Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier läuft die Digitalisierung auf Hochtouren. Bis Ende dieses Jahres soll alles auf dem neuesten Stand und vollständig digitalisiert sein. Dr. Bernd Liesenfeld skizziert die Vorgehensweise und den Stand der Dinge.

"Der Arztvorbehalt bei der Therapieanordnung bleibt bestehen."

Seit Mitte 2023 werden am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier schrittweise alle Stationen in einen vollständig digitalen Arbeitsmodus überführt. Aufbauend auf der seit Jahren verwendeten Kliniksoftware ORBIS der Firma Dedalus werden nun die Module der Medikation und der Pflegedokumentation vollständig bis Ende 2024 digitalisiert. Die Klinik hat 684 Betten in 16 medizinischen Fachabteilungen, 2700 Mitarbeiter und ca 30.000 stationäre, sowie über 73.000 ambulante Patienten pro Jahr. Die 2. Medizinische Abteilung ist auf die Behandlung nephrologischer, rheumatologischer und endokriner Erkrankungen spezialisiert. Als Besonderheit wird die stationäre Diabetologie in enger personeller Verflechtung mit der am Standort betriebenen Schwerpunkpraxis für Diabetologie im MVZ der Klinik betrieben und erlaubt damit eine bidirektionale, optimale Versorgung komplexer diabetologischer Krankheitsbilder.

Im Lieferumfang der ausgelieferten Version von ORBIS "Medication" war keine zufriedenstellende Möglichkeit des Überblicks über eine laufende Diabetestherapie und deren Veränderung enthalten, sodass frühzeitig die Idee entstand klinikintern mit den Resourcen der eigenen IT-Abteilung eine Verbesserung der Arbeitsabläufe zu erreichen. Insbesondere die konsiliarische Mitbetreuung außerhalb der Fachabteilung stellte hierbei eine wichtige Anforderung dar, da bislang vieles über Faxe, Telefonate oder aufsuchende Unterstützung auf Station geregelt wurde. Glukosesensoren oder Pumpen können nicht im KIS ausgelesen werden, die Klinikrechner der Stationen sind für externe Quellen aus Sicherheitsgründen gesperrt. Hier kann aber in der Klinik auf die Cloud-Produkte der Hersteller zurückgegriffen werden.

Schlüssel zur Verbesserung des Prozesses war die Schaffung einer eigenen "Diabetesakte" unter ORBIS, um diabetologische Informationen optisch und inhaltlich zu strukturieren. Diese Funktion kann für jedwedes Krankheitsbild oder andere komplexe Aufgaben in ORBIS gestaltet werden und ist nicht spezifisch für die Diabetologie. Im Diabetesteam wurde eine Übersicht der wichtigsten Parameter definiert, die bereits im System an verschiedensten stellen dokumentiert waren, aber nicht strukturiert auf einer Oberfläche zu sehen waren.

Konsiliarische Mitbetreuungen erleichtert

Beispielsweise fassten wir die Antidiabetica, die verschiedenen Formen der Glukosemessung (POCT, Plasma, BGA), BMI, Kostform etc zusammen, sodass nur diese Information übersichtlich auf dem Bildschirm erscheinen. Andere Medikamente werden nicht auf der Diabetesakte dargestellt, können aber problemlos gefunden werden. Dies erleichtert z.B. konsiliarische Mitbetreuungen durch Berater:innen erheblich. Glukosemessungen wurden grafisch formatiert und eine eigene Kategorie für Messungen mit mitgebrachten oder neu verordenten Sensoren eingefügt, um direkte Vergleiche zu ermöglichen. Sensordaten werden dabei vom Pflegepersonal per Hand eingegeben, während alle anderen Glukosedaten automatisch aus den Geräten und dem Labor übernommen werden. Dies hat insbesondere bei Verlegungen im Haus große Vorteile: alle Werte von der Aufnahme bis zur Entlassung werden auch bei Wechsel der Stationen durchgehend dargestellt. Das bislang übliche Suchen nach "Vorbefunden" in Systemen der Intensiv- oder Überwachungsstationen entfällt. Diabetesberater:innen der Klinik haben die Berechtigung eine bestehende, angeordnete Diabetestherapie selbständig anzupassen, Konsile zu bearbeiten und diagnostische Anordnungen zu treffen, die für die Diabetestherapie wichtig sind (z.B. nächtliche Glukosemessungen). Der Arztvorbehalt bei der Therapieanordnung bleibt bestehen, wird aber mit einer pragmatischen Lösung der konsentierten Übertragung von Zuständigkeiten ergänzt, wie sie bereits seit Jahren in diabetologischen Kliniken gelebt wird.

Dies ist ein essentieller Bestandteil der Digitalisierung, da der Arztvorbehalt bei Therapieanpassungen in der Diabetologie völlig an der Realität und der Erfordernissen vorbeigeht und zu gefährlichem Zeitverzug oder Unterlassung wichtiger therapeutischer Maßnahmen führt. Nichtsdestotrotz bleibt die ärztliche Leitung des Diabetesteams in der Pflicht die Kompetenzen der Berater:inenn regelmässig zu überprüfen.

Sinnvoll für Notaufnahme

Bei der Anordnung von Insulinen ist ein Link zu Handlungsempfehlungen (SOP) unmittelbar neben der Eingabemaske aufrufbar, der ein einfaches Schema zu Beginn oder Anpassung einer ICT aufzeigt. Dies ist insbesondere für die Notaufnahme der Klinik in der Erstversorgung sinnvoll. Die vollständige Digitalisierung hat bislang in unserer Klinik subjektiv zu einer Verbesserung der Arbeitsabläufe und Ergebnisse diabetologischer Prozesse geführt. Grundsätzlich könnten ähnliche Ansätze zu telemedizinischen Konsultationen zwischen Kliniken genutzt werden. Eine Auswertung glukometrischer Daten zur Überprüfung dieser Hypothese und Bewertung der Patientensicherheit als Zielparameter ist geplant. Offen ist nach wie vor die Integration von mitgebrachten diabetologischen Hilfsmitteln in das KIS (Glukosesensoren, Pumpen) und die juristische Einschätzung zum Betreiberstatus von Patienten und Klinikpersonal im Umgang mit diesen Hilfsmitteln. Diese Hürden werden nur die Anbieter dieser Geräte in Kooperation mit den Herstellern der KIS abbauen können. Es ist höchste Zeit.

Titelthema: Digitalisierung im Krankenhaus
Die Digitalisierung der Diabetologie im Klinikalltag hat noch einen weiten Weg vor sich. Während im ambulanten Bereich verschiedenste technische Hilfsmittel von den Patienten selbständig gesteuert werden, so ist dies im Krankenhaus im Bereich der Diabetestherapie noch eher die Ausnahme. Insbesondere die Integrierung der Informationen dieser Hilfsmittel in die Patientenakte, das sogenannte KIS (Krankenhausinformationssystem) steht vor erheblichen Hürden. Daten aus Glukosesensoren, Insulinpumpen oder Smart Pen‘s können bislang nicht oder nur mit hohem Aufwand übernommen werden. Erste Schritte in Richtung einer digitalen Diabetestherapie und deren Vorteile werden in der Abbildung komplexer diabetologischer Informationen im KIS aber bereits heute erkennbar. In diesem Schwerpunkt zeigen wir Lösungsansätze aus verschiedenen Versorgungsebenen, von der Uniklinik bis zum regionalen Krankenhaus, die allesamt durch Eigeninitiative der Kliniken entstanden sind.

Schwerpunkt Klinikdigitalisierung

Autor:
© privat
Dr. Bernd Liesenfeld
Chefredakteur


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (10) Seite 10-13