Neuers Konzept Der VDBD hatte letztens das Vergnügen, mit Harald Stäblein, Diabetesberater und ehemaliger Schatzmeister des VDBD, sowie seinem Kollegen Mario Dietz, Diabetesberater und Study Nurse, ein Gespräch über das innovative Lebens- und Arbeitskonzept der beiden zu führen.

Harald Stäblein und Mario Dietz arbeiten in einer Diabetologischen Schwerpunktpraxis in Hof in Bayern, aber ihre Familien bzw. ihr Hauptwohnsitz befindet sich jeweils ca. 200 km entfernt. Wie und warum die beiden sich damit arrangiert haben und welche neuen Wege sie dabei gehen, haben sie uns im Gespräch verraten.

Zuerst möchte ich Ihnen beiden danken, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit uns über Ihr interessantes Wohn- und Arbeitskonzept zu sprechen. Und nun interessiert uns natürlich, wie Sie beide sich eigentlich kennengelernt haben. Arbeiten Sie schon lange zusammen?

Stäblein: Wir kennen uns schon seit über 20 Jahren. Wir haben beide als Diabetesberater angefangen, was damals recht ungewöhnlich für Männer war. Die meisten Diabetesberater waren und sind Frauen. Aber wir hatten das Glück, dass wir in unserer Gegend, also in Unterfranken, vier Männer waren, die denselben Beruf hatten. Wir haben dann sogar einen Diabetesberater-Stammtisch gegründet – nur für Männer. Das war eine lustige Zeit.

Steckbriefe


© Praxis Mesut Durmaz

Harald Stäblein
Ausbildung:
  • - Examinierter Krankenpfleger
  • - Staatliche Berufsfachschule für Krankenpflege Bad Neustadt Saale
  • - Diätassistent
  • - Diabetesberater DDG
  • - Medizinprodukteberater (2006)

Tätigkeiten:
  • - seit 1993: Diabetesberater DDG
  • - seit 2009: Praxis Mesut Durmaz, Hof
  • - freiberufliche Tätigkeiten, CSII-Einweisungen, Referententätigkeiten mit Schwerpunkt AID und CSII


© Praxis Mesut Durmaz

Mario Dietz
Ausbildung:
  • - Examinierter Krankenpfleger
  • - Staatliche Berufsfachschule für Krankenpflege Bad Neustadt Saale (1993-1996)
  • - Diabetesberater DDG
  • - Diabetesklinik Bad Mergentheim (2002-2003)
  • - Medizinprodukteberater (2003)
  • - Weiterbildung zur Study Nurse (2023)

Tätigkeiten:
  • - seit 2003: Diabetesberater DDG
  • - seit 2020: Praxis Mesut Durmaz, Hof
  • - freiberufliche Tätigkeiten, CSII-Einweisungen, Referententätigkeiten mit Schwerpunkt AID und CGM

Und dann haben Sie nach vielen Jahren beschlossen, wieder zusammenzuarbeiten?

Dietz: Ja, genau. Ich war zwischenzeitlich im Außendienst tätig, aber vor vier Jahren bin ich dann zurückgekommen und in die Praxis eingestiegen, in der Harald schon tätig war. Und da wir beide eben von weit wegkommen, war irgendwann klar, dass wir eine Lösung finden müssen, um nicht immer im Hotel zu sein.

Sie arbeiten unter der Woche in Hof und leben dabei seit ca. einem Jahr in einem Tiny House. Das klingt spannend! Können Sie uns ein wenig mehr darüber erzählen, wie es dazu gekommen ist?

Stäblein: Unser jeweiliger Hauptwohnsitz ist ungefähr 200 km von unserem Arbeitsort entfernt. Eine ganze Weile lang haben wir deshalb jede Woche im Hotel gewohnt, was für uns auf Dauer keine Lösung war. Wenn man die Woche über weg von der Familie ist, möchte man wenigstens nach der Arbeit einen Ort haben, der sich heimisch anfühlt. Das ist in einem Hotel schwer zu erreichen und so sind wir auf die Idee mit dem Tiny House gekommen.

Dietz: Es ist sogar ein Doppel-Tiny-House, also zwei Häuser auf einem Grundstück. Jeder von uns hat sein eigenes kleines Häuschen. In der Woche sind wir hier, um zu arbeiten und am Wochenende fährt jeder zurück zu seiner Familie.

Diabetologische Schwerpunktpraxis in Hof: https://www.durmaz-hof.de/praxis/

Wie teilt sich Ihre Woche nun auf? Wie viele Tage sind Sie in Hof und wie viele Tage verbringen Sie bei Ihren Familien?

Dietz: Meistens arbeiten wir von Dienstag bis Freitag. Wir reisen Dienstagmorgen nach Hof und fahren freitags nach der Arbeit wieder nach Hause.

Und warum heißt es eigentlich "Tiny"? Wie klein ist es denn wirklich und wie fühlt es sich an, so zu leben?

Stäblein: Der Begriff "Tiny House" kommt daher, dass es wirklich sehr klein ist im Vergleich zu einem normalen Haus. Unser Tiny House hat jeweils ca. 25 Quadratmeter. Es ist ein sehr kompaktes, aber durchdachtes Design. Wir haben alles, was wir brauchen, auf kleinstem Raum untergebracht. Es ist aus Holz gebaut und ein Fertighaus, das wir an einem Tag aufstellen konnten.

Dietz: Es ist erstaunlich, wie schnell man sich daran gewöhnt. Am Anfang denkt man vielleicht, dass es zu eng ist, aber wenn man einmal drin wohnt, merkt man, dass es völlig ausreicht. Es gibt genug Platz für alles, was man braucht, und man lernt, sich auf das Wesentliche zu reduzieren. Das schafft auch eine gewisse Klarheit im Kopf.

Was sind die größten Vorteile und vielleicht auch die größten Herausforderungen?

Stäblein: Ein großer Vorteil ist sicherlich die Einfachheit. Man hat weniger Besitz, also weniger, worum man sich kümmern muss. Das Leben wird dadurch entschleunigt. Man hat alles an einem Ort und muss sich nicht ständig an neue Umgebungen anpassen, wie das im Hotel der Fall war.

Dietz: Aber es gibt natürlich auch Herausforderungen. Der Platz ist begrenzt und man muss gut organisiert sein. Jeder Gegenstand braucht seinen festen Platz, sonst entsteht schnell Chaos. Es ist ein Lebensstil, der sich auf das Wesentliche konzentriert.

Würden Sie sagen, dass das Leben im Tiny House auch eine nachhaltigere Lebensweise ist?

Stäblein: Auf jeden Fall. Man verbraucht weniger Energie, einfach weil der Platz kleiner ist und man weniger heizen oder kühlen muss. Auch der Ressourcenverbrauch ist geringer, da man weniger Besitz hat und sich bewusster für Dinge entscheidet, die man wirklich braucht. Es ist definitiv ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Nutzen Sie das Tiny House auch für Schulungszwecke?

Stäblein: Wir hatte ursprünglich die Idee, auch einen separaten und von den Wohnungen getrennten Schulungsraum zu integrieren. Dies war finanziell leider nicht machbar. Trotzdem sind wir technisch so ausgestattet, dass wir uns von dort aus in die Praxis einloggen können, um administrativ zu arbeiten – Fernzugriff quasi.

Können Sie uns mehr zu Ihrer Arbeit in der Diabetologischen Schwerpunktpraxis erzählen?

Stäblein: Wir sind drei Ärzte und drei Diabetesberater und wir betreuen täglich zwischen 180 und 200 Patientinnen und Patienten in der Praxis.

Dietz: Wir arbeiten dabei als Team und jeder übernimmt die nächste Patientin oder den nächsten Patienten, der im Wartezimmer wartet. Wir sind alle dahingehend geschult, um alle Patientinnen und Patienten optimal zu betreuen.

Was sind Ihre Schwerpunkte, die Sie mit Ihrer Beratung abdecken?

Stäblein: Unser Fokus liegt auf der Digitalisierung in der Diabetesversorgung. Bei uns ist alles digital vernetzt und wir betreuen inzwischen über 400 Insulinpumpenträger. Wir führen auch regelmäßig Gruppenschulungen durch, damit die Patientinnen und Patienten umfassend informiert und betreut werden.

Nutzen Sie dabei auch digitale Lösungen in diesen Schulungen?

Stäblein: Auf jeden Fall. Wir beginnen jede Schulung mit einem TED-System. Das heißt, die Patientinnen und Patienten bekommen Fragen gestellt und können mit Drückern antworten. Es ist ein bisschen wie bei "Wer wird Millionär?" Das kommt gut an und motiviert die Patientinnen und Patienten.

Eine innovative Methode, um den Wissenserwerb zu messen. Haben Sie jemals Online-Schulungen in Betracht gezogen?

Dietz: Während der Corona-Pandemie haben wir es mit Online-Schulungen versucht, aber das Feedback war gemischt. Es gab oft technische Probleme, die den Ablauf gestört haben. Wir bevorzugen daher Präsenzschulungen, haben aber auch einige digitale Lösungen entwickelt, wie zum Beispiel Online-Sprechstunden.

Welche Art von Sprechstunden bieten Sie online an?

Dietz: Besonders bei schwangeren Patientinnen oder bei Menschen, die weiter entfernt wohnen bieten wir Online-Termine an. Die Patientinnen und Patienten können ihre Werte über eine Plattform mit uns teilen, und wir besprechen dann die Ergebnisse und den weiteren Verlauf.

Denken Sie darüber nach, in Zukunft Online-Schulungen weiter auszubauen?

Stäblein: Ja, das tun wir. Wir planen derzeit, eine digitale Schulung aufzubauen. Es gibt bereits Programme im Kardiobereich und wir möchten ein ähnliches Konzept für die Diabetesversorgung entwickeln. Dafür werden wir unser Equipment entsprechend aufrüsten.

Seminarprogramm 2025 der VDBD AKADEMIE
Am 15. Januar 2025 wird das Fortbildungsprogramm der VDBD AKADEMIE freigeschaltet. Freuen Sie sich auf ein vielfältiges Programm und tragen Sie den Tag schon heute in Ihren Kalender ein.

Sie sprachen über die Herausforderungen, speziell im ländlichen Raum. Wie wirkt sich das auf Ihre Praxis und die Patientinnen und Patienten aus?

Stäblein: Der ländliche Raum ist unterversorgt. Viele Patientinnen und Patienten müssen weite Strecken zurücklegen, um zu uns zu kommen, da es in den umliegenden Gebieten kaum Diabetologen gibt. Daher haben wir auch viele Patientinnen und Patienten aus angrenzenden Bundesländern wie Sachsen und Thüringen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Praxis fit für die Zukunft ist und bleibt?

Dietz: Wir möchten weiterhin innovative Lösungen anbieten und die Digitalisierung vorantreiben. Besonders im ländlichen Raum ist es wichtig, dass wir die Versorgung sicherstellen und ausbauen. Unser Ziel ist es, unseren Patientinnen und Patienten eine möglichst umfassende und moderne Betreuung zu bieten.

Kommen wir nochmal zurück, zu dem Tiny House. Würden Sie anderen Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, das Leben im Tiny House empfehlen?

Stäblein: Auf jeden Fall. Wenn man, wie wir, viel unterwegs ist und eine Möglichkeit sucht, sich dennoch ein Stück Zuhause zu schaffen, ist das Tiny House eine tolle Lösung. Man muss allerdings wissen, dass es eine sehr spezielle Lebensweise ist und nicht für jeden passt.

Dietz: Genau. Es erfordert eine gewisse Offenheit und Anpassungsfähigkeit. Aber wenn man bereit ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und einen minimalistischen Lebensstil zu pflegen, dann kann es eine sehr bereichernde Erfahrung
sein.

Vielen Dank für dieses interessante Gespräch!

Interview: VDBD


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Referentin der Geschäftsführung
Redakteurin Online/Print
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (12) Seite 44-46