"Diabetologie & Angiologie – auf einem Bein kann man nicht stehen" so lautete das Motto der Diabetes Herbsttagung 2022 in Wiesbaden. Die Veranstaltung fand mit der Rekordbeteiligung von 4 700 Teilnehmenden wieder in einem hybriden Format statt.

Vom 24.- 26. November 2022 veranstaltete die DDG ihre Diabetes Herbsttagung in Wiesbaden. Bei 19 Grad Innentemperatur, damit trug die DDG dem Energieeinsparungsgesetz Rechnung, konnten die Teilnehmenden interessiert durch die Halle schlendern, sich an verschiedensten Ständen über neuste Entwicklungen informieren, sich durch spannende Vorträge und Workshops fortbilden und die zahlreichen Gelegenheiten für den persönlichen Austausch wahrnehmen.

Am Freitagnachmittag fand das traditionelle VDBD-Symposium statt. Das zertifizierte Symposium gilt als eine der populärsten Veranstaltung der Tagung und stellt, insbesondere für Mitglieder des VDBD, einen unverzichtbaren Teil der Konferenz dar. Die stellvertretende VDBD-Vorsitzende Kathrin Boehm und Vorstandsmitglied Yvonne Häusler führten die Teilnehmenden vor Ort und an den Rechnern souverän durch eine Vielzahl von interessanten Beiträgen.

Das Programm kurz vorgestellt

Den Auftakt machte Prof. Dr. med. Matthias Weber, Leiter des Schwerpunktes Endokrinologie, Stoffwechselerkrankungen, Universitätsmedizin Mainz, mit einem Fachvortrag zum Polyglandulären Syndrom. Es folgte das Kernthema der Herbsttagung "Diabetes und Angiologie", vorgetragen von Prof. Dr. med. Christine Espinola-Klein, Direktorin für Kardiologie der Goethe-Universität Mainz. Isabella Mack, die den Bereich Ernährung und Gewichtsregulation in Klinik und Forschung am Universitätsklinikum Tübingen leitet, griff sich kurzfristig im Rahmen der Gemeinsamen Empfehlung des GKV-Spitzenverbands zur Förderung und Durchführung von Patientenschulungen für behandlungsbedürftige Erwachsene mit Adipositas das Handlungsfeld "Ernährung im Bereich Adipositas" heraus.
Dipl. Oecotrophologin, Diabetesberaterin DDG und neues Mitglied im VDBD-Vorstand Theresia Schoppe, brachte der Zuhörerschaft das Thema "Datenmanagementsysteme: In wenigen Schritten zur Dateninterpretation" mit vielen praktischen Tipps näher. Den Schluss bildete Dr. med. Heinrich Frauenknecht, Niedergelassener Facharzt für Augenheilkunde im ophtimal Augenzentrum Treuchtlingen, der mit seinem Vortrag "Das könnte ins Auge gehen: Diabetes und Auge – ein Überblick" begeisterte. Katrin Boehm gab einen Ausblick, in welche Richtung sich die Weiterbildung zur Diabetesberater:in DDG entwickelt und Dr. Gottlobe Fabisch, Geschäftsführerin des VDBD und der VDBD AKADEMIE, stellte die neue Video-Fortbildung zu AID-Systemen mit Dr. Bernhard Gehr und Ulrike Thurm und das Fortbildungsprogramm 2023 der VDBD AKADEMIE vor, das seit 16. Januar 2023 online buchbar ist.

Das gucken wir uns näher an!

Obwohl es sich um den letzten Vortrag des VDBD-Symposiums handelte, gelang es Dr. med. Heinrich Frauenknecht, niedergelassenem Facharzt für Augenheilkunde im ophtimal Augenzentrum Treuchtlingen, das Publikum mit seinem 30-minütigem Fachvortrag "Das könnte ins Auge gehen: Diabetes und Auge" zu fesseln. Er selbst bezeichnete sich als "kleiner Einzelkämpfer" mit einer eigenen Praxis, in die viele Patient:innen mit Diabetes kommen. Dabei erklärte er, dass die Risiken für Augenerkrankungen u.a. auch von der Art des Diabetes abhängig sind. So tragen Menschen mit Diabetes Typ 2 und einem Insulinbedarf das größte Risiko für diabetologisch bedingte Krankheiten am Auge. In einer verständlichen und anschaulichen Art und Weise ist es Dr. Frauenknecht gelungen, die typischen Probleme bzw. Auswirkungen des Diabetes auf das Auge zu skizzieren. Begonnen hat er seinen Vortrag mit der Darstellung des Auges von "Vorne" und von "Hinten" und der Aufzählung der besonders gefährdeten Areale des Sehorgans, die aus seiner "augenärztlichen Sicht her vom Diabetes angegriffen, verändert oder zum Teil ganz stark geschädigt werden können".

Das "vordere" Auge

Die Hornhaut, die vordere Augenkammer, die Linse und der Glaskörper im vorderen Teil des Auges können auf verschiedenste Weisen betroffen sein. Die Hornhaut, wichtigste Barriere, um das Auge vor dem Eindringen von Fremdkörpern zu schützen, kann infolge der Einnahme von verschiedenen Medikamenten und einem dadurch verminderten Tränenfilm rau werden. Dies kann wiederum zu Juckreiz, Rötungen bis hin zu chronischen Entzündungen führen. In den 2 bis 3 Millimetern der vorderen Augenkammer sowie im Glaskörper hinter der Linse kommt es in ganz seltenen Fällen zu Einblutungen, die in der Regel zu plötzlichen, allerdings schmerzlosen Sehveränderungen bei den Patient:innen führen können. Ein weiteres Problem bei Diabetes ist ein vermehrtes Auftreten des "Grauen Star", das heißt, die Linse trübt sich ein. Eine Operation schafft dann meist Abhilfe, aber das Risiko von Komplikationen ist bei Patient:innen mit Diabetes immer erhöht. Alles in allem lassen sich aber die Probleme in den vorderen Teilen des Auges i.d.R. gut therapieren und Patient:innen erleiden keine dauerhaften Beeinträchtigungen ihres Sehvermögens.

Das "hintere" Auge

Wenn der Diabetes allerdings die Netzhaut, die Makula und dabei insbesondere die Foeva centralis (Scharfsehstelle) oder den Sehnerv angreift, dann kommt es meist zu Schäden, welche massiv und irreparabel sind. Dr. Frauenknecht dazu: "Wenn der Schaden da ist, dann ist es zu spät und er lässt sich nicht mehr beheben. Man kann nur ein Voranschreiten der Schäden begrenzen." Am Sehnerv aber auch auf der gesamten Netzhaut kann der Diabetes Gefäßneubildungen verursachen, die nach innen wachsen, zu einer Schwellung der Foeva centralis und somit zu einer Netzhautablösung führen können. Bildet sich ein Ödem im Bereich der Foeva centralis oder kommt es zu Einblutungen, kann dies die Sehfähigkeit beeinträchtigen. Mit einer regelmäßigen Spritzentherapie lassen sich diese Probleme wieder in den Griff bekommen und die Sehfähigkeit kann erhalten bleiben. Schwieriger wird es, wenn die Netzhaut von Durchblutungsstörungen und im weiteren Verlauf von Gefäßneubildungen bis hin zur Ablösung betroffen ist. Da die Netzhaut im Verhältnis zu allen anderen Teilen des Auges recht großflächig ist, begünstigt dies das Fortschreiten von Krankheiten. Mit Spezialgeräten hat ein Augenarzt aber auch hier die Möglichkeit, frühzeitig Probleme zu erkennen und mit einer Lasertherapie das Voranschreiten der Schäden an der Netzhaut zu begrenzen. Hat sich die Netzhaut allerdings schon abgelöst, lässt sich der Schaden nicht mehr beseitigen und kann zu dauerhaftem Sehverlust bis hin zur Blindheit führen.

Fazit

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass viele Schäden am Auge vermeidbar sind, wenn Diabetespatient:innen sich an verschiedene Empfehlungen halten. Laut Dr. Frauenknecht ist als Grundvoraussetzung von Patient:innen mit Diabetes in erster Linie eine gute Blutzuckereinstellung wichtig. Da der Diabetes alle Bereiche des Auges schädigen kann, diese aber oft nicht von außen erkennbar sind und auch die Sehveränderungen schmerzfrei verlaufen, ist es von größter Wichtigkeit, dass Patienti:nnen mit Diabetes regelmäßig ihren Augenarzt aufsuchen. In der aktuellen Leitlinie werden 2-jährige Untersuchen empfohlen, wenn keine Retinopathie und Risikofaktoren vorhanden sind und jährliche Untersuchungen, wenn keine Retinopathie aber Risikofaktoren existieren. Dr. Frauenknecht selbst empfiehlt mindestens vierteljährliche Besuche, auch wenn es nur um allgemeine Kontrollen geht. Wenn schon Schädigungen am Auge vorhanden sind, lässt sich die Sehkraft oft mit Hilfe von konstant durchgeführten Therapien gut erhalten. Aber auch dies erfordert kontinuierliche Besuche beim Augenarzt sowie Geduld. "Das Durchhalten ist beim Augenarzt ganz wichtig." motiviert Dr. Frauenknecht. Als Diabetesberater:in ist es demzufolge von immenser Bedeutung, die Patient:innen frühzeitig darüber aufzuklären, wie sie selber dafür sorgen können, ihr Augenlicht zu erhalten und sie dahingehend zu motivieren, regelmäßige Augenarztbesuche einzuplanen und auch wahrzunehmen.


Autorin:
Ria Grosse
Referentin der Geschäftsführung
Redakteurin Online/Print
Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (1/2) Seite 38-40