Am 9. Mai 2024 hat sich der VDBD-Vorstand in Teilen neu formiert und die ehemalige stellvertretende Vorsitzende Kathrin Boehm hat das Amt des Vorsitzes übernommen. Wir wollten mehr über ihre Ziele und Motivationen im Rahmen ihrer neuen Position im VDBD-Vorstand erfahren und haben daher bei ihr nachgefragt.

Liebe Kathrin,
herzlichen Glückwunsch für Deine Ernennung zur Vorstandsvorsitzenden des VDBD. Nach sechs Jahren im VDBD-Vorstand bist Du bestens gerüstet und bringst vielfältige Erfahrungen in der Vorstandsarbeit mit. Im VDBD gilt das Vorstandsteam als gleichberechtigt und arbeitet auf Augenhöhe zusammen. Trotzdem sehen wir Dich als neue Vorsitzende als Ideen- und Impulsgeberin und möchten gerne mehr über Deine Motive erfahren und was Dich antreibt:

Was hat Dich dazu bewogen, die Position der Vorstandsvorsitzenden im VDBD zu übernehmen?

Nach sechs Jahren brenne ich immer noch für die Vorstandsarbeit und die Zusammenarbeit im Vorstandsteam und mit euch Kolleginnen in Berlin bereitet mir große Freude. Persönlich war es mir wichtig, dass sich jüngere Kolleg:innen trauen, für den Vorstand zu kandidieren. Allerdings waren wir uns im Vorstand einig, dass die Hürde, sich direkt für den Vorsitz zu bewerben, sehr hoch ist. Daher haben wir vor einem Jahr mit Hilfe einer von den Mitgliedern befürworteten Satzungsänderung entschieden, dass die Vorstandspositionen innerhalb des Vorstands abgestimmt werden. Da ich die vergangenen zwei Jahren als stellvertretende Vorsitzende agiert habe, war es naheliegend, dass ich den Vorsitz übernehme.

Welche kurz- und mittelfristigen Ziele hast Du für den Verband und seine Mitglieder, die Du zusammen mit Deinen Vorstandskolleg:innen erreichen möchtest?

Aktuell ist das Thema "Krankenhausversorgungsverbesserungsge-setz (KHVVG)" sehr brisant. Obwohl jede:r fünfte Kran-kenhauspatient:in an Diabetes mellitus leidet, wurden die Diabetesfachkräfte in den Gesetzestexten nicht berücksichtigt. Hier muss dringend nachgebessert werden, denn Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen in der stationären Versorgung fürchten nicht nur um ihre Arbeitsplätze, sondern es geht auch wertvolles Diabetesfachwissen und insbesondere Know-how in der Diabetestechnologie verloren. Dies im Zeitalter des Fachkräftemangels zuzulassen, ist unvorstellbar und verantwortungslos.

Mittelfristig spielt auch die Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf die Pflege eine große Rolle. Im letzten Jahr wurden Modellvorhaben gestartet, unter anderem mit einem Modul zur Betreuung von Menschen mit dia-betischer Stoffwechsellage. Die Kompetenzbeschreibung dieses Moduls umfasst Tätigkeiten, die Diabetesberater:innen bereits seit Jahrzehnten ausüben. Hier müssen wir gemeinsam mit der DDG schauen, wie wir nach der Evaluierungsphase des Modellvorhabens die Position der Diabetesberater:innen sicherstellen.

Für beide Themen gilt, dass wir die Ressourcen und Kompetenzen von Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen viel stärker sichtbar machen müssen.

Hast Du Ideen, wie man Politik und Öffentlichkeit für die Bedeutung der Diabetesberatung noch mehr sensibilisieren kann?

Bei aktuellen Themen wie dem KHVVG reagierte die Geschäftsführung des VDBD gemeinsam mit dem Vorstand sehr schnell und veröffentlichte ein Positionspapier. Zusätzlich erscheinen regelmäßig Pressemitteilungen. Nach dem Motto "Steter Tropfen höhlt den Stein" dürfen wir nicht zögern, unsere Forderungen und Standpunkte kontinuierlich zu wiederholen.

Wichtig wäre es, ein regionales Netzwerk von Diabetesberater:innen und Diabetesassi-stent:innen aufzubauen, die sich berufspolitisch in den Bundesländern engagieren. Beim KHVVG entscheiden die Länder mit und die Kraft der regionalen Stimmen darf nicht unterschätzt werden.

Politiker würde ich gerne fragen: Wie, wo und von wem möchtest Du als alter Mensch mit einer chronischen Erkrankung versorgt werden? Was soll ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis für Dich leisten und welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sollen die Behandler für Dich vorweisen?

Die Verbreitung über Social Media spielt eine immer größere Rolle. Es sind informative Beiträge nötig, die gleichzeitig Emotionen wecken, denn "Emotionen gehen ins Herz und was im Herzen ist, bleibt im Kopf." Ich kann nur dazu aufrufen, folgt dem VDBD auf LinkedIn und verbreitet die Posts im Netz.

Wie stellst Du Dir die optimale Kommunikation bzw. das Zusammenspiel zwischen den Verbandsmitgliedern und dem Vorstandsteam vor?

Ich würde die VDBD-Mitglieder gerne noch mehr aus der Reserve locken. Online-Meetings wie "Fragen an den Vorstand" haben leider wenig Resonanz gefunden. Regional sind wir über die AG-Sprecher:innen gut vernetzt, die praktisch der verlängerte Arm des Vorstandes sind.

Einmal wurde ich zu einem Stammtisch in der Region eingeladen, bei dem gezielt das Thema Berufspolitik gewünscht wurde. Vor Ort fand ein reger Austausch statt und ich könnte mir vorstellen, dass in den verschiedenen Regionen "Stammtisch-Besuche" auf Interesse stoßen würden.

Zur Person
Kathrin Boehm ist seit 1988 Diätassistentin und hat 1994 die Weiterbildung zur Diabetesberaterin DDG abgeschlossen. Seit 2000 ist sie im Team der Berufsfachlichen Leitung Weiterbildung Diabetesberater:in DDG an der Diabetes Akademie e.V. Bad Mergentheim tätig. Als zertifizierte "Train the Trainer" bildet sie parallel in verschiedenen Schulungsprogrammen andere Fachkräfte weiter. Ihre berufliche Expertise wird durch ein Kontaktstudium in Erwachsenenbildung an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg in den Jahren 2012/2013 ergänzt. Darüber hinaus engagiert sich Kathrin Boehm ehrenamtlich im DDG Ausschuss für Qualitätsmanagement, Schulung und Weiterbildung (QSW) und ist die Koordinationsbeauftragte der DDG für die Weiterbildung zum/zur Diabetesberater:in DDG. Sie hat maßgeblich an der Erstellung der Weiterbildungs- und Prüfungsordnungen der DDG mitgewirkt und ist als Prüfungsvorsitzende innerhalb der Weiterbildungen Diabetesassistent:in DDG und Diabetesberater:in DDG tätig. Vor sechs Jahren wurde Frau Boehm in den VDBD-Vorstand gewählt und seitdem macht sie sich für die Belange der Diabetesfachkräfte auch auf der berufspolitischen Ebene stark.

Was sind Deiner Meinung nach derzeit die größten Herausforderungen für Diabetesfachkräfte in Deutschland?

Auch wenn ich mich wiederhole, dass KHVVG! Wir müssen als Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen sichtbarer und lauter in unseren Forderungen werden!

Auch die fachliche Herausforderung bleibt. Durch die schnellen Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und Diabetestechnologie müssen wir am Ball bleiben.

Darüber hinaus sind der Klimawandel und der Einfluss der Umwelt auf unsere Gesundheit eine Herausforderung für uns alle. In der Versorgung und Begleitung von chronisch Kranken müssen wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und uns fragen: "Was kann unser Beitrag als Diabetesfachkräfte dabei sein?"

Was ist Dir bei der Arbeit im Vorstandsteam besonders wichtig?

Wir sind im Vorstandsteam derzeit sehr gut aufgestellt und vereinen Vertreter:innen aus der Diabetesschwerpunktpraxis und -klinik, dem Akutkrankenhaus, der Wissenschaft und der Weiterbildung. Jede:r bringt aus unterschiedlichen Perspektiven seine Expertise ein. Teamarbeit bedeutet für uns, dass wir uns gegenseitig informieren, Meinungen offen austauschen und demokratische Entscheidungen treffen.

Gibt es eine Message, die Du den VDBD-Mitgliedern mit auf den Weg geben möchtest?

Zeigt euch, macht euch sichtbar und werdet laut! Die Rahmenempfehlungen zur Delegation werden gerade überarbeitet und unter neuem Namen veröffentlicht, sobald sie von den ärztlichen Berufsverbänden und der DDG abschließend konsentiert wurden. Geht mit dieser Broschüre in eure Verwaltungen, zu den Geschäftsführer:innen und den Diabetolog:innen und macht eure Kompetenzen sichtbar. Nicht der Vorstand ist der VDBD, sondern ihr als Mitglieder!

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch und die Einblicke, die Du uns gegeben hast. Das Berliner Team wünscht Dir alles Gute für Deine Amtszeit und freut sich auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Dir und dem neuen Vorstandsteam.


Interview:
© privat
Ria Grosse, VDBD
Referentin der Geschäftsführung
Redakteurin Online/Print


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (7/8) Seite 37-39