Das Mikrobiom, bestehend aus einer Vielzahl symbiotischer Mikroorganismen, wird zunehmend als ein essenzieller Regulator metabolischer, immunologischer und entzündlicher Prozesse verstanden. Die bakterielle Zusammensetzung des Darms spielt eine Rolle bei der Pathophysiologie des Diabetes, sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes.

Forschende haben herausgefunden, dass gesunde Menschen über eine große Artenvielfalt, sprich große Biodiversität in ihrem Darm verfügen. Sie haben auch festgestellt, dass die Zusammensetzung der Darmflora bei gesunden Menschen aus anderen Keimen besteht als bei Menschen mit einer Erkrankung. Was nicht gesichert ist, ob die pathogenen Keime mit einer geringeren Artenvielfalt krank machen oder ob in einem kranken Organismus, die apathogenen Keime in einer hohen Biodiversität nicht überleben können.

Zusammenhänge zwischen Glukosestoffwechsel und Mikrobiom

Die Mikrobiota moduliert den Glukosestoffwechsel durch die Fermentation von Ballaststoffen zu kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs) wie Butyrat, Acetat und Propionat. Diese agieren als sogenannte Signalmoleküle, welche spezifische Rezeptoren aktivieren und antiinflammatorische Effekte damit ausüben. Butyrat beispielsweise moduliert die Insulinempfindlichkeit. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes findet sich dabei, neben einer reduzierten Vielfalt an Erregern, insbesondere ein Rückgang von Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure oder Propionsäure bilden. Kurzkettige Fettsäuren wie beispielsweise Butyrat spielen eine große Rolle in der Regulation von Entzündungsprozessen. Bei Übergewicht sind weniger Bacteroidetes und mehr Firmicutes festzustellen. Studien haben darauf hingedeutet, dass eine Dysbiose zur Fehlregulation der Immunhomöostase beiträgt. Hierbei ist insbesondere die Diversität der Darmbewohner reduziert, während proinflammatorische Spezies dominieren und die T-Helferzellen und Autoimmunprozesse aktivieren. Es steht zur Diskussion, ob diese Mechanismen an einer Progression des autoimmunvermittelten Betazellverlusts beteiligt sein könnten. Eine Dysbiose, charakterisiert durch ein Ungleichgewicht zwischen protektiven und pathogenen Bakterienstämmen.

Ernährungsinterventionen zur Mikrobiom-Modulation

Die Ernährung ist ein zentraler Faktor zur Beeinflussung der Mikrobiota-Zusammensetzung. Bekannt ist, dass sich eine ballaststoffreiche Lebensmittelauswahl positiv auf die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes auswirkt. Die klassischen Hafertage werden heute vielfach eingesetzt, um eine massive Insulinresistenz zu behandeln. Viele Studien belegen den Benefit der Ballaststoffe in einer hohen Evidenz. Welche genauen Wirkmechanismen jedoch dafür verantwortlich sind, ist zum Teil unbekannt. Hier kommt nun die Mikrobiom Forschung ins Spiel. In neueren Studien konnte gezeigt werden, dass ein höherer Bacteroidetes-Anteil in Abhängigkeit mit dem Gewichtsverlust einhergeht. So dass eine Gewichtsabnahme positive Wirkungen auf die Darmbakterien hat. Andere Studien befassen sich mit den Inhaltsstoffen der Ernährung, die Einfluss auf das Mikrobiom haben könnten. Solche Lebensmittel werden häufig auch Präbiotika genannt. Präbiotika sind im klassischen Sinn Lebensmittel oder Lebensmittelinhaltsstoffe, die sich günstig auf die Diversität von Darmbakterien auswirken, da sie unverdaut in die tieferen Darmabschnitte gelangen und dort als Nahrung für die Bakterien zur Verfügung stehen. Durch die Ernährung der Darmbakterien werden sowohl ihre Arten als auch ihre Anzahl beeinflusst.

Gemüse ist optimal für die Darmbakterien

Als besonders wirksame Präbiotika gelten insbesondere Oligosaccharide, wie Inulin, Fructo-Oligosaccharide (FOS) und Galakto-Oligosaccharide (GOS). Dies sind natürliche Präbiotika, enthalten zum Beispiel in Chicorée, Artischocken, Lauch, Knoblauch, Zwiebeln, Weizen, Roggen, Bananen, Topinambur, Hafer, Gerste, Sojabohnen, Mais und Schwarzwurzeln. Galakto-Oligosaccharide finden sich noch in hohen Anteilen in der Muttermilch.

Präbiotika erhöhen die Konzentration an kurzkettigen Fettsäuren, beispielsweise Butyrat, Propionat und Acetat. Sie stimulieren das Wachstum von Bifidobakterien und Laktobazillen, die als apathogene Keime gelten, Sie vermehren weiterhin die intestinale Biomasse und die fäkale Energie, reduzieren das Wachstum von Clostridien und das Eindringen von pathologischen Keimen in die Mukosa und erhöhen somit auch die Calcium-Resorption.

Ballaststoffe sind von großer Bedeutung

Vor allem die Butyrat-produzierenden Bakterien fehlen bei Menschen mit Typ-2- Diabetes. Diese kurzkettige Fettsäure stellt zu 80 Prozent Energie für das Dickdarmepithel bereit. Die Buttersäure ist aber auch für die Stimulation von Epithelwachstum und –Differenzierung, als auch für die Stimulation der Wasser- und Natriumchlorid-Rückresorption verantwortlich. Sie wirkt antiproliferativ, antientzündlich (durch Hemmung von NF-KB, Stimulation von Zytokin IL10) und reduziert den luminalen pH-Wert, durch Hemmung der pathogenen Keime.

Präbiotische Lebensmittel für eine gesunde Darmflora

Folgende Ballaststoffe können als Präbiotika wirken: Flohsamenschalen, Leinsamen, Akazienfasern, Weizenkleie, resistente Stärke, Fructo- und Galakto-Oligosaccharide, Amylopektin, Citruspektin, Vollkornhirse, Buchweizen und Erdmandeln. Ebenfalls können sekundäre Pflanzenstoffe als Präbiotika wirken. Zum Beispiel Epicatechin/Catechin aus grünem Tee. Procanidine aus roten Trauben. Flavanole aus Kakao und Tannine aus Tee. Einige Studien haben gezeigt, dass verschiedene Zuckerausstauschstoffe, allen voran Xylit, einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom haben. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um die Evidenz zu bestätigen. Es gibt zudem Nährstoffe, die negative Einflüsse auf das Mikrobiom haben. Zum Beispiel durch sehr hohen Konsum von Eiweiß und Fett. Ebenso durch raffinierte Kohlenhydrate und Stärke. Süßstoffe sollen nach den Ergebnissen vereinzelter Studien ebenfalls eine negative Auswirkung auf das Mikrobiom haben. Die Suche nach einer Erklärung hat die Studie über Gewichtszunahmen durch Softdrinks ausgelöst.

Wirkung von Probiotika auf das Mikrobiom

Bei den Probiotika, also Bakterien, die über Lebensmittel gegessen werden und sich im Darm ansiedeln sollen, ist die Studienlage sehr unterschiedlich. Probiotika können dabei in Lebensmitteln zugesetzt sein, wie zum Beispiel bei probiotischen Joghurts. Oder sie werden als Nahrungsergänzungspräparat angeboten. Meistens sind sogenannte Synbiotika im Handel, die sowohl probiotische Keime enthalten als auch präbiotische Wirkstoffe. Einige Studien zeigen, dass durch die Einnahme von Probiotika, eine gestörte Darmmukosabarriere wieder hergestellt werden kann. Eine mikrobielle Translokation, beispielsweise von Bacteroidetes, pathogene Escherichia Coli, Klebsiellen und Enterobacteriaceae sollen verhindern, dass Toxine und die Eradikation mikrobieller Pathogene eliminiert wird. Des Weiteren soll eine vorteilhafte Modulation des intestinalen Immunsystems (Stimulation von sIgA) durch Probiotika bewirkt werden. Sie sollen die Bildung von Bakteriozinen (Hemmung pathogener, anaerober Keime) und eine Senkung des intestinalen pH-Werts, durch Stimulation von Milchsäurebildern, veranlassen.

Positive Effekte dank Probiotika

Forscher wollen durch den Einsatz von Probiotika zahlreiche, positive Effekte gesehen haben: niedriger BMI-Index, reduzierte Adipogenese, reduzierte adipöse Gewebe Inflammation, reduzierte metabolische Endotoxinämie, reduzierte Insulinresistenz. Ferner Erhaltung der physiologischen Darmbarriere und antiinflammatorische Wirkung. Eine Metaanalyse aus Health Professional follow -up –Study, Nurses´Health Study (1980-210 und II 1991-2009, adjustiert nach Alter, BMI, Lifestyle, ernährungsabhängige Risikofaktoren) kam zum Ergebnis, dass es keine Zusammenhänge mit Molkereiprodukten, aber eine inverse positive Korrelation mit Joghurt gab. Der Joghurtkonsum war signifikant assoziiert mit einem geringeren Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigten sich erhöhte Liposaccharidspiegel. Durch Behandlung mit Polymixin B, einem speziellen Antibiotika gegen gramnegative Keime, konnte eine Reduzierung des Liposaccharidspiegels sowie der Leberverfettung entgegengewirkt werden.

Antibiotika-Therapie und Darmgesundheit

Experimentelle Studien aus dem Institute of Science in Israel zeigten bei Mäusen, dass sich nach einer Antibiotika-Therapie durch Probiotika die Darmkeime schlechter regenerierten. Die Forscher führten daraufhin noch eine kleine klinischen Studie mit Probiotika durch. Sie stellten fest, dass es wohl zwei Gruppen von Menschen geben kann. Bei den einen, "Resisters" genannt, überlebten die Darmkulturen nicht. Bei den anderen hingegen (Persisters) überlebten sie. Sie schließen daraus, dass nicht für jeden Menschen der Einsatz von Probiotika sinnvoll ist. Mehr noch: im schlimmsten Fall könnte dies im Einzelfall sogar eher kontraproduktiv sein. Zukünftige Entwicklungen in der Mikrobiom Forschung könnten zur Etablierung mikrobiom-basierter Diagnostika und Therapieansätze führen, die personalisierte Behandlungsstrategien ermöglichen.

Ballaststoffe: besonders wichtig bei Diabetes

Die Rolle des Mikrobioms als ein zentraler Regulator im Glukose- und Lipidstoffwechsel, sowie in der Immunmodulation, eröffnet neue Perspektiven im Verständnis und Management des Diabetes. Eine genetische Veranlagung gibt vor, welche Arten vorherrschen und ob, beziehungsweise welche Arten durch verschiedene Faktoren überleben können. Es gibt genügend Evidenz, dass sich eine ballaststoffreiche Lebensmittelauswahl positiv auf die Erkrankung des Typ-2-Diabetes auswirkt. Ernährungsempfehlungen sollten zu einer pflanzenhaltigen, betont ballaststoffreichen Ernährung raten. Außerdem ist die Reduktion einer fleischhaltigen Lebensmittelauwahl zu empfehlen. Denn diese hemmt die Diversität gesunder Darmbakterien. Ein fundiertes Verständnis dieser Zusammenhänge ist essenziell, um innovative und personalisierte Therapieansätze in die Praxis zu integrieren.


Autor:
© privat
Dr. Astrid Tombek
Dipl. oec. troph. / Diabetesberaterin DDG
Diabetes-Klinik Bad Mergentheim, Bereichsleitung Diabetes- und Ernährungsberatung
Theodor-Klotzbücher-Str. 12, 97980 Bad Mergentheim


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (1) Seite 18-20