Das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) stellt einen wesentlichen Fortschritt in der Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus dar (1). CGM bietet Patienten mit Diabetes mellitus detaillierte Informationen über die aktuelle Glukosekonzentration und den -trend. Alarmfunktionen ermöglichen, sich anbahnende Hypo- wie auch Hyperglykämien im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden.

Darüber hinaus erlaubt CGM ein weitergehendes Verständnis für die Auswirkung und tagesabhängige Einflüsse von z. B. Nahrungsmitteln, Insulin und körperlicher Aktivität auf den Glukoseverlauf. Die in den letzten 15 Jahren seit der Markteinführung der ersten CGM-Systeme zu verzeichnenden sukzessiven Verbesserungen in der Glukose-Sensor-Technologie ermöglichen bei einer großen Zahl der Anwender eine Stoffwechseloptimierung und Stabilisierung. Dadurch ist der Alltag mit Diabetes besser beherrschbar.

Bedeutung von CGM in der Diabetestherapie

Eine Reihe von Untersuchungen belegt, dass trotz einiger Probleme (z. B. Ausfälle der Kommunikation zwischen Sensor und Anzeigeeinheit, unzureichende analytische Messgenauigkeit und "Alarmmüdigkeit") (4 – 6) die Erfahrungen von CGM-Nutzern ausgesprochen positiv sind: reduzierte Glukoseschwankungen, verbessertes Ernährungs- und Bewegungsmanagement, verbesserte Lebensqualität hinsichtlich körperlichen und seelischen Wohlbefindens sowie reduzierte Blutzuckermessfrequenz, Hypoglykämierate und Ängste vor nächtlichen Hypoglykämien (7 – 10). Neben diesen aus Patientensicht hochrelevanten Aspekten sind aus medizinischer Sicht eine Reduktion von Hypoglykämien sowie eine Verbesserung des HbA1c von Relevanz (11 – 15). Ob die Reduktion der Glukosevariabilität nachweislich zu einer Verringerung im Risiko des Auftretens diabetischer Folgeerkrankungen führt, wird erst durch zukünftige Langzeitstudien nachweisbar sein. Experimentelle Modelle deuten auf einen Zusammenhang zwischen Nutzung von CGM und der Reduktion von Folgeerkrankungen hin (16).

Auch bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich in den neueren Studien mit weiterentwickelten CGM-Systemen und Sensoren ein positiver Einfluss auf die Stoffwechsellage, gemessen am HbA1c-Wert (13). Sensorunterstützte Pumpentherapie ab der Diabetesmanifestation kann zu einer besseren Langzeiteinstellung führen und die endogene Betazellfunktion erhalten (18). Kinder mit mehr als 70 % Sensornutzung haben signifikant weniger Schulausfallstage und keine zusätzliche Belastung durch das Tragen eines CGM-Systems (9). In einer Studie mit jungen Kindern zwischen 4 und 9 Jahren verbesserte CGM als Ergänzung zu CSII (continuous subcutaneous insulin infusion, Insulinpumpentherapie) oder ICT (intensivierte konventionelle Insulintherapie) den HbA1c-Wert zwar nicht signifikant, die Therapiezufriedenheit der Eltern mit CGM war dabei aber hoch als Zeichen einer verbesserten Lebensqualität. Die fehlende HbA1c-Verbesserung in der Interventionsgruppe führen die Autoren u. a. auf weiterbestehende Ängste der Eltern vor Hypoglykämien und zu hohe Zielbereiche für die Therapieanpassung bei den jungen Kindern zurück (19, 20).

Bedarf an einer strukturierten CGM-Schulung

Die Patienten können das Potential einer sensorunterstützten intensivierten Insulintherapie (ICT; sensorunterstützte Therapie, SuT) bzw. sensorunterstützten Insulinpumpentherapie (SuP) nur dann ausschöpfen, wenn die angezeigten Informationen zum Glukoseverlauf optimal und unmittelbar zu Therapieanpassungen genutzt werden und die Alarmeinstellungen individuell adäquat angepasst werden. Das alleinige Aushändigen eines CGM-Systems ohne spezialisierte Schulung und fachmännisches Coaching führt in der Regel nicht zur gewünschten Verbesserung der Stoffwechseleinstellung (2, 3).

Patienten benötigen eine Vielzahl von Informationen und Fertigkeiten, um das Potential von CGM auszuschöpfen und um potentielle negative Aspekte von CGM wie Überkorrekturen zu vermeiden. Derzeit werden diese Leistungen meist im Rahmen von individuellen und oft unstrukturierten Einzelberatungen vermittelt, die jedoch kein Äquivalent für strukturierte Schulung sein können (17). Eine strukturierte Schulung wird nicht nur zu Beginn der CGM benötigt, sondern auch im weiteren Verlauf der CGM-Nutzung, wenn die Patienten mit ihrem CGM-System nicht zurechtkommen oder die Therapieziele verfehlt werden.

Ziele bei der Entwicklung eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms

Zwei Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie (AGDT) und die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie (AGPD), haben diesen Bedarf erkannt und ein herstellerunabhängiges CGM-Schulungs- und Behandlungsprogramm entwickelt. Ziel der Zusammenarbeit war es, ein Schulungs- und Behandlungsprogramm zu entwickeln,

  • das einen hohen Qualitätsstandard bei der CGM-Nutzung sichert,
  • das für Patienten aller Altersgruppen zielgruppenspezifisch angepasst ist,
  • das für alle CGM-Systeme und Insulintherapieformen anwendbar ist und
  • das herstellerneutral und -unabhängig und damit zertifizierbar ist.

Sollte das Schulungs- und Behandlungsprogramm erfolgreich evaluiert werden, kann perspektivisch eine Vergütung für die Durchführung dieses Programms durch die Kostenträger erreicht werden. Die wäre für die Akzeptanz und Nutzung von CGM durch größere Patientengruppen ein wichtiger Schritt.

Elemente einer strukturierten CGM-Schulung

Um das Potential des CGM ausschöpfen zu können, müssen die Patienten in die Lage versetzt werden, diese Technologie sicher und effektiv einzusetzen; dazu bedarf es eines guten Verständnisses von diversen physiologischen und technischen Aspekten (2). Die wichtigsten Ziele des Schulungs- und Behandlungsprogramms sind:

  • Unterstützung bei der Verbesserung der Lebensqualität und somatischer Parameter durch die Nutzung des CGM-Systems,
  • Motivation und Empowerment bei der Nutzung der neuen Therapieform,
  • Hilfe bei der kognitiven und emotionalen Bewältigung der "Datenflut",
  • Entwicklung von Problemlösefertigkeiten z. B. zur Vermeidung von Hypoglykämien und hohen postprandialen Exkursionen oder zur sicheren Korrektur erhöhter Glukosewerte im Alltag,
  • Stärkung der individuellen Entscheidungsfähigkeit bei der Interpretation der aktuellen und gespeicherten CGM-Daten und bei der Anpassung der Alarmeinstellungen im Alltag,
  • Entwicklung von Fertigkeiten zur optimalen Kalibrierung der Geräte.

Zusammenarbeit von zwei Arbeitsgemeinschaften der DDG

Im Jahr 2012 beschloss die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie (AGDT) die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die ein solches CGM-Schulungsprogramm erarbeiten sollte. Diese Gruppe besteht aus ca. 20 Diabetesberaterinnen, Diabetologen und Psychologen. Die Mitglieder dieser Gruppe haben aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln intensive CGM-Erfahrungen, gerade auch aus der ambulanten und stationären Nutzung heraus (siehe Kasten). In der ersten Entwicklungsphase wurden Vertreter der Herstellerunternehmen bei technischen Aspekten beratend hinzugezogen.

Zur selben Zeit hatte eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie (AGPD) begonnen, ein CGM-Schulungs- und Behandlungsprogramm zu entwickeln. Um gemeinsam ein solches Programm für alle Altersgruppen und multiprofessionell zu erarbeiten, wurden beide Aktivitäten zusammengeführt. Auf Basis des Foliensatzes der Erwachsenen-Version erarbeitete die Arbeitsgruppe der AGPD bezüglich Inhalten und Ansprache angepasste Foliensätze für zwei pädiatrische Zielgruppen, nämlich für Eltern von jüngeren Kindern und für Jugendliche mit Typ-1-Diabetes (siehe Kasten).

Für alle drei Versionen wurden gesonderte Curricula verfasst, die auch weniger CGM-erfahrene Schulungszentren in die Lage versetzen sollen, eine umfassende CGM-Schulung anzubieten.

Das Programm erhielt den Namen SPECTRUM. Das Akronym steht für "Schulungs- und Behandlungsprogramm für eigenständiges continuierliches Glucose-Monitoring" (Abbildungen 1 und 2).

Die Entwicklung des Schulungsprogramms erfolgte fast ausschließlich ehrenamtlich. Produktion und Vertrieb von SPECTRUM erfolgen durch den auf Patientenschulung spezialisierten Kirchheim-Verlag, Mainz.