„Fit mit Diabetes” heißt das neue Gütesiegel für ein sicheres Training in Fitness-Studios, das von der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport & Bewegung“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zusammen mit Partnern entwickelt wurde. Dr. Meinolf Behrens, einer der Initiatoren, erklärt im Interview, was es mit dem Siegel auf sich hat.

Regelmäßige körperliche Aktivität bringt eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen – insbesondere für Menschen mit Diabetes. Viele nutzen dazu das Angebot von Fitness- und Gesundheitsstudios. Doch bieten diese auch die notwendige Qualität und Expertise in Sachen Diabetes, sodass Sport dort mit ausreichender Sicherheit durchgeführt werden kann?

Damit Menschen mit Diabetes dies auf einen Blick erkennen können, gibt es nun das neue Gütesiegel „Fit mit Diabetes“, dass im April auf der FIBO in Köln, der weltgrößten Fitnessmesse, vorgestellt wurde. Entwickelt wurde es von der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport und Bewegung“ in Zusammenarbeit mit diabetesDE, der IST-Hochschule sowie der Experten Allianz für Gesundheit e.V. Maßgabelich daran beteiligt war Dr. Meinolf Behrens (siehe Kasten). Mit ihm sprechen wir darüber, wozu es überhaupt eines solchen Siegels bedarf, welche Chance es bietet und wie die Zertifizierung abläuft.

Im Interview:

Dr. Meinolf Behrens ist Diabetologe, Sport- und Ernährungsmediziner und seit 20 Jahren niedergelassen im Diabeteszentrum Minden in Ostwestfalen.

Er engagiert sich in der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport & Bewegung“ und ist auch in der Patientenkommunikation aktiv – als Redaktionsmitglied des Diabetes-Journals und des Diabetes-Ankers. Ins Fitnessstudio und zum Laufen geht er jeweils zweimal pro Woche.

Herr Dr. Behrens, wozu bedarf es eines Siegels wie „Fit mit Diabetes“? Können Menschen mit Diabetes nicht einfach in ein Sportstudio gehen und loslegen?

Dr. Behrens: Zunächst einmal fällt es im Bereich der Gesundheits- und Fitnessstudios auch Fachleuten relativ schwer, unter Qualitätsgesichtspunkten den Markt zu sondieren und zu unterscheiden, welche Studios etwas mehr für den gesundheitsorientierten Sport stehen. Und wir wissen natürlich auf der anderen Seite, wie wichtig die körperliche Aktivität für Menschen mit Diabetes ist. Aber: Sport mit Diabetes bedarf eben schon einer besonderen Aufmerksamkeit – wegen des möglichen Risikos für eine Stoffwechselentgleisung, aber auch aufgrund von diabetesassoziierten Erkrankungen.

Unser Eindruck ist, dass in den Fitnessstudios das Thema Diabetes noch nicht angekommen ist. Wir haben aber nicht das Anliegen, dass nun Fitnesstrainerinnen und Fitnesstrainer zu Medizinern und Diabetologen werden, sondern es geht darum, Bewusstsein für die Erkrankung und damit für Menschen mit Diabetes, die Sport im Fitnessstudio treiben, zu schaffen. Die Grundidee ist, für diese Menschen Qualität, Sicherheit und Transparenz in die Studios zu bringen.

Welche Kriterien muss ein Studio für das Siegel erfüllen?

Dr. Behrens: Wir haben einen Kriterienkatalog erstellt. Primär waren daran Diabetologinnen und Diabetologen beteiligt, aber auch Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler und letztlich auch die Trainingsanbieter. Das ist eine ganz besondere Konstellation, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat.

Das Herzstück dieses Katalogs ist sicherlich die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben eine sogenannte Fachqualifikation geschaffen: Jedes Studio, das zertifiziert wird, benötigt jemanden, der beim Thema Diabetes „den Hut aufhat“. Wir wollten keine neue Ausbildung schaffen, weil der Fitness- und Gesundheitsmarkt schon voll ist mit Ausbildungen. Unser Grundkriterium ist deshalb z. B. eine Übungsleiterausbildung der unterschiedlichen Verbände oder auch eine andere, ähnliche Ausbildung. Wer die hat, hat schon eine ganz entscheidende Grundvoraussetzung erfüllt. Diese Grundausbildung kombinieren wir mit einer fünfstündigen diabetesspezifischen Qualifikation, die wir Basisqualifikation nennen.

Zusätzlich ist angedacht, dass die Trainerinnen und Trainer in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis hospitieren, so dass sie am Ende von uns die Fachqualifikation bekommen. Darüber hinaus müssen die Studios weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren, die dann aber „nur“ die Basisqualifikation haben.

Es gibt noch weitere Voraussetzungen für die Studios wie das Notfallmanagement, eine entsprechende Infrastruktur, ein Angebot an Gruppen- und Einzeltraining. Das sind aber letztlich Kriterien, die ein gutes Fitnessstudio, ein gutes Gesundheitsstudio sowieso erfüllt. Zudem sollte es in einem Studio mit dem Siegel „Fit mit Diabetes“ ein Blutglukosemessgerät und ein Ketonmessgerät geben. Die Geräte müssen regelmäßig überprüft werden. Auch sollten schmale und breite Blutdruckmanschetten vorhanden sein. Und: Die Studios müssen ärztlich betreut werden.

Wann startet die Qualifikation der Trainerinnen und Trainer? Dr. Behrens: Wir haben die ersten Termine festgelegt, zwei für Düsseldorf und zwei für München. Informationen dazu gibt es auf unserer Website diabetes-bewegung.de. Zudem bieten wir Studios/Studioketten, die mehrere Trainerinnen und Trainer qualifizieren möchten, an, zu ihnen ins Studio zu kommen.

Wer vergibt das Siegel – die AG?

Dr. Behrens: Genau, die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Sport & Bewegung vergibt das Siegel. Aber wir haben Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Zum einen ist das die Expertenallianz für Gesundheit, das ist ein Zusammenschluss von Fachleuten aus verschiedenen Gesundheits- und Wissenschaftsdisziplinen. Daran sind Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler beteiligt, aber auch Trainingsanbieter, mit denen wir kooperieren und die ein vorzügliches Netzwerk haben, denn es ist ja ganz wichtig, dass wir als Diabetologinnen und Diabetologen die Studios auch erreichen.

Der Prozess der Zertifizierung läuft über einen weiteren Partner, die IST-Hochschule, die Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich Fitness und Gesundheit anbietet. Einer der Dozenten ist Professor Dr. Christian Brinkmann, der auch in der AG sehr aktiv ist und dafür sorgt, dass Auditoren gewonnen werden, die den Zertifizierungsprozess fachlich überwachen. All das können wir als AG natürlich nicht so nebenbei leisten.

Wer kann sich am Siegel „Fit mit Diabetes“ orientieren?

Dr. Behrens: Alle Menschen mit Dia-betes, egal, ob sie Typ-1- oder Typ-2-Diabetes haben. Zwar gibt es bei Menschen mit Typ-2-Diabetes einen kausalen therapeutischen Ansatz. Aber man muss auch ganz nüchtern sagen: Der Lebensstil der Gegenwart geht auch nicht an Menschen mit Typ-1-Diabetes vorbei. Außerdem wollen natürlich auch Menschen mit Typ-1-Diabetes sich im Fitnessstudio sicher fühlen. Wir wissen ja, wie komplex es ist, mit Typ-1-Diabetes Sport zu treiben. Deshalb finde ich es einfach schön, wenn man in einem Studio trainieren kann, wo man nicht schief angeguckt wird, wenn man einen Sensor am Arm trägt oder sich den Blutzucker misst.

Wie viele Studios sind derzeit in der Lage, das Siegel zu erhalten?

Dr. Behrens: Das ist für uns schwer zu erfassen. Ich glaube, es gibt unzählige sogenannte „Premium-Studios“, die problemlos die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen, wenn es um Kurse und Geräte geht. Aber was die Qualifizierung der Mitarbeiter*innen im Bereich Diabetes angeht, ist sicherlich viel Arbeit zu leisten.

Wie viele Studios es am Ende werden, muss man abwarten. Wir setzen natürlich auf unser super Netzwerk, und ich denke schon, dass wir mit unseren Partnern die Studios erreichen werden. Das Interesse auf der FIBO war auf jeden Fall klar zu spüren. Zwar will nicht jedes Fitnessstudio unbedingt diese Qualität abbilden, weil das ja auch immer ein gewisser Aufwand ist und Kosten verursacht. Aber die Studios wissen sehr wohl, dass sie sich irgendwie abgrenzen müssen von den Ketten, von den Billigstudios, die eben „nur“ ihre Geräte anbieten.

Wann geht es richtig los – und wie wird das Siegel bekannt gemacht?

Dr. Behrens: Menschen mit Diabetes möchten wir auch über einen weiteren Partner erreichen, nämlich diabetesDE, und natürlich über die Patientenmedien. Aber erst einmal müssen sich jetzt Studios zertifizieren lassen, denn nichts ist frustrierender, als vergeblich nach einem Studio mit dem Siegel zu suchen. Die Kurse für Trainerinnen und Trainerstarten im Juni, ich denke, im September werden die ersten Studios das Siegel „Fit mit Diabetes“ tragen. Wenn es einige Studios gibt, möchten wir auch an die Diabetologinnen und Diabetologen herantreten, die dann als Multiplikatoren wirken können.


Interview: Günter Nuber und Nicole Finkenauer