Ihre Weiterbildung zur Diabetesberaterin DDG absolvierte Kathrin Boehm bereits 1993/94, aber noch immer brennt sie für diesen Beruf. Warum das so ist, was sie begeistert und was die gebürtige Baden-Württembergerin überhaupt zur Diabetesberatung gebracht hat, wollten wir im Interview mit ihr erfahren.

Kathrin, Du warst Mitte Zwanzig, als Du die Weiterbildung zur Diabetesberater:in begonnen hast. Wer oder was hat Dich damals inspiriert, Dich beruflich zu verändern und in die Betreuung von Diabetespatient:innen einzusteigen?

Als Diätassistentin kam ich 1990 mit dem ersten Schulungsprogramm für Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Insulin in Kontakt und hatte die Möglichkeit, in Erlangen auf der Diabetesstation bei Prof. Sailer zu hospitieren. Das Aufgabenfeld der beiden Diabetesberaterinnen hat mich total fasziniert. Hier erlebte ich erstmalig interdisziplinäre Teamarbeit und was es bedeutet, selbstständig Beratungen und Schulungen zu organisieren und durchzuführen. Vor dem Start der Weiterbildung musste ich allerdings erst noch zwei Jahre Berufserfahrung in einer Diabeteseinrichtung nachweisen. Damals gab davon nur wenige und so landete ich in der Diabetes-Klinik in Bad Mergentheim. 1993 konnte ich dann im Kurs 11 starten – übrigens im Oktober 2023 startet Kurs 250.

Gab es Momente, in denen Du Deine Entscheidung bereut hast?

Nein nie, aber es gab Momente, in denen ich mich fragte, was kommt noch? Welche Herausforderung gibt es? Das Prinzip "Lebenslanges Lernen" treibt mich dabei an. Mit jedem neuen Wissen und jeder neuen Fertigkeit, die wir erlernen, entwickeln wir uns nicht nur fachlich, sondern auch persönlich weiter. Mit jeder Fortbildung habe ich wieder einen Kick bekommen, das zu lieben, was ich aktuell tue. Mein Schwerpunkt liegt jetzt in der Weiterbildung von Diabetesberater:innen und dieses Credo versuche ich, den Teilnehmer:innen zu vermitteln.

Mich begeistert nach zwanzig Jahren immer noch, die Teilnehmer:innen über ein Jahr in der Weiterbildung zu begleiten und dabei zu beobachten, wie sie sich fachlich und persönlich weiterentwickeln.

Was fasziniert Dich so an der Diabetesberatung? Was macht den Job hip?

Diabetes mellitus hat viele Gesichter, vom Kleinkind bis hin zu geriatrischen Patient:innen und deren Bezugspersonen. Diese unterschiedlichen Menschen und ihre persönlichen Geschichten machen unser Aufgabenfeld in den unterschiedlichsten Settings so interessant. Jedes Gespräch, jede Schulung ist eine neue Herausforderung. Diabetes mellitus ist eine Erkrankung, bei der ich als Diabetesberaterin zu jedem Zeitpunkt Einfluss nehmen kann, Patient:innen im Selbstmanagement zu unterstützen. Das ist eine große Verantwortung und erfordert nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch wichtige Soft Skills. Es hat etwas sehr Sinnstiftendes, zu erleben, dass ein Mensch mir sein Vertrauen schenkt, um von mir das Knowhow für den Umgang mit seiner chronischen Erkrankung zu erlernen.

Auch der VDBD begeht in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen, und Du engagierst Dich berufspolitisch im Vorstand. Was bedeutet Dir das?

Mit dem Beginn meiner Weiterbildung habe ich zeitgleich die Vorstandsarbeit rund um die Pionierinnen Brigitte Osterbrink, Annegret Lütke Twenhöven und Bettina Brandner aus dem 1. Diabetesberaterkurs DDG verfolgt. Alle drei waren Mitglieder des jetzigen DDG-Ausschusses "Qualitätssicherung, Schulung und Weiterbildung" - damals "Ausschuss Laienarbeit" - und haben das Berufsbild "Diabetesberater:in DDG" geprägt. Sie waren gleichermaßen Vorbilder und Mentorinnen für mich. Vorstandarbeit bedeutet mitzugestalten, Einfluss zu nehmen auf berufspolitische Entwicklungen und das Berufsbild weiterzuentwickeln. Meine unterschiedlichen Rollen als berufsfachliche Leitung der Weiterbildung und Mitglied im DDG-Ausschuss "Qualitätssicherung, Schulung und Weiterbildung" sind dabei sehr nützlich. Mir ist es wichtig, dass wir als Berufsverband auch eine Schnittstelle zu den Weiterbildungsstätten und den Gremien der DDG pflegen.

In den fünf Jahren meiner Vorstandstätigkeit gab es viele interessante Veranstaltungen und Begegnungen. Wir sind als VDBD im regelmäßigen Austausch mit anderen Verbänden und der Fachgesellschaft. Hierbei entstand unter anderem gemeinsam die Broschüre zu den Rahmenempfehlungen für delegierbare ärztliche Tätigkeiten in der Diabetologie.

Und nicht zu vergessen, die professionelle Zusammenarbeit mit dem Team der VDBD-Geschäftsstelle in Berlin macht einfach Spaß!

Inwiefern hat sich das Berufsbild der Diabetesberatung in den 30 Jahren verändert?

In den Weiterbildungskursen hat sich das Handlungsfeld der Teilnehmer:innen gewandelt, vom anfänglich stationären Setting vermehrt hin zum ambulanten Setting. Dabei gewinnt die interprofessionelle Zusammenarbeit immer mehr an Bedeutung, um eine bestmögliche Versorgungsqualität von Menschen mit Diabetes zu erreichen. Nicht zuletzt durch den ständigen Anstieg der Diabetesinzidenz und der Weiterentwicklung von Therapiemöglichkeiten sind Diabetesberater:innen stets gefordert. Die rasante Entwicklung der Diabetestechnologie verändert die Beratungs -und Schulungsanforderungen. Bei der Einführung der AID-Systeme waren Diabetesfachkräfte plötzlich nicht mehr "Experte" sondern lernten zeitgleich mit den Patient:innen die Funktionen der neuen Devices. In der Pandemie mussten Diabetesfachkräfte sich schnellstmöglich digitale Kompetenzen für Videoschulung und Telefonberatungen aneignen. Von ehemaligen überwiegenden Schulungsprofis werden Diabetesberater:innen jetzt immer mehr zum Therapiebegleiter.

Und was ist Deiner Meinung nach die größte Herausforderung in den nächsten fünf Jahren?

Oh, da gibt es viele! Zunächst sind wir DDG-Weiterbildungsstätten gerade dabei, die Weiterbildung in ein Blended Learning-Konzept zu modernisieren, um damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Teilnehmer:innen zu schaffen. Gleichzeitig soll die DDG-Weiterbildung konkurrenzfähig mit anderen Aus- und Weiterbildungskonzepten werden.

Diabetesberater:innen benötigen in der Zukunft (noch) mehr telemedizinische Kompetenzen. Sei es durch die Einführung der elektronischen Patientenakte, Videosprechstunden oder neue Tätigkeitsfelder durch die Krankenhausreform.

Meine Vision oder mein Wunsch ans Universum, Deutschland benötigt ein Bundesweiterbildungsgesetz! Solange Weiterbildung in der Verantwortung der Länder ist, gibt es keine staatliche Anerkennung von Weiterbildungen und Weiterbildungsberufen.

Dein Tipp für junge Kolleginnen?

"In Dir muss brennen, was Du bei anderen entzünden möchtest" (Aurelius). Immer am Ball und begeisterungsfähig bleiben. Dabei hilft kontinuierliche fachliche Fortbildung, aber sich ab und an selbst hinterfragen. Was kann ich, was will ich, wie möchte ich mich persönlich weiterentwickeln und was benötige ich dafür? Jede Fort- und Weiterbildung ist eine Investition in mich selbst!

Liebe Kathrin, vielen Dank für das Gespräch und diese spannenden Einblicke!


Autor:
Dr. Gottlobe Fabisch
Geschäftsführerin VDBD e.V. und VDBD AKADEMIE GmbH


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (6) Seite 44-45