Die Arbeit der AG Diabetes, Umwelt und Klima der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) ist bedeutungsvoll und wird vom VDBD unterstützt. Ria Grosse hat mit Dr. Sebastian Petry gesprochen.
Das Gesundheitswesen trägt weltweit zu 5% der CO2-Emissionen bei, während Klima und Umwelt direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Ein ungesunder Lebensstil, der die Entstehung von Diabetes fördert, verstärkt wiederum die Belastung des Klimas. Die DDG hat daher die AG Diabetes, Umwelt und Klima ins Leben gerufen, um sich aktiv damit auseinander zu setzen, wie die Diabetologie ökologisch nachhaltiger werden kann, ein Thema, welches auch dem VDBD am Herzen liegt und das wir unterstützen möchten. Daher haben wir Dr. Sebastian Petry, Sprecher der AG Diabetes, Umwelt & Klima, gebeten, uns und unseren Mitgliedern einen Einblick in die Ideen der AG zu gewähren und herauszufinden, welche Rolle die Diabetesfachkräfte beim Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielen können.
Dr. med. Sebastian Petry
Internist, Endokrinologe, Diabetologe (DDG)
Oberarzt der Medizinischen Klinik und Poliklinik 3,
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen
Sprecher der AG Diabetes, Umwelt & Klima der DDG
sebastian.petry@innere.med.uni-giessen.de
Vita
Dr. med. Sebastian Petry absolvierte von 2007 bis 2014 sein Studium der Humanmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. 2015 folgte die Promotion zum Dr. med. in der Klinischen Forschungseinheit und AG Experimentelle Diabetologie und Inselzellbiologie. Danach folgte die Facharztweiterbildung zum Internisten (2019) und Endokrinologen (2022) im Zentrum für Innere Medizin des Uniklinikums Gießen. Dr. Petry ist seit 2023 Leiter der Klinischen Forschungseinheit der Medizinischen Klinik 3. Neben seiner klinischen Tätigkeit engagiert es sich als Sprecher für die AG Diabetes, Umwelt & Klima der DDG.
Seit wann gibt es die AG Diabetes, Umwelt & Klima und was war die Intention, diese zu gründen?
Die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt & Klima wurde im Rahmen der Strategietagung im November 2023 gegründet. Bisher gab es keine Organisation, welche sich mit dieser Thematik – gezielt für die Diabetologie - befasst. Diese Lücke wollten wir schließen.
Was ist das Hauptanliegen der AG und wie kommunizieren Sie diese nach außen?
Ziel ist es, die Diabetologie für die künftigen Herausforderungen durch die Klimakrise und der Notwendigkeit von Ressourcenoptimierung zum Schutz der Umwelt zu positionieren und die Versorgung von Menschen mit Diabetes zu sichern.
Sie haben verschiedene Handlungsfelder identifiziert. Können Sie diese kurz näher skizzieren?
Das Hauptthemenfeld ist jenes von Diabetologie und Gesundheit. Hier geht es um die Einflüsse von klimatischen Veränderungen, Extremwetterereignissen, z.B. Hitzewellen, auf Menschen mit Diabetes und ihre Hilfsmittel und Pharmaka, und sich dafür zu wappnen. Ein weiteres Themenfeld ist jenes der Ressourcen. Im Rahmen der antidiabetischen Therapie entsteht zwangsläufig viel Abfall. Weder Menschen mit Diabetes noch ihre Diabetes-Teams können wesentlichen Einfluss hierauf nehmen. Wir möchten gemeinsam und im konstruktiven Austausch mit der Industrie Möglichkeiten von Ressourcenoptimierung finden. So sollten beispielsweise – wo möglich und medizinisch vertretbar – mehrfach verwendbare Hilfsmittel statt Einmalprodukte zur Anwendung kommen, Verpackungsmaterial reduziert und Hilfen zur korrekten Entsorgung gegeben werden.
Darüber hinaus treten wir für die Kommunikation des Querschnittthemas Diabetes, Umwelt und Klima ein, z.B. im Rahmen von Symposien auf Diabeteskongressen in Kooperation mit anderen AGs wie der AG Nachwuchs oder der ABDA, oder Presseartikeln, Workshops, etc. Eine nationale und eventuell internationale Vernetzung unserer Ideen und Pläne wird angestrebt. In dieses Feld gehört auch die Vermittlung relevanter Inhalte im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von Diabetesfachkräften.
Sie beschäftigen sich mit der zentralen Frage, wie in der Diabetologie Klimaschutz unterstützt und ressourcenbewusstes Handeln umgesetzt werden kann. Welche Rolle spielen in Ihren Augen dabei die Diabetesfachkräfte?
Die Diabetesfachkräfte spielen eine essenzielle Rolle. Über ihren engen Kontakt mit Menschen mit Diabetes kennen Sie die Sorgen und Nöte der durch sie betreuten Menschen mit Diabetes und nehmen die Funktion wichtiger Multiplikatoren ein. Dies bezieht sich sowohl auf die Kommunikation der Thematik als auch auf die Edukation, z.B. die Unterstützung und praktische Anleitung von Menschen mit Diabetes beim Umgang mit z.B. Hitzewellen. Auch können sie anhand ihrer täglichen Erfahrungen mitunter wertvolle Tipps geben, wie sich Praxis- oder Klinikabläufe nachhaltiger gestalten lassen. Wir möchten mit den Diabetesfachkräften aktiv zusammenarbeiten. Auf unserer Website finden sie beispielsweise eine erste Expert:innen-Empfehlung zum Umgang mit Hitze, welche sie weiterverwenden und verteilen können.
In welcher Rolle sieht die AG Diabetes, Umwelt & Klima dabei die Patient:innen mit Diabetes?Aus persönlicher Erfahrung sowie entsprechender Datenerhebung scheint es so, dass die Thematik Umwelt und Nachhaltigkeit für viele Menschen mit Diabetes eine enorme Bedeutung hat. Es besteht die klare Bereitschaft, zu mehr Umweltschutz und Ressourcenoptimierung beizutragen. Aktuell sind die Möglichkeiten aus o.g. Gründen jedoch limitiert. Jede betroffene Person kann aber z.B. darauf achten, die im Rahmen ihrer Therapie entstehenden Abfälle korrekt zu trennen und zu entsorgen – hier muss ggf. mit den lokalen Entsorgern die gewünschte Entsorgung von den teils komplexen Hilfsmitteln geklärt werden. Hilfe bieten z.B. die Websites https://www.arzneimittelentsorgung.de und https://entsorgungsstellen.e-schrott-entsorgen.org. Auch sind auf unserer Website https://www.ddg.info/die-ddg/gremien-der-ddg/netzwerk-nachhaltigkeit-der-ddg gratis Kurzanleitungen zur Entsorgung zu finden. Diese sollten verbreitet und verteilt werden.
Wie können die Diabetesfachkräfte im Rahmen der Diabetologie mittel- und langfristig konkret dazu beitragen, damit Umwelt und Klima besser geschützt werden?
Insbesondere durch Schulung, Beratung und Coaching haben die Diabetesfachkräfte eine grundlegende Rolle in der Versorgung von Menschen mit Diabetes. Viele der Inhalte drehen sich um einen gesunden Lebensstil, also ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung und Stressbewältigung, aber auch umgekehrt das Meiden von schädlichen Verhaltensweisen. Getreu dem Motto "Gesundheitsschutz ist auch Umweltschutz" sind viele Empfehlungen nicht nur gut für die individuelle Gesundheit und das Wohlbefinden, sondern auch umweltfreundlich, z.B. die Bewältigung von Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad anstatt mit dem Auto oder die Reduktion des Genusses von tierischen Produkten zugunsten von pflanzlichen. Folglich tragen sie bereits viel zu Gesundheits- und Umweltschutz bei! In Zukunft können sie als wichtige Multiplikatoren zur Kommunikation neuer Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen beitragen – auch im Rahmen der Aus- und Weiterbildung bzw. der Erarbeitung entsprechender Curricula.
Der VDBD bedankt sich herzlich für das Gespräch und die spannenden Informationen und wünscht der AG Diabetes, Umwelt & Klima im Interesse aller viel Erfolg bei der Umsetzung ihrer Ziele.
Interview: Ria Grosse
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (9) Seite 40-41