Unter dem Dach des Clinical Research Center (CRC) Hannover arbeiten drei Forschungsinstitutionen. Auch Diabetesforschung spielt für die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) dabei eine Rolle. Prof. Dr. med. Christoph Schindler (Leitender Arzt CRC Core Facility, OE 8660, MHH) berichtet im Interview über die Arbeit im CRC.
Herr Professor Schindler, wie lange gibt es das CRC bereits?
Prof. Dr. Christoph Schindler: Das CRC wurde im Sommer 2014 bezogen. Die offizielle Eröffnung ist am 8. September 2014 erfolgt – und seitdem sind wir voll operativ tätig.
Um welche Themen geht es bei Ihrer Forschung im CRC?
Schindler: Das CRC ist ein Zentrum für frühe klinische Studien. Wir bezeichnen es auch als Proof-of-Concept-Center, weil im Mittelpunkt unserer Tätigkeit die Validierung neuer Drug Targets und potentieller Wirkmechanismen steht, in enger Zusammenarbeit auch mit industrieller Auftragsforschung. Es geht darum, die Wissenschaft mit industrieller Forschung zu verknüpfen.
Wir sind sehr stark auf molekulare Mechanismen ausgelegt und haben auch ein Imaging-Center im CRC Hannover, das momentan mit einem 1,5-Tesla-MRT ausgestattet ist. Geplant ist, Ende 2017 ein 3-Tesla-Positronen-Emissions-Tomographie-MRT einzubringen. Insbesondere die Etablierung dieses hochmodernen, neuen Untersuchungsverfahrens wird uns ein sehr spannendes Instrument an die Hand geben, um präklinische Forschungsergebnisse klinisch in Phase-1- und -2-Studien am Patienten zu validieren.
Phase-3-Studien stehen nicht im Fokus unseres Zentrums, wobei wir trotzdem vereinzelt auch sehr komplexe Phase-3-Studien hier im Hause durchführen.
Was für Studien gab es bereits?
Schindler:Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt für die Medizinische Hochschule bereits neun klinische Studienprojekte mit knapp 800 Probanden im CRC Hannover laufen. Die Ergebnisse sind zum jetzigen Zeitpunkt noch größtenteils in der Auswertung.
Welche Rolle spielt der Diabetes mellitus bei Ihnen?
Schindler: Wir haben jetzt eine Diabetes-mellitus-Studie gestartet und sind dabei, eine weitere zu starten. Diabetes soll, zumindest für die Medizinische Hochschule, einer der Forschungsschwerpunkte werden.
Können Sie etwas Konkretes zu den Studien sagen?
Schindler: Ja. Bei der einen Studie, die sich im Moment im behördlichen Genehmigungsprozess befindet, die sogenannte EMPATROPHY-Studie, handelt es sich um ein Investigator-initiated Trial. In diesem Projekt betrachten wir eine neue Wirkstoffgruppe, die SGLT-2-Inhibitoren. Wir untersuchen das Molekül Empagliflozin. Das Prinzip dieser Wirkstoffklasse besteht darin, dass durch Blockade der SGLT-2-Rezeptoren in der Niere überschüssiger Blutzucker vermehrt über die Nieren ausgeschieden wird.
Das Wirkprinzip der renalen Zuckerausscheidung ist grundsätzlich ein wenig gewöhnungsbedürftig für die Diabetes-Community, weil man ja jahrzehntelang in der Diabetologie gepredigt hat, Zucker im Urin ist schlecht – und jetzt machen wir ein therapeutisches Prinzip daraus. Aber es gibt bereits sehr positive Ergebnisse, die für eine sehr gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von SGLT-2-Inhibitoren sprechen.
Was wir im Rahmen dieses weitergehenden Forschungsprojekts jetzt zeigen wollen, ist, dass diese Substanz nicht nur den Blutzucker aufgrund ihrer zusätzlichen leicht blutdrucksenkenden Eigenschaften senkt, sondern auch die linksventrikuläre Hypertrophie bei adipösen Diabetikern senken kann – das heißt, einen Einfluss dieser Substanz nicht nur auf den Blutzucker, sondern auch auf das Herz-Kreislauf-System.
- der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH),
- dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) und
- dem Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig (Studienpraxis Nationale Kohorte).
Worum geht es in der zweiten Studie, die schon läuft?
Schindler: Die zweite Studie ist eine Multicenter-Studie, die ich noch zu meiner Zeit am Universitätsklinikum in Dresden initiiert habe. Für diese Studie bin ich auch Leiter der klinischen Prüfung für Deutschland. Wir haben jetzt begonnen, für diese Studie, sie heißt CLEVER-Studie, ebenfalls hier am CRC Hannover Patienten zu rekrutieren.
Wir suchen auch weiterhin Patienten, die an dieser Studie teilnehmen möchten. Inhaltlich geht es darum, zu zeigen, dass der Eisenspiegel möglicherweise einen Einfluss auf den HbA1c-Wert hat. Wir vermuten, dass durch einen Eisenmangel eine Veränderung der molekularen Struktur des Hämoglobinmoleküls verursacht wird. Diese Strukturänderung erleichtert die Glykosylierung des Hb und erhöht bei Eisenmangel artifiziell den HbA1c-Wert. Diabetiker werden bei Eisenmangel dadurch mit einer zu hohen Dosis blutzuckersenkender Medikamente behandelt, was die Gefahr schwerer Hypoglykämien birgt.
Wie viele Menschen arbeiten im CRC?
Schindler: Wir haben im Moment für die Medizinische Hochschule etwa 60 Mitarbeiter hier im Haus. Für das Helmholtz Zentrum sind es etwa 20 Mitarbeiter und seitens des Fraunhofer-Instituts sind 50 Mitarbeiter im CRC Hannover beschäftigt.
Aus welchen Fachrichtungen?
Schindler: Dies sind Ärzte und Krankenschwestern, Wissenschaftler, Doktoranden, technische Assistenten und Post-Docs. Die MHH beschäftigt auch vereinzelt Biologen und Chemiker.
Wer kann bei Ihnen an den Studien teilnehmen?
Schindler: Das hängt natürlich vom Prüfplan und vom Projekt ab – grundsätzlich aber jeder, der die Einschlusskriterien für die jeweilige Studie erfüllt.
Einer unserer Schwerpunkte liegt im Moment im Bereich Typ-2-Diabetes. Wir suchen zurzeit vor allem Patienten, die im weitesten Sinne auch metabolisch erkrankt sind und zum Beispiel neben den Störungen im Glukosestoffwechsel auch Störungen im Lipidstoffwechsel aufweisen und adipös sind. Wir werden in Zukunft aber auch Projekte im Bereich Typ-1-Diabetes durchführen.
Wie erfolgt die Kontaktaufnahme mit Ihnen?
Schindler: Wir versuchen, vor allen Dingen auch auf der Ebene der niedergelassenen Diabetologen ein Netzwerk aufzubauen, auch Selbsthilfegruppen anzusprechen und entsprechende Informationsveranstaltungen im CRC zu veranstalten.
Wie können Ärzte und Diabetesteams, die Diabetiker im Alltag betreuen, Ihre Forschung unterstützen?
Schindler: Sie unterstützen uns sehr, wenn sie sich regelmäßig zum Beispiel über unsere Homepage www.crc-hannover.de darüber informieren, für welche Projekte wir gerade Probanden suchen. Und dann freuen wir uns natürlich über regelmäßige Kontaktaufnahme per E-Mail oder gerne auch telefonisch. Mit die größte Unterstützung wäre, wenn Ärzte und Diabetesteams die Patienten auf unsere Homepage und die Kontaktmöglichkeiten aufmerksam machen.
Der große Vorteil für einen Patienten, der sich hier bei uns im Rahmen einer klinischen Studie behandeln lässt, ist die ganz besonders intensive Betreuung durch unser interdisziplinäres Team, bestehend aus klinischen Spezialisten und Wissenschaftlern bzw. klinischen Forschern.
Vielen Dank, Herr Professor Schindler.
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (10) Seite 32-33
