Diabetologen und Diabetesberater beobachteten bisher eine eher begrenzte Anzahl von Hautreaktionen in der täglichen Praxis auf die Klebepflaster von Medizinprodukten; es gibt nur wenige aktuelle wissenschaftliche Publikationen zu Hautreaktionen auf Pflaster im Diabetesbereich (1, 2).

Einleitung

Medizinprodukte für die Diabetestherapie, wie Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) oder Insulinpumpen, unterliegen hohen regulatorischen Anforderungen. Der Fokus der Herstellerunternehmen und der behandelnden Diabetologen liegt bei der Nutzung solcher Systeme in erster Linie auf dem klinischen Einsatz und deren Sicherheit, also auf der Vermeidung von Hypoglykämien und Geräteausfällen.

Im Alltag beschäftigen Patienten jedoch andere Aspekte, dazu gehören u. a. schlecht klebende Pflaster (die benötigt werden, um die Medizinprodukte auf der Haut zu fixieren), Schmerzen beim Ablösen der Pflaster oder Hautreaktionen wie Juckreiz und Rötung auf die Pflaster. Dabei sind die Anforderungen für einen Klebstoff, mit dem Medizinprodukte, wie Insulininfusionssets (IIS), auf der Haut fixiert werden, hoch: Das Produkt soll fest auf der Haut haften, ohne vor Ende seiner Nutzungsdauer abzufallen, und soll keine unangenehmen Hautreaktionen während seiner Verwendung bzw. nach dessen Entfernung verursachen. Die intendierte Nutzungsdauer (Patienten nutzen solche Systeme in der Praxis, wenn möglich, häufig länger) für die Systeme ist recht unterschiedlich: Patch-Pumpen, die direkt auf die Haut aufgeklebt werden, wie auch die IIS von herkömmlichen Insulinpumpen, werden üblicherweise alle zwei bis drei Tage gewechselt. Dagegen bleiben CGM-Systeme, die Messergebnisse unmittelbar anzeigen (Real-Time-CGM, rtCGM), für sechs bis sieben Tage an einer Hautstelle, das "Flash-Glukose-Monitoring-System" (intermittent scanning CGM, iscCGM) sogar für 14 Tage.

Diabetologen und Diabetesberater beobachteten bisher eine eher begrenzte Anzahl von Hautreaktionen in der täglichen Praxis auf die Klebepflaster von Medizinprodukten; es gibt nur wenige aktuelle wissenschaftliche Publikationen zu Hautreaktionen auf Pflaster im Diabetesbereich (1, 2). In deutlichem Kontrast dazu gibt es allerdings diverse Internetportale, in denen sich Patienten zu Hautreaktionen austauschen und Vorschläge zum Umgang mit diesen suchen. Patienten versuchen, sich selbst zu helfen, indem sie z. B. versuchen, das Pflaster von den IIS zu lösen und die Kanüle anders zu fixieren, oder verschiedene Pflastervarianten diskutieren oder welche Hautschutzsprays und Kortisoncremes helfen könnten.

Die Intensität der Kommunikation spricht für eine Zunahme der Häufigkeit, mit der Hautreaktionen auftreten. So berichtete vor kurzem eine "Statistik" in einem Patientenjournal ("Insuliner") (3), dass von 169 Patienten, die iscCGM verwenden, nur 83 keine Hautreaktionen angaben. Alle anderen Patienten berichten über ein gewisses Maß an Hautreaktionen, 5 Patienten gaben an, iscCGM nicht mehr verwenden zu können wegen der Hautreaktionen. In der Wunschliste der Patienten am Ende des Artikels wurde eine Änderung des Klebstoffs als häufigster Wunsch genannt. In klinischen Studien mit iscCGM, die vor kurzem präsentiert und auch schon teilweise publiziert wurden (REPLACE und IMPACT), wurden auch Hautreaktionen berichtet, allerdings in einem geringen Ausmaß (4, 5). Dabei müssen Patienten, die an solchen Studien teilnehmen, bestimmte Ein- und Ausschlusskriterien erfüllen und nutzen iscCGM maximal für einige Monate, nicht für längere Zeiträume. In der Praxis scheinen Hautreaktionen vor allem bei Patienten aufzutreten, die iscCGM über einen längeren Zeitraum verwenden; darauf deuten Hinweise von Diabetologen, Diabetesberatern und Betroffenen in Deutschland hin.

Im Folgenden werden verschiedene Aspekte diskutiert, die im Zusammenhang mit Hautreaktionen auf Pflasterklebstoffe von Relevanz sind.

Wie hoch ist die Häufigkeit von Hautreaktionen?

Die Unterschiede in der Häufigkeit, mit der Hautreaktionen auf der Nutzerebene "wahrgenommen" werden, im Vergleich zu Berichten auf der Behandler-/akademischen Ebene, beruhen vermutlich auf mehreren Gründen:

  • Klinische Studien mit neuen Medizinprodukten, in denen Hautreaktionen als Nebenwirkungen (unerwünschte Ereignisse) erfasst werden, werden üblicherweise mit einer relativ kleinen Anzahl von selektierten Patienten durchgeführt. Solche Patienten haben keine oder wenige andere Erkrankungen, entstammen einer bestimmten Altersgruppe, nehmen keine oder weniger andere Medikamente etc. Die Güte, mit der Nebenwirkungen bei solchen Studien erkannt, dokumentiert und berichtet werden, ist unklar.
  • Diese Studien haben nur eine begrenzte Studiendauer: Während es zu Hautreaktionen wie Irritationsdermatitis, toxischer Dermatitis usw. bereits nach kürzester Zeit kommen kann, bedarf die Entwicklung einer Kontaktallergie, z. B. auf einen Klebstoff, in der Regel eines längeren Gebrauchs mit wiederholten Anwendungen. Es kann Wochen bis Jahre dauern, bis eine Kontaktallergie entsteht. Wenn die Patienten aber eine Kontaktallergie gegen z. B. Klebstoffe entwickelt haben, dann reagieren sie innerhalb einer kurzen Zeit, d. h. in wenigen Stunden, darauf. Liegt eine Kontaktallergie einmal vor, dann bleibt sie lebenslang!
  • Wenn es bei der Verwendung eines zugelassenen Medizinprodukts zu einer Hautreaktion kommt, wird sie dann im Behandlungsalltag erkannt und offiziell dokumentiert? In der Praxis wird der Patient diese seinem behandelnden Diabetologen und Diabetesberater berichten. Diese werden ihn beraten und Therapieempfehlungen geben, aber sie werden die Hautreaktion vermutlich eher nicht systematisch dokumentieren und melden. Eine solche Meldung an eine entsprechende offizielle Stelle, die notwendig ist, um solche Nebenwirkungen zu erfassen, ist mit einem relevanten Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. Es gilt nicht nur, die eigentliche Nebenwirkung adäquat zu beschreiben und zu dokumentieren, es gilt auch, Informationen zur medizinischen Geschichte des Patienten, inklusive Verwendung anderer Medikamente, zu beschreiben und Rückfragen zu beantworten. Der Arzt erhält für diesen Aufwand keine Honorierung noch hat er einen unmittelbaren anderen Vorteil davon.
  • Um das konkrete Problem zu lösen, wird zu einem Wechsel zu einem anderen Medizinprodukt geraten. Wenn Patienten z. B. ein rtCGM-System haben, wechseln sie wieder zur herkömmlichen Blutzuckermessung zurück oder nutzen ein anderes System. Dabei stehen nicht für alle Einsatzbereiche Alternativprodukte zur Verfügung bzw. haben diese andere Eigenschaften. Es fehlt allerdings ein klarer Leitfaden für die Praxis, nach dem sich Behandler und Patienten in solchen Situationen richten können.
  • In Einzelfällen werden der Patient und/oder der Arzt/das Diabetesteam eine Hautreaktion als unerwünschtes Ereignis melden wollen.

Der Patient kann dies tun, indem er bei dem Hersteller anruft und die Hautreaktion bei der Service-Hotline meldet. Dort wird die Beschwerde dokumentiert und bewertet. Wie die Verantwortlichen beim Herstellerunternehmen damit umgehen und welche Schlüsse sie daraus ziehen, ist unklar. Sie müssen solche Berichte den Regulierungsbehörden melden und diese Berichte werden in Datenbanken gesammelt. Während die MAUDE (Manufacturer and User Facility Device Experience)-Datenbank der amerikanischen Gesundheitsbehörde (Food and Drug Administration, FDA) für solche Meldungen öffentlich zugänglich ist (6), ist die Eudamed (European Database on Medical Devices)-Datenbank in Europa nicht öffentlich zugänglich (7). Wenn es zu einer hohen Anzahl von gleichlautenden Meldungen kommt (wobei unklar ist, was dies konkret bedeutet), wird dieses "Signal" erkannt (von wem konkret?) und die Hersteller und/oder Behörden reagieren. Wie die Fragen andeuten, ist dies ein intransparenter Prozess.

Wenn der Arzt eine Hautreaktion bei den Behörden meldet, sollte er zeitnah ein adäquates Feedback seitens des Herstellerunternehmens erhalten. Dabei gibt es keine Informationen darüber, ob und wie dies in der Praxis erfolgt. Hinweise in der Literatur lassen vermuten, dass unerwünschte Nebenwirkungen bei Medizinprodukten in der Realität massiv unterdokumentiert werden (8, 9).