Wertvorstellungen und Diabetes-Technologie verbinden – bei DiaTec, der gemeinsamen Jahrestagung der AGDT und einer Fortbildung zu Diabetes-Technologie

Seinen 40. Geburtstag feiert der HbA1c-Wert dieses Jahr. Das war für die Arbeitsgemeinschaft diabetologische Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft Grund genug, den Anstoß zu geben für eine neue DDG-Arbeitsgruppe: Am 20. Januar 2015 wurde die Arbeitsgruppe der DDG zu HbA1c (ADHA) gegründet. Das berichtete Professor Dr. Lutz Heinemann zu Beginn der DiaTec 2015, die am 23. und 24. Januar 2015 in Berlin stattfand. Diese Veranstaltung verbindet die Jahrestagung der AGDT und eine Fortbildung zu Diabetes-Technologie; Heinemann organisierte zusammen mit seinem Team das Treffen zum vierten Mal.

Wert(vorstellungen) mit HbA1c

Der HbA1c-Wert war auch Schwerpunkt der zweitägigen Veranstaltung, die unter dem Titel "Wert(vorstellungen)" lief. PD Dr. Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim, berichtete in seinem historischen Überblick, dass Ronald J. Koenig und Anthony Cerami im Jahr 1975 vorschlugen, den HbA1c-Wert als Maß der metabolischen Kontrolle zu verwenden. Es dauerte aber bis 1991, bis es den ersten kommerziell verfügbaren Test gab. Heute ist die Bestimmung des HbA1c-Werts Standard in der Diabetesbetreuung.

Abweichungen von der Physiologie beschreiben

Wasser in den Wein goss Dr. Andreas Thomas, Pirna. Zuerst stellte er zum HbA1c-Wert fest: "Klar, es ist der Goldstandard der Diabetologie." Und fragte dann: "Ist er das wirklich?" Denn neue Erkenntnisse öffnen den Blick auf andere Betrachtungsmöglichkeiten des Glukosestoffwechsels. Nach Ansicht von Thomas beschreibt der HbA1c-Wert hervorragend die durchschnittliche Glukose – aber Glukosefluktuationen erkennt er nicht. Diese Problematik könnte auch die Beobachtung im Diabetes Control and Complications Trial (DCCT) erklären, dass es trotz gleichen HbA1c-Werts Unterschiede in der Entwicklung von Folgeerkrankungen zwischen den Diabetikern mit konventioneller und denen mit intensivierter Insulintherapie gab. Thomas: "Die Abweichungen von der Physiologie, das ist das, was wir beschreiben müssen."

HbA1c in Nebelschwaden

Viele Faktoren beeinflussen das Ergebnis der HbA1c-Messung. Diese Faktoren können im Körper selbst liegen wie Hämoglobinopathien, aber auch zum Beispiel manche Medikamente können den Wert verändern und so keine tatsächliche Aussage mehr erlauben. Ein weiterer Faktor, der die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen lässt, sind die unterschiedlichen Messmethoden, erläuterte Professor Dr. Cornelia Haug, Ulm. Hinzu kommt, dass bei den Messungen für die externe Qualitätssicherung Abweichungen vom Referenzmethodenwert bis zu 18 % erlaubt sind. Das bedeutet zum Beispiel bei einem HbA1c-Zielwert von 6,54 % (48 mmol/mol), dass die Ergebnisspanne von 5,75 bis 7,33 % (39,4 bis 56,6 mmol/mol) reichen kann. Ihr Fazit mit Blick auf das Ulmer Münster im Nebel: "Im Prinzip messen wir gut und richtig – aber immer wieder ziehen auch Nebelschwaden durch."

Differenzen zwischen HbA1c und Diabetestagebuch

Dr. Matthias Kaltheuner, Leverkusen, wurde in Bezug auf die erlaubte Abweichung deutlich: "Es ist ein Unding, dass man das zulässt." Die Frage sei deshalb nicht, ob der jeweilige Ringversuch bestanden wurde, sondern wie. Schwierig wird die Interpretation des HbA1c-Werts oft auch dadurch, dass es eine Diskrepanz zwischen dem HbA1c und den im Tagebuch stehenden Blutzuckerwerten gibt, berichtete der niedergelassene Diabetologe. Die Ursachen können sehr vielfältig sein: Zum Beispiel wurden bei schwankender Stoffwechsellage zu wenige Blutzuckerwerte gemessen, oder es wurde gar nicht gemessen, sondern nur geschätzt. Andere Varianten sind, unerwünschte Werte einfach nicht zu notieren oder bei dreistelligen Werten, die mit einer 3 anfangen, eine 2 an den Anfang zu setzen. Abhilfe kann hier schaffen, das Blutzuckermessgerät direkt auszulesen, wiederholt Praxismessungen durchzuführen oder auch eine kontinuierliche Glukosemessung durchzuführen. Eine Möglichkeit bleibt immer: Es gibt Patienten, die Hoch- oder Niedrigglykierer sind.

CE auf chinesisch

Während der zwei Fortbildungstage ging es aber nicht nur um das HbA1c. Die Kontrolle von Medizinprodukten stand im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Guido Freckmann, Ulm. Hat eine Gerät eine CE-Kennzeichnung erhalten, gibt es keine weitere Kontrolle mehr. Bezüglich der CE-Kennzeichnung machte Freckmann auf ein Problem aufmerksam: Das Design des CE-Zeichens muss bestimmten Regeln folgen, und zwar liegen die beiden Buchstaben auf zwei Ringen, die sich schneiden, außerdem ist der Mittelstrich des E kürzer als die Ränder oben und unten. CE kann inzwischen aber auch etwas anderes heißen als Conformité Européenne: China Export. In diesem Fall weichen die Buchstaben vom geforderten Raster ab. Genau hinzusehen lohnt sich also.

Produktkontrolle nach Zulassung

Im Mittelpunkt von Freckmanns Vortrag stand aber ein anderer Aspekt: die Genauigkeit von Blutzuckermessgeräten. Viele Studien zeigen, dass es sehr genau messende Systeme gibt, aber eben auch welche, die den Anforderungen der DIN EN ISO 15197 nicht genügen. "Wie können wir Transparenz darüber bekommen, welche Qualität unsere Produkte haben?", fragte Freckmann. Denn mit der Transparenz ist das manchmal schwierig, wenn zum Beispiel die Hersteller von Geräten mit schlechtem Studienergebnis das Studienzentrum mit Klagen überziehen, wie im Institut für Diabetes-Technologie in Ulm geschehen. Bereits eine stichprobenartige Untersuchung von Produkten nach ihrer Zulassung würde aus Sicht von Freckmann viel bringen. Heinemann berichtete, dass es in den USA Bemühungen gäbe, eine entsprechende Institution zu entwickeln; schwierig bleiben aus finanziellen Gründen aber auch dabei Kontrollen von Produkten aus Übersee. Und Produkte, die lange, oft mehrmonatige Transportwege hinter sich haben, werden vor Ort nicht noch einmal überprüft.

Insulinpumpe bessert Insulinkinetik

"Warum hat sich die Pumpentherapie bei Typ-2-Diabetes nicht etabliert?", fragte Dr. Dorothee Deiss, Berlin. Die Antworten: Es gibt nur wenige Studien und darin keine eindeutige Überlegenheit der Pumpentherapie gegenüber einer intensivierten Insulintherapie bezüglich einer HbA1c-Verbesserung. Außerdem ist die vorhandene Pumpentherapie relativ komplex und kostspielig. Aber bei Typ-2-Diabetikern bessern sich unter einer Insulinpumpentherapie Pharmakodynamik und -kinetik des Insulins: Die Variabilität wird geringer, das Insulin wirkt besser, die benötigte tägliche Insulinmenge sinkt. Dadurch steigt die Lebensqualität, sagte Deiss, und damit auch die Compliance. Wahrscheinlich würde es für Typ-2-Diabetiker ausreichen, Insulinpumpen mit nur einer fixen Basalrate zu verwenden und einer einfachen Mahlzeitenbolusgabe. Dadurch würde die Therapie auch kosteneffektiver.

CGM senkt Gefahrenpotential

Natürlich durfte bei einer Veranstaltung wie dieser auch kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) nicht fehlen. Mit einem ganz praktischen Aspekt, dem standardisierten CGM-Antrag, beschäftigte sich Dr. Simone von Sengbusch, Lübeck. "Nutzen Sie ihn – dann ist das Ende des Vortrags erreicht!", machte sie das eigentliche Dilemma deutlich, denn nur etwa 20 Teilnehmer der Tagung meldeten sich bei der Frage, wer ihn nutzt. Die Kinderdiabetologin nutzt ihn, weil sie so sicher ist, keine wichtigen Informationen vergessen zu haben. Das korrekte Formulieren ist dabei ganz wichtig, emotionale Äußerungen gehören nicht hinein. Ihr Wunsch ist, dass ein Computerprogramm entwickelt wird, um den Antrag noch leichter erstellen zu können. Sie bedauerte: "Inzwischen geht fast jeder Fall vor Gericht." Aber CGM ist aus Sicht der Diabetologen kein Wellness-Produkt, sondern es senkt ein Gefahrenpotential – gerade, wenn Diabetiker ein solches System wie ein Navigationsgerät verwenden.

Themenreiche Workshops

Viele Workshops, in denen intensiv diskutiert wurde, ergänzten die Tagung. Das Spektrum war breit: "CGM und Schwangerschaft", "Technische Optionen beim Diabetischen Fußsyndrom" und "Interaktion zwischen Mensch und Maschine" waren einige der Themen. Auch im nächsten Jahr wird es eine DiaTec-Fortbildung geben: am 29. und 30. Januar. Informationen gibt es im Internet unter www.diatec-fortbildung.de.



Autor
Dr. Katrin Kraatz, Mainz

Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2015; 25 (1) Seite 55-56