kalten Jahreszeiten – spielen immer wieder auch thromboembolische Ereignisse mit dem zunehmenden Alter unserer Bevölkerung eine Rolle. Mit zunehmendem Alter wird es auch wahrscheinlicher wegen einer Erkrankung plötzlich nicht mehr mobil zu sein – sogar bettlägerig zu werden. Wochenlanges Liegen steigert das Risiko für Thromboembolien. Das Risiko für eine Thrombose hängt dabei von weiteren Parametern ab, die aber nicht alle gleichzeitig vorhanden sein müssen. Angeborene Fehler der Blutgerinnung, aber auch Übergewicht bzw. die Adipositas, Vorerkrankungen wie Diabetes, Asthma, Herzerkrankungen können die Ursache sein.
Aufgrund der Bedeutung der Thrombosen bzw. Thromboembolie, insbesondere auch für Menschen mit Diabetes und oder Adipositas in besonderen Situationen, sollen im Folgenden die Blutgerinnung bzw. die Zusammenhänge, die zu einer Thrombose führen können, besprochen werden!
Die Blutgerinnung
Historisches – Die Entdeckung des Marcumar – ein Meilenstein
In den 30iger Jahren starben in den USA nach dem Fressen von feuchtem Heu zahlreiche Rinder ohne dass man sich dies erklären konnte ("Süßklee-Krankheit"). Seit 1936 kennt man die "Ursache des Rindersterbens": Der in feuchtem Heu entstandene süßlich riechende und bitter schmeckende Stoff war ein blutgerinnungshemmender Stoff, der zur Verblutung der Rinder führte (Vitamin-K-Antagonist /Cumarinderivate)).
- 1949 wurde die Substanz Warfarin in den USA als "Rattengift" patentiert (können Sie auch heute noch zur Mäuse-/Rattenbekämpfung kaufen- führt zum Verbluten der Tiere).
- 1955 ist der damalige amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower nach einem schweren Herzinfarkt damit behandelt worden (Coumadin®).
In Deutschland ist das Medikament als Phenprocoumon (Marcumar®, Falithrom®) immer noch im Handel – eines der bis heute segenreichsten Medikamente, aber mit möglichen schweren Nebenwirkungen →Blutung).
Grundschema der Blutgerinnung
Erstmalig wurde 1915 von Morawitz das Grundschema der Blutgerinnung beschrieben. Dieses legte den Grundstein für das Verständnis der plasmatischen Gerinnung; jetzt konnten Prozesse wie die Fibrinolyse, die Aktivation und die Inhibition der Blutgerinnung beschrieben und die Zusammenhänge verstanden werden. Auch aktuell gibt es immer wieder neue Erkenntnisse, die neue Therapiemöglichkeiten, auch bei speziellen Krankheitsbildern eröffnen. Die aktuellen Blut-Gerinnungshemmer wie z.B. die direkten Faktor Xa-Hemmer und die direkten Thrombinhemmer stellen die höchste, aktuellste Stufe der medikamentösen Therapie einer Gerinnungshemmung dar (s. später). Musste Marcumar noch gewichtsadaptiert gegeben werden – aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite auch nicht sehr gezielt – so ist dies bei den neueren Medikamenten nicht mehr nötig – außerdem wirken sie gezielter!
Blutung und Blutgerinnung/Thrombose – ein sehr empfindliches Gleichgewicht
Blutungen begleiten uns im Alltag. Da sie aber in der Regel nach wenigen Minuten wieder aufhören, machen wir uns üblicherweise keine großen Gedanken darüber, was da eigentlich geschieht. Es sei denn, die Blutung lässt sich nicht stillen.
Primäre Hämostase: Darunter versteht man die vorläufige rasche Blutstillung innerhalb weniger Minuten (ca. 1-3 Minuten) durch Vasokonstriktion der glatten Muskulatur der am Verletzungsort vorhandenen Blutgefäße unter Bildung eines so genannten weißen Thrombus/Gerinnsels, der die Blutungsstelle zunächst einmal bedeckt und so abdichtet. Zur Vasokonstriktion der Blutgefäße an der Verletzungsstelle kommt es durch ein Zusammenziehen der glatten Muskeln der Gefäße und der Aktivierung bestimmter Nerven durch die Verletzung selbst– zusätzlich werden bestimmte Mediatoren wie Serotonin, Katecholamine, Plättchenfaktoren etc. aus dem Gewebe (Endothel) und aus den Blutplättchen freigesetzt. Die Thrombozyten spielen, obgleich sie die kleinsten Zellen des Blutes sind, eine entscheidende Rolle bei der primären Hämostase. Im strömenden Blut sind sie an den Endothelwänden – also am Rand der Blutströmung – konzentriert und können so rasch bei lokalen Endothel - Verletzungen reagieren bzw. mit einbezogen werden.
Im Falle einer Verletzung kommt es zu einem Anheften der Thrombozyten an die Gefäßwand. Dies wird vermittelt durch den von-Willebrand-Faktor (vW-Faktor) – dieser bindet sich einerseits an das verletzte Endothel (Kollagen!) und andererseits an sogenannte Adhäsionsmoleküle auf den Thrombozyten (z.B. GP Ib/IX; GP Ia/IIa). Weitere Blutplättchen binden sich dann mittels GP IIb/IIIa über Fibrinogen an schon festhaftende Thrombozyten und aneinander (Aggregation). Dadurch wird im Inneren der Thrombozyten das freie Kalzium erhöht, das die Adhäsion, Aggregation und Degranulation von Mediatoren aus den Granula der Thrombozyten zusätzlich steigert.
Größere zusammenhängende Blutplättchenaggregate entstehen hauptsächlich über die zunächst reversible Bindung des GP Rezeptors IIb/IIIa – über Fibrinogen zu anderen Thrombozyten und deren Rezeptor.
Sekundäre Hämostase: Zu ihr kommt es während der nächsten 6-10 Minuten nach Beginn einer Blutung mit der Aktivierung von Pro-Faktoren der Blutgerinnung, die im Blutplasma in inaktiver Form vorliegen. Durch deren Aktivierung kommt es so schließlich zur Ausbildung eines endgültigen, stabilen Verschlusses der Wunde – durch einen sogenannten "gemischten Thrombus". Er besteht aus einem Fibringerüst und den darin eingeschlossenen Blutzellen (Thrombozyten, Erythrozyten und Granulozyten). Danach wird der Defekt schließlich wieder "fest" verschlossen (Epithel, Bindegewebe etc.) und der Thrombus schließlich wieder aufgelöst (=Fibrinolyse). Nachdem durch die primäre Hämostase nur ein vorläufiger Verschluss einer Wunde (innen oder von außen) durch einen Thrombozyten-Pfropf erreicht wurde, muss diese schließlich dauerhaft verschlossen werden. Geschähe dies nicht, wären Nachblutungen bzw. erneute Blutungen die Folge. Dies nennt man sekundäre Hämostase bzw. "endgültige Blutstillung".
Zahlreiche Gerinnungsfaktoren, die im Plasma als inaktive Vorstufen vorliegen, aktivieren sich gegenseitig durch enzymatische Spaltung oder sind Ko-Faktoren bei diesen Reaktionen. "Aktiv" werden sie durch Abspaltung von Proteinen (=Peptiden) in Anwesenheit von Ca-Ionen. Die Komplexe, die sich dabei bilden, lagern sich an verletzten und damit offen zugänglichen Endothelanteilen (z.B. Kollagen) an, auch an interstitiellen Geweben, an Zellmembranen von Thrombozyten und verschiedener Gewebe.
Merke: Endprodukt der Blutgerinnung ist ein Netzwerk aus Fibrin, das dem gebildeten Thrombus seine Festigkeit verleiht.
Die einzelnen Gerinnungsfaktoren werden mit römischen Ziffern bezeichnet (I – XIII), wobei ein nachgestelltes kleines "a" für den aktivierten Gerinnungsfaktor (z.B. IIa) steht!
Ablauf der Blutgerinnung – Start und Verlauf
Ein entscheidender Faktor ist der Tissue Faktor (TF =Gewebefaktor) der als ein Eiweiß normaler Bestandteil von Zellmembranen, die üblicherweise keinen Kontakt mit dem strömenden Blut haben (z.B. in der Adventitia der Blutgefäße). Nach seiner Aktivierung kann dieser auch von Endothelzellen, Monozyten und Thrombozyten abgegeben werden. Über die Aktivierung von Faktor VII in Anwesenheit von Kalzium startet jetzt die Gerinnungskaskade (=Exogenes/Extrinsic-System). Über den aktivierten Faktor X (=Xa) kommt es schließlich zur Bildung von Thrombin. Durch einen positiven Rückkopplungsmechanismus mit anderen Gerinnungsfaktoren (VIII, V, XI und IX) kommt es zur weiteren und anhaltenden Thrombinbildung was schließlich zu einem stabilen Gerinnsel führt.
Die abschließende Bildung eines "roten Thrombus"
Am Ende des extrinsic und auch des intrinsic Weges steht das Thrombin – dieses Thrombin spaltet schließlich das langkettige Fibrinogen in die Peptide A und B. Diese löslichen Fibrin-Monomere polymerisieren schließlich zu Fibrin und bilden so faserige Strukturen, die das Plasma quasi "gelieren" lassen, unter Einverleibung von Gewebeanteilen in der unmittelbaren Umgebung. Durch den Faktor XIII werden diese Strukturen schließlich verfestigt und stabilisiert (= Fibrinstabilisierender Faktor). Thrombasthenin aus den Blutplättchen selbst bewirkt schließlich ein Zusammenziehen der Wundränder – die Wunde ist fest verschlossen!
Merke: Ein weißer Thrombus entsteht bei einer sehr langsamen Gerinnung, wenn die roten Blutzellen (Erythrozyten) quasi vorher "absacken".
- Faktor -V- Leiden Mutation
- Lupus Antikoagulans (verlängerte aPTT)
- Antiphospholipid-Syndrom (APS)
- Adipositas
- Zunehmendes bzw. höheres Alter (über 75 Jahre )
- Rezidivierende Thrombosen/ Embolien in der Anamnese
- ausgeprägte tiefe Varizen, selten ausgeprägte oberflächliche Thrombophlebitis
- Langes Liegen – Immobilität
- Herzinsuffizienz
- Vorhofflimmern in der Anamnese
- Apoplex
- Tumoranamnese
- Schwangerschaft
Produktionsorte der Gerinnungsfaktoren
Die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X, aber auch Protein C und S werden in der Leber hergestellt und sind von Vitamin K als Ko-Faktor abhängig (für die γ-Carboxylierung). Wenn diese Vitamin-K-abhängigen Faktoren nicht gebildet werden können oder in zu geringer Konzentration besteht eine erhöhte Blutungsneigung. Ursache dafür können sein:
- Schwere Lebererkrankungen
- Parenterale Ernährung - /Mangelernährung
- Eine Fettresorptionsstörung (Vit. K = fettlöslich)
- Der Einsatz von Vitamin-K-hemmenden Substanzen, z.B. Marcumar®, Farlithrom®, Coumadin®
Wenn einzelne Gerinnungsfaktoren fehlen, kann dies ebenfalls zu einer gesteigerten Blutungsneigung führen. Dies haben wir z.B. bei den Blutern – ein Faktor VIII (A) oder Faktor IX (B) Mangel führen zur Hämophilie A oder B. Ein Faktor XI-Mangel kann ebenfalls das Blutungsrisiko steigern.
Thrombolyse
In dem Moment in dem ein Gerinnsel (=Thrombus) entsteht, startet auch schon gleichzeitig ein System, das eine überschüssige Reaktion verhindert. So werden Aktivatoren und Proaktivatoren aus den Endothelzellen – der wichtigste ist das tPA (=tissue Plasminogen-Aktivator) und die Pro-Urokinase freigesetzt.
Pro-Urokinase wird durch Kontaktaktivierung bei der Gerinnung zu aktiver Urokinase umgewandelt. Diese fördern die Umwandlung von inaktivem Plasminogen in Plasmin, welches vom Fibrinogen Stücke abspaltet, so genannte Fibrinspalt-Produkte welche laborchemisch im Rahmen der Lyse (auch bei der Therapie!) nachgewiesen werden können. Damit auch die Fibrinolyse nicht überschießend reagiert, wird diese gleichzeitig auch gehemmt (z.B. durch PAI 1 (=Plasminogen activator inhibitor), C1 Inhibitor).
Wo findet man die Thrombosen am häufigsten?
Die meisten Thrombosen entstehen in den tiefen Beinvenen (auch in Varizen). Dabei kommt es zu einer Thrombose, wenn einseitig das komplizierte Zusammenspiel von drei wichtigen Faktoren nicht mehr stimmt (Virchow-Trias):
- Verlangsamter Blutfluss
- Beeinträchtigung der Blutgefäßwand-Funktion (Endothelschädigung) und /oder
- Gesteigerte Blutgerinnungsneigung durch Veränderung der Blutzusammensetzung
Diagnose einer Thrombose
Klinischer Befund
- Schmerzen Im betroffenen Gebiet
- Spannungsgefühl im betroffenen Teil des Beines z.B. Unterschenkel
- Verstärkte Venenzeichnung der Haut.
- Schwellung des entsprechenden Beines (Umfangzunahme - täglich messen!)
Leider gibt es immer wieder auch Menschen, bei denen keine klinischen Zeichen der Thrombose vorliegen, die dann aber meist später nach Auftreten einer Komplikation (z.B. Luftnot oder Husten als Hinweis auf eine mögliche Lungenembolie!!) nachgewiesen werden kann.
Die Protein-C-Resistenz (aPC-Resistenz) ist der häufigste angeborene Risikofaktor für eine Thrombophilie – dabei findet der Abbau von Faktor Va durch aktiviertes Protein C nicht statt (etwa 5% der Menschen/Europa). In etwa 95% ist diese Resistenz durch eine Mutation am Faktor V verursacht – genannt: Faktor V-Leiden-Mutation – nach der niederländischen Stadt Leiden. Diese verhindert die Bindung an aPC!
Welche Laboruntersuchungen sind sinnvoll?
Die verschiedenen Aktivierungsschritte der Blutgerinnung laufen im Labor in vitro bei der Untersuchung über 2 alternative Kaskaden ab.
Der endogene Weg (Intrinsic-System= langsam ablaufende Gerinnung) beginnt über den Faktor XII und Kontakt mit fremden Oberflächen im Komplex (z.B. endogen an kollagenen Fasern des Endothels!) – und führt über Faktor XI, IX und Faktor VIII schließlich zu Faktor X, wo sich der endogene und der exogene Weg wieder treffen.
Merke: Der endogene Weg und auch der gemeinsame Weg können mittels der aktivierten partiellen Thrombinzeit (aPTT) im Labor überprüft werden!
Der Exogene Weg (Extrinsic-System =schnell ablaufende Gerinnung) verläuft nur über einen Aktivierungsschritt: Gewebethromboplastin (TF=Tissuefaktor, Faktor III) bindet bei Gewebeverletzungen den aktivierten Faktor VIIa und aktiviert so schließlich den Faktor X, wo sich endogener und exogener Weg wieder treffen. Der Tissue-Faktor ist der einzige transmembranöse Gerinnungsfaktor, der nur in geringen Mengen im Blut zirkuliert. Die Überprüfung des exogenen Weges und des gemeinsamen Weges erfolgt über den Quick-Test (=Prothrombinzeit, Thromboplastinzeit) – sie sind gleichwertige Tests.
Über die Aktivierung von Faktor X münden beide Wege in eine gemeinsame Endstrecke der Blutgerinnung.
Gerinnungstests
Die Gerinnung kann mittels einiger spezieller Tests im Labor überprüft werden:
1. Quick-Test (=Thromboplastinzeit/Prothrombinzeit): Der exogene (Aktivierung von Faktor III durch Tissue-faktor) und gemeinsame Weg der Blutgerinnung können so getestet werden. Der Normwert liegt bei 11-15sec, das entspricht einem Quickwert von 70-125%.
2. INR (=international normalized ratio).Diese liegt normalerweise bei 0,5-1,15. Der Vergleich erfolgt mit einem Normalplasma (international sensitivity index) [INR = Thromboplastinzeit des Patienten geteilt durch Thromboplastinzeit einer Kontrolle]. Der Quicktest zur Beurteilung der Effektivität bei der Behandlung mit Cumarinen zur Antikoagulation ist von der eingesetzten Thromboplastincharge abhängig – deshalb sollte die Thromboplastinzeit besser als INR angegeben werden.
3. aPPT (= aktivierte partielle Thromboplastinzeit).
Sie liegt normalerweise bei 25-38sec. und dient der Überprüfung des endogenen Weges (z.B. auch bei Hämophilie A und B, Faktor XII, XI, IX und VIII). Sie reagiert besonders empfindlich auf eine Heparin-Therapie.
4. Thrombinzeit: Sie liegt normalerweise bei 16-20 sec. und bewertet speziell die Zeit der Bildung von Fibrin aus Fibrinogen. Sie dient als Suchtest bei Gerinnungsstörungen, der Therapieüberwachung mit infraktionierten Heparinen und erfasst auch die Fibrinolyse.
Thromboseprophylaxe heute
Die Thromboseprophylaxe ist, wie die aktuelle Corona Pandemie zeigt, besonders auch bei Menschen mit Diabetes und/oder Adipositas extrem wichtig. Die Anfänge dazu reichen zurück bis in das Jahr 1884, als man die Substanz Hirudin im Kopf von Blutegeln nachweisen und schließlich zur Thrombose - Verhinderung als Medikament einsetzen konnte.
Seit 1915 gibt es die Heparine zur subkutanen Injektion, seit 1922 die Kumarine, einen Vorläufer des Marcumar®.
Die neueren gerinnungshemmenden Medikamente konnten erst, wie schon erwähnt, entwickelt werden, nachdem 1915 durch Morawitz das Grundschema der Blutgerinnung beschrieben wurde. Die allerneuesten Gerinnungshemmer wie z.B. die direkten Faktor Xa-Hemmer, sowie die direkten Thrombinhemmer stellen die aktuell am Weitesten entwickelte Möglichkeit der Blutgerinnungshemmung dar.
Studien Jahre zuvor hatten gezeigt, dass 1 Molekül Faktor Xa in der Lage ist, 1000 Thrombin-Moleküle zu generieren. Durch die Hemmung von Faktor Xa ist daher die Thrombinbildung schon in einem sehr frühen Stadium sehr gut zu unterbinden.
Bisher wurden Patienten im Krankenhaus meist mit niedermolekularen Heparinen o.ä. s.c. behandelt und später auf Tabletten umgestellt. In vielen Fällen erfolgt heute direkt oder einige Stunden nach z.B. einer Operation bereits eine Umstellung auf die neueren Nicht-Vitamin-K-abhängigen Gerinnungshemmer (NOAK).
Eine Hemmung der Blutgerinnung wird schon Jahrzehnte durch die Hemmung der in der Leber gebildeten Blutgerinnungsfaktoren z.B. II, VII, IX und X, die Vitamin- K-abhängig sind (z.B. durch Marcumar®!) durchgeführt. Die nicht Vitamin-K-abhängigen Blutgerinnungshemmer (NOAK) hemmen dagegen entweder gezielt den Faktor Xa (Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban)oder das für die Blutgerinnung ebenfalls erforderliche Thrombin (Faktor II- Hemmer/Dabigatran) direkt – also gezielt jeweils nur einen Gerinnungsfaktor.
Antidots gibt es für alle Gerinnungshemmer
Als Antidot z.B. bei einer Blutung unter einer Marcumar-Therapie gilt das Vitamin K. Von den neueren Nicht-Vit.-K-abhängigen Blutgerinnungshemmern gibt es mittlerweile sowohl ein Antidot gegen den direkten Thrombinhemmer Dabigatran (= Idarucizumab/Praxbind®) als neuerdings auch gegen die Faktor Xa-Hemmer Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®) (Andexanet alpha, Ondexxya®200 Pulver). Diese Substanzen sind in großen Kliniken mit Intensivstation in der Regel vorhanden – sie werden aber wegen möglicher Nebenwirkungen (z.B. überschießender Gegenregulation) nur gezielt eingesetzt. Eine Blutung unter diesen Substanzen wird in der Regel primär durch Blutkonserven und auch "Frischplasma" (PPSB) behandelt.
Ein Vorteil der NOAK - Blutgerinnungshemmer (=Nicht-Vitamin-K-Abhängige oralen Antikoagulantien) ist, dass sie weitgehend unabhängig vom Gewicht eines Patienten sind. Es ist unerheblich ob der Patient 60 kg oder 140 kg wiegt, die Dosis ist dieselbe. Eine Anpassung der Dosierung erfolgt lediglich z.B. bei Niereninsuffizienz/schwerer Lebererkrankung. Ein weiterer Vorteil ist, dass keine speziellen Tests wie bei der Marcumar-Therapie (INR, Quick= Thromboplastinzeit) zur Steuerung der Therapie durchgeführt werden müssen. Nach wie vor aber ist nach Implantation z.B. einer mechanischen Herzklappe nur eine Dauertherapie mit Vitamin-K-Antagonisten z.B. mit Cumarinen, wie Marcumar® zugelassen – die neueren nicht Vitamin-K-abhängigen Antikoagulantien sind sogar kontraindiziert.
Zusammenfassung
In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 40 000 Menschen an einer Thromboembolie ausgehend vom Venensystem (Prof. Radke, Neustadt in Holstein, MMW 6/3). Die Prophylaxe besteht zunächst darin, das Risiko für bestimmte Menschengruppen zu quantifizieren – niedrig, mittel oder hoch! Gerade vor, während und nach Operationen – besonders bei älteren Menschen – sollte eine Thromboseprophylaxe durchgeführt werden (z.B. Frühmobilisation, Thromboseprophylaxe-Strümpfe, medikamentös). Aber auch im Zusammenhang mit schweren Infektionen, hohem Fieber und Immobilität (z.B. Covid-Infekten, Lungenentzündungen etc.). Auch die Behandlung selbst ist durch die Erfahrungen aus der letzten Covid-19-Pandemie besser geworden (z.B. im Bezug auf die Medikamente und die Beatmungsmöglichkeiten).
Patienten mit Tumorerkrankungen müssen besonders intensiv und oft auch länger (z.B. nach einem Krankenhausaufenthalt (≥ 6Wochen) behandelt werden. Auch eine Schwangerschaft scheint mit einem höheren Risiko behaftet zu sein. (Thrombosen in der Anamnese? Genetik?)
Eventuell ergibt auch die Vorstellung in einer Blutgerinnungsambulanz (meist in Universitätskliniken/Groß-Kliniken) Sinn, z.B. vor geplanten Eingriffen und einer auffälligen Krankengeschichte. Viele Thromboembolien könnten durch die geschilderten Maßnahmen verhindert werden – oder der Verlauf könnte verbessert und so schwerwiegende Folgen vermieden werden.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (10) Seite 24-30
