Influencer, Firmen und Start-Ups haben Menschen mit Diabetes als ihre potenzielle Zielgruppe auserkoren. Sehr zum Leid der Betroffenen. Denn größtenteils geht es hier schlichtweg ums Verkaufen, inklusive falscher Gesundheitsversprechen.
Instagram, YouTube und TikTok sind voll von vermeintlichen Gesundheitstipps. Eine Fülle, der wohl gemeinten Ratschläge sollte stets mit Skepsis betrachtet werden. Insbesondere dann, wenn von bahnbrechenden Ergebnissen die Rede ist. Alles, was im Superlativ propagiert wird, zielt in der Regel darauf ab, Produkte zu verkaufen, mit denen diese Erfolge möglich sind. So gibt es beispielsweise vordergründig seriöse Anbieter, die zunächst Betroffene zu Wort kommen lassen. Diese echten Menschen sollen an Diabetes erkrankt sein und seit der Einnahme der Tropfen X oder der Kapsel Y geheilt sein. So glaubhaft das auch kommuniziert wird, so etwas ist schlichtweg gelogen. Menschen werden hier arglistig getäuscht, um die angepriesenen Produkte im Internet zu kaufen. Die Methoden sind teils so perfide, dass Userinnen und User auf Seiten außerhalb der Social Media Plattformen gelockt werden. Dort warten teils ultralange Videos von einer halben bis zu einer Stunde darauf, von den Interessenten angesehen zu werden. Sie werden bei der Stange gehalten, in dem das groß gehütete Geheimnis am Ende bekannt gegeben wird. Der normale Menschenverstand sollte eigentlich sofort aktiv werden und Betroffene warnen. Doch die Macher dieser Videos stellen es clever und geschickt an, dass leider viel zu viele Menschen drauf reinfallen. Die Produkte werden gekauft. Die diabetische Stoffwechsellage verbessert sich durch die Einnahme leider nicht. Das Geld ist weg, Ärger und Enttäuschung groß.
Irreführung zu Aspartam
Gern angeschaut werden Erklärvideos zu Inhaltsstoffen in Lebensmitteln und Getränken. Sie sind nicht alle unkorrekt. Doch immer wieder geistern auch hier unseriöse Ratschläge, kombiniert mit Falschaussagen umher. Insbesondere im Hinblick auf Süßstoffe wie Aspartam tummeln sich hier Horrornachrichten. So heißt es, dass Aspartam in den USA verboten ist. Das ist schlichtweg falsch. Nicht nur in Amerika ist der Süßstoff nach wie vor erlaubt, auch in Europa darf er zum Einsatz kommen. Menschen mit der äußerst selten vorkommenden Erkrankung Phenylketonurie sollten kein Aspartam konsumieren. Diese Erkrankung basiert auf einer Störung beim Abbau dieser Aminosäure. Deshalb gilt es hier lebenslag strikt auf Aspartam und entsprechende Lebensmittel damit zu verzichten. Denn Aspartam besteht aus den beiden Aminosäuren Phenylalanin und Asparaginsäure. In Zutatenlisten auf verarbeiteten Lebensmitteln wird Aspartam beispielsweise auch als E951 angegeben.
Aspartam noch zugelassen
Nach wie vor darf Aspartam in Amerika und Europa in Lebensmitteln als energiefreie Süße zugesetzt sein. Und dass obwohl es immer wieder Aussagen gibt, dass dieser Süßstoff krebserregend sei. Denn die Internationale Agentur für Krebsforschung, kurz IARC, stufte Aspartam kürzlich als "möglicherweise krebserregend für Menschen" ein. Um Gesundheitsrisiken durch Aspartam zu ermitteln, wurde die Sicherheit von Aspartam sowohl von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als auch von dem gemeinsamen Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der Weltgesundheitsorganisation, sowie der Welternährungsorganisation (JECFA) neu bewertet. Grundlage waren wissenschaftliche Daten aus zahlreichen Studien und Berichten. Dabei heißt es, dass eine tägliche Aufnahmemenge gemäß dem Aspartam-ADI-Wert von 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht eingehalten werden sollte. Dann wäre der Konsum gesundheitlich unbedenklich. Um eine Vorstellung zu bekommen, wieviel das in der Praxis ist, müsste ein 70 Kilo schwerer Mensch jeden Tag neun Dosen von light-Getränken mit Aspartam-Mengen von 200 bis 300 Milligramm trinken. Mehr noch: die IARC vergibt unterschiedliche Klassements, wenn es sich um die Aussage "krebserregend" handelt. Diese gibt es als "krebserregend für Menschen", "wahrscheinlich krebserregend", "möglicherweise krebserregend" "wahrscheinlich nicht krebserregend" und "nicht einzustufen". Hier wird Aspartam als "möglicherweise krebserregend" eingestuft. Auch wenn das auf den ersten Blick dramatisch und gefährlich klingen mag: In dieser Klassifizierung finden sich mehr als 300 Substanzen. Mit dabei ist zum Beispiel Aloe-Vera-Extrakt, sauer eingelegtes Gemüse asiatischer Art oder hochfrequente elektromagnetische Felder aus dem Mobilfunk. Demnach sehen Expertinnen und Experten der Organisationen aktuell keine stichfesten Belege für ein konkretes Risiko durch den Konsum von Aspartam an Krebs zu erkranken. Also sind auch hier Falschaussagen tendenziell eher Panikmache. Sicher ist es sinnvoll den persönlichen Süßstoffkonsum auf ein Minimum zu reduzieren, ebenso wie beim Zucker. Denn ständig sehr süß zu konsumieren, weckt das Verlangen nach mehr. Und auch die Wirkungen von Süßstoffen auf das Darm-Mikrobiom sind derzeit auch noch nicht vollständig entschlüsselt. Weitere Infos dazu finden Sie im Beitrag zum Mikrobiom, hier im aktuellen Schwerpunkt.
Ein Evergreen ist Apfelessig. In regelmäßigen Abständen taucht er als Allheilmittel aus der Versenkung wieder ans Tageslicht. Aktuell soll er, laut Behauptungen auf Social Media und in diversen Fernsehberichten, eine ähnliche Wirkung wie Semaglutid und Tirzepatid haben. Sobald solch ein Beitrag im TV ausgestrahlt wurde, sind am Folgetag die Apfelessigvorräte in den Supermärkten geplündert. Stellt sich die Frage, ob ein einfaches Lebensmittel eine vergleichende Wirkung wie Ozempic oder Mounjaro haben kann? Ganz klar nein! Sicher kann Apfelessig dazu beitragen, dass partiell etwas weniger gegessen wird. Doch mit der bahnbrechenden Wirkung der neuen Adipositas-Spritzen kann er einfach nicht konkurrieren. Es gibt zwar vereinzelt kleine Studien, die zu anderen Ergebnissen gekommen sind. Doch bei diesen Studien war die Probandenzahl sehr gering. So lässt sich dies nicht auf die breite Bevölkerungsmasse übertragen. Hier lautet die Devise eher: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer". In einer dieser kleinen Studien hieß es demnach, dass größere Mengen des konsumierten Apfelessig mit einer schlechten Verträglichkeit und damit einhergehend Übelkeit beobachtet wurden. Dies schient dann wohl der Grund zu sein, warum Probanden in dieser Studie weniger Nahrung zu sich nahmen. Auch im Hinblick aufs Blutzuckermanagement heißt es bei Influencerinnen und Influencern sehr oft, dass Apfelessig als natürliche Hilfe zur Regulierung des Blutzuckers optimal ist. Belegt wird auch dies mit Studien, an denen wenige Probanden mit Typ-2-Diabetes beteiligt waren. Diese haben täglich 30 Milliliter Apfelessig konsumiert und es zeigten sich Verbesserungen des Blutzuckers und des Lipidprofils. Aber auch hier fehlt es an Metaanalysen und Kohortenstudien mit einer großen Anzahl an Teilnehmenden. Kurzum: Apfelessig bietet sich in der Küche an. Als Garant für besseres und leichteres Abnehmen sowie als Ersatz für Insulin ist er nicht geeignet.
Hafershakes für Hafertage
Hafertage sind seit einiger Zeit wieder im Trend. Verschiedene Studien belegen ihren Sinn. Sie können sich positiv auf die Reduktion der Insulindosis, sowie die Insulinresistenz bei Menschen mit Typ-2-Diabetes auswirken. Belegt ist auch, dass sich allein schon nach zwei bis drei Tagen Haferkur der Insulinbedarf bei Menschen mit Typ-2-Diabetes um bis zu 40 Prozent und die Blutzuckerwerte um 25 bis 40 Prozent senken lassen. Auch beim Verdacht auf das metabolische Syndrom, also Übergewicht, Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörung können Hafertage aktiv zur Verbesserung der diabetischen Stoffwechsellage beitragen. Empfehlenswert ist es, Hafertage an zwei bis drei aufeinander folgenden Tagen zu praktizieren. Dazu gibt es täglich 200 bis 300 Gramm Haferflocken kernig, fein oder Haferkleie auf drei Mahlzeiten verteilt. Diese lassen sich mit frischem oder tiefgekühltem Gemüse (ohne Gewürz- und Fettzusätze) zu warmen und kalten Mahlzeiten kombinieren. Aus der Obstfamilie bieten sich wasserreiche Sorten wie sämtliche frische oder tiefgekühlte Beerenfrüchte, Wassermelone, Äpfel, Pflaumen, Aprikosen, Nektarinen oder Pfirsiche jeweils ohne Zuckerzusatz an. Gewürze für süße Gerichte wären zum Beispiel gemahlener Zimt, Vanille, Anis, Zitronensaft oder etwas Backkakao. In der süßen Version bieten sich kleine Mengen an flüssigem Süßstoff oder Erythrit an. Pikante Gerichte lassen sich mit geriebener Muskatnuss, Pfeffer, Paprikapulver, Curry und kleinen Mengen an Kräutersalz oder gekörnter Gemüsebrühe statt Salz würzen. Lecker sind auch Knoblauch, Ingwer oder Chili, ebenso frische oder tiefgekühlte Kräuter. Und so lassen sich Hafertage einfach und preisgünstig praktizieren. Ein Startup hat sich das Thema auf die Fahne geschrieben. Hier wird insbesondere über Instagram sehr stark Werbung für Hafertage-Shakes gezeigt. Es wurde teils mit Logos vom Diabetes Journal (mittlerweile Diabetes Anker) und anderen bekannten Diabetes Medien geworben. Und das ohne diese zu informieren und eine entsprechende Genehmigung einzuholen. Dies sollte die Glaubwürdigkeit der Produkte untermauern. Der Hersteller wirbt damit, dass es mit seinen Hafershakes endlich einfach möglich ist, Hafertage zu "überstehen". Denn er preist die hier im Beitrag vorgestellten Hafertage als unappetitlichen Schleim an, den kein Mensch essen kann. So wie bei diesem Hersteller Hafertage beworben werden, entsprechen sie nicht den Empfehlungen für die klassischen Hafertage nach Carl von Norden. Hier soll lediglich eine Mahlzeit des Tages durch einen Hafershake ausgetauscht werden. Das mag an sich eine mögliche Sache zum Unterstützen einer Gewichtsreduktion sein. Aber als Hafertag ist dies so nicht richtig. Hinzu kommt, dass die Produkte recht kostspielig sind. Ein Starter-Set wird auf der Homepage des Anbieters mit 99 Euro angeboten. Auch andere Hersteller bieten mittlerweile solche Hafershakes an. Hier lohnt es sich eher ein Kochbuch mit Rezeptideen für Hafertage zu kaufen und dann selbst zu kochen. Solche Hafershakes sind überteuert und für Menschen mit Diabetes eher unnötig.
Glutenfreie Lebensmittel
Gerne aufgegriffen wird auch das Thema Gluten. So werden Produkte ohne Zuckerzusatz auch direkt glutenfrei konzipiert. Und Gluten als ungesund propagiert. Allerdings ist das so auch nicht ganz korrekt: Menschen mit einer medizinisch diagnostizierten Zöliakie müssen tatsächlich lebenslang auf das Klebereiweiß Gluten aus Getreideprodukten verzichten. Alle anderen Menschen ohne diese Erkrankung können Gluten problemlos essen. Auch bei einer Weizensensitivität oder dem Reizdarmsyndrom. Mehr noch: Viele glutenfreie Produkte sind ballaststoffärmer als herkömmliche Getreideerzeugnisse, was insbesondere bei Diabetes wenig Sinn macht. Viele der angebotenen Ersatz-Lebensmittel aus Drogeriemärkten, Supermärkten oder aus dem Internet sind sehr stark gesüßt. Z.B. mit Zucker, Honig oder anderen Alternativen. Dazu sind Brot, Brötchen oder andere glutenfreie Produkte auch noch teurer als ihre glutenhaltigen Verwandten. Im Einzelfall kann ein Mensch ohne Zöliakie positiv auf glutenfreie Lebensmittel reagieren. Auf die breite Bevölkerung lässt sich dies nicht übertagen. Denn der Gastrointestinaltrakt ist in der Lage, Gluten aus Lebensmitteln zu verdauen.
Es ist immer wieder wichtig, Patientinnen und Patienten darüber aufzuklären, dass so gut wie alle vermeintlichen Zusatzlebensmittel keinen besonderen Nutzen für ihre Diabetestherapie haben. Eine gesunde und abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl ist nach wie vor der Goldstandard in der Diabetes-Ernährungstherapie.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (1) Seite x-x