Mitte März ist der Entwurf des KHVVG in die Ressortabstimmung gegangen. Das Gesetz soll den großen Umbau der Klinikfinanzierung regeln und die Krankenhauslandschaft besser strukturieren. Der vom Minister vorgegebene Zeitplan ist knapp und der Weg noch lang.

Ich will sehen! So heißt es im Poker, wenn die Zeit des Bluffens und Taktierens vorbei ist und die Karten auf den Tisch kommen. Mitte März war dieser Moment für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gekommen, zumindest ein bisschen: Am Abend des 15. März ging der lang erwartete Referentenentwurf zu dem Gesetz, bekannt unter dem Schlagwort "Krankenhausreform", zur Ressortabstimmung in die Ampelkoalition.

Tatsächlich offiziell veröffentlicht sind die Pläne damit noch nicht. Das Deutsche Ärzteblatt hat zahlreiche geplante Regelungen publik gemacht, zuerst hatte ausgerechnet die "Bild" berichtet – was manchen Länderpolitikern übel aufgestoßen war.

Der Zeitplan für das Mammut-Gesetzesvorhaben ist ambitioniert. Der Bundesgesundheitsminister hat noch Ende März angekündigt, dass die Krankenhausreform am 24. April vom Kabinett beschlossen werden solle und 2025 in Kraft treten werde. Mit den Bundesländern sollte laut Lauterbach im Laufe der Kalenderwoche 12 auf Ebene der Minister der Länder gesprochen werden. Danach starte auch die Länder- und Verbändeanhörung. Das Gesetz selbst soll nicht im Bundesrat zustimmungspflichtig sein, was das Prozedere beschleunigen könnte; die Länder sollen erst über eine spätere Rechtsverordnung zur Festlegung von Leistungsgruppen und Qualitätskriterien beteiligt werden.

Leistungsgruppen noch zu spezifizieren

Auch wenn von Seiten der Diabetologie viel Hoffnung auf der Krankenhausreform liegt, das Wort "Diabetes" kommt in den 189 Seiten des Referentenentwurfs nicht vor. Zentraler Punkt der Reform ist die Einführung eines nach Bundesländern und Leistungsgruppen differenziertem Vorhaltebudgets. Die bisherigen Fallpauschalen sollen entsprechend abgesenkt werden. Die Vorhaltepauschalen werden für die noch zu spezifizierenden Leistungsgruppen gezahlt, wenn deren Qualitätskriterien sowie Mindestvorhaltezahlen grundsätzlich erfüllt werden und von den Ländern entsprechend zugewiesen wurden. "Durch die Festlegung und Fortentwicklung bundeseinheitlicher Qualitätskriterien für die jeweiligen Leistungsgruppen wird die Qualität der medizinischen Versorgung gestärkt", heißt es in dem Entwurf. Künftig sollen die Klinken 60 Prozent der Gesamtvergütung für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen.

Im Entwurf des KHVVG steht noch einiges mehr zum lieben Geld. Ab 2026 soll ein Transformationsfonds die Bundesländer bei der Umsetzung der durch die Krankenhausreform angestoßenen Prozesse zielgenau unterstützen. Der Fonds soll bis 2035 geführt und jährlich mit fünf Milliarden Euro gefüllt werden, paritätisch von Bund und Ländern getragen. Der Bund will seinen Teil aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen bestreiten.

Zusätzlich zur Vorhaltevergütung sollen die Bereiche Pädiatrie (288 Millionen Euro), Geburtshilfe (120 Millionen), Stroke Units (35 Millionen), Spezielle Traumatologie (65 Millionen) und Intensivmedizin (30 Millionen) extra vergütet werden. Auch die Teilnahme an der Notfallversorgung soll extra vergütet werden, die Universitätskliniken "für die ihnen zugewiesenen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben" zusätzliche Mittel bekommen.

Sektoren-Übergriff geplant

Laut dem Entwurf sollen sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen es Krankenhäusern ermöglichen, neben der stationären Behandlung auch sektorenübergreifende Leistungen zu erbringen. Dazu gehören laut des Papiers das ambulante Operieren, die medizinisch-pflegerische Versorgung, belegärztliche Leistungen sowie Übergangs-, Kurzzeit- sowie Tages- und Nachtpflege. Diese ärztlichen Leistungen können dabei auch von Vertragsärzten, mit denen die sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hat, erbracht werden. Näheres, zum Beispiel welche stationären Leistungen der Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin oder Geriatrie diese Versorgungseinrichtungen mindestens anbieten müssen, welche weiteren stationären Leistungen erbracht werden können sowie Anforderungen an Qualität, Patientensicherheit und Dokumentation, sollen Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband vereinbaren.

Die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen sollen bei drohender Unterversorgung in Fachbereichen auch klassische ambulante Leistungen aufgrund einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erbringen können, im hausärztlichen Bereich ist eine solche Ermächtigung in allen Planungsbereichen vorgesehen, in denen für die hausärztliche Versorgung keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind – also rund drei Viertel der Bereiche. Das Ministerium weist diesen Versorgungseinrichtungen "eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung" zu. Das Modell soll auch die Weiterbildung von Fachärzten für Allgemeinmedizin "aus einer Hand" im stationären und im ambulanten Bereich ermöglichen.

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, fasste deren Stellungnahem zu dem zu dem Entwurf klar zusammen: "Wir halten ihn für nicht tragfähig. Wir halten ihn fast schon für ein Schlag ins Gesicht auch der Hausärztinnen und Hausärzte und auf jeden Fall für die falsche Richtung, wenn wir über ambulante Sicherung sprechen." Auch der Hausärztinnen und Hausärzteverband (HÄV) zeigte sich mit dem Entwurf unzufrieden, obwohl der in Deutschland vergleichsweise hohe Anteil an stationären Leistungen an der Versorgung von der Ampelkoalition stets als durch die Reform zu behebendes Manko genannt wurde. Der HÄV kritisierte die geplante Möglichkeit, in den sektorenübergreifenden Versorgungszentren mit Ermächtigung auch Hausärzte arbeiten zu lassen. "Die Pläne der Bundesregierung, Krankenhäusern zukünftig fast überall die Möglichkeit zu geben, hausärztliche Versorgung anzubieten, wäre ein Dammbruch und hätte massive negative Auswirkungen auf die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung. Wir fordern Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf, die Notbremse zu ziehen und diese versorgungspolitische Geisterfahrt zu stoppen", erklärten die HÄV-Bundesvorsitzenden Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.

Die Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, bewertete finanzielle Aspekte im Referentenentwurf kritisch. "Die Finanzierung des Krankenhausumbaus soll wie befürchtet allein zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung und damit auf Kosten der Beitragszahlenden gestemmt werden – ohne Einbeziehung des Bundes oder der Privaten Krankenversicherung. Das ist nicht nur unfair gegenüber den Beitragszahlenden, sondern auch kontraproduktiv", befand Reimann. Inhaltlich kritisierte sie Lücken, zum Beispiel dass die verbindliche Definition von Leistungsgruppen erst später erfolgen solle. Gleichzeitig werde aber die Refinanzierung der Tariferhöhungen fortgesetzt. "Damit droht eine Entkoppelung der Finanzierungsreform von der Strukturreform. Die Konkretisierung der Strukturreform wird per Rechtsverordnung auf die lange Bank geschoben", warnte Reimann.

Anfang Februar hatte Lauterbach im Zusammenhang mit der Reform dramatisch von "Schicksalsmonaten für die Versorgung der Babyboomer" gesprochen. Denn diese in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts geborenen Menschen kämen nun in das Alter, in dem sie schwer erkrankten. Ohne Reform könnten sie nicht die nötige Versorgung erhalten, sagte der SPD-Politiker. Es sei eine "Win-Win-Situation", wenn mit der Reform die kleinen Häuser und die Landkliniken die großen Eingriffe abgäben und sich auf die Basisversorgung konzentrierten. "Wenn die Reform kommt, das können wir garantieren, gibt es bei den kleinen Häusern keine Insolvenzwelle", versprach Lauterbach. Er beklagte, dass die Länder die "deutsche Lösung wollen und alles bleibt wie es ist". Diese Haltung habe erst zur jetzigen Lage geführt. "Wir haben immer die Strukturreformen vermieden und das System noch einmal mit Geld zugeschüttet, darum haben wir jetzt das teuerste Gesundheitssystem in Europa", monierte der Gesundheitspolitiker.

Reform als Chance für bessere Weiterbildung

Die Krankenhausreform bietet laut Deutscher Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) auch die Chance, Freiräume für Weiterbildung und Wissenschaft zu schaffen. Denn nach Meinung der Fachgesellschaft erschweren aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen es vor allem jüngeren Medizinern, den Anforderungen nachzukommen. "Der Workload hat in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen, sodass sich eine zunehmende Unzufriedenheit mit der aktuellen Weiterbildungssituation in der jungen Ärzteschaft breitmacht", mahnte Dr. med. Andrea Martini als Vertreterin der Arbeitsgruppe Junge DGIM und Sprecherin des Bündnisses Junge Ärztinnen und Ärzte. Aktuell erfolge die Weiterbildung in deren Wahrnehmung als "Anhängsel" im klinischen Alltag. Abhilfe könnte ein gesondertes Budget für die Weiterbildung schaffen. "Wichtig ist, dass die Weiterbildung nicht weiterhin aus den Erlösen der Krankenversorgung querfinanziert werden sollte", fordert Martini. Ansonsten stünden die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses und die Versorgung der Patienten dauerhaft in einem Konflikt zueinander. Auch auf Seiten des Personals müssten mehr Kapazitäten eingeplant werden. "Für eine strukturierte ärztliche Weiterbildung bedarf es einer ausreichenden Anzahl an erfahrenen Fachärztinnen und -ärzten, damit diese mit den Weiterzubildenden Fälle eingehend diskutieren und praktische Inhalte lehren können", so die angehende Endokrinologin. Dafür müssten in der Personalplanung Weiterbildungsaufgaben mit angemessenen Zeitkontingenten berücksichtigt werden.

Gerade für komplex Erkrankte ist es laut DGIM von Vorteil, wenn sie an großen Zentren mit ausreichenden Strukturen behandelt würden. Die Vorhaltung dieser Strukturen müsse auch vergütet werden – und sie muss geplant und gut strukturiert sein, forderte der DGIM-Vorsitzende Prof. Dr. med. Andreas Neubauer Neubauer. "Sowohl in der Weiterbildung als auch in der Versorgung müssen wir intellektuelle Leistungen, die Zeit für medizinische Erwägungen und Kommunikation entsprechend würdigen und auch finanzieren", fordert DGIM-Generalsekretär Prof. Dr. med. Georg Ertl. Das Motto müsse sein: "Gut bezahlen für klug entscheiden."

Krankenhaustransparenzgesetz kann in Kraft treten
Auf seiner Sitzung vom 22. März hat der Bundesrat das Krankenhaustransparenzgesetz passieren lassen. Damit ist die Grundlage geschaffen für die Veröffentlichung eines interaktiven Krankenhaus-Atlas, der übersichtlich darstellen soll, welche Klinik welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet. Mit dem Gesetz werden die Krankenhäuser verpflichtet, dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) die notwendigen Angaben zu übermitteln. Das InEK liefert die Auswertungen und das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) bereitet die Daten auf. Das Ministerium betonte, dass die Veröffentlichung des Atlas keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und die Krankenhausvergütung habe. Die in dem Verzeichnis für die Angabe von Fallzahlen verwendeten 65 Leistungsgruppen seien ausschließlich zur Veröffentlichung im Transparenzgesetz benannt. Den geplanten Starttermin des Transparenzatlas zum 1. Mai hat InEK-Geschäftsführer Frank Heimig als schwierig bezeichnet. Gegebenenfalls starte das Verzeichnis zunächst mit einem Teil der versprochenen Daten.

Autor:
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Marcus Sefrin
Redaktion MedTriX GmbH
Lüneburg


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (4) Seite 6-8