Die Nephrologie steht vor großen Herausforderungen: mehr Aufklärung, bessere Prävention, Entwicklung und Umsetzung innovativer Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, Intensivierung der klinischen Forschung sowie eine adäquate Integration der Nephrologie in die Strukturen des Gesundheitssystems. Wie dem begegnet werden kann, wird auf dem diesjährigen Kongress „Nephrologie 2020“ vom 1. bis 4. Oktober diskutiert.

In Deutschland leben etwa 9 Millionen Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit. Das Alter, ein ungesunder Lebensstil und damit verbundene Begleiterkrankungen, insbesondere Diabetes mellitus, Übergewicht und Bluthochdruck, sind die häufigsten Gründe dafür, dass Menschen an einer chronischen Nierenerkrankung („chronic kidney disease“/CKD) erkranken.

Mit einer CKD erhöht sich das Risiko eines Nierenversagens, das eine Nierenersatztherapie erforderlich macht. Die davon Betroffenen müssen sich regelmäßig einer Dialyse unterziehen (in der Regel dreimal pro Woche über vier Stunden) oder einer Nierentransplantation – wobei die mittlere Wartezeit auf eine Niere in Deutschland mehr als 7 Jahre beträgt.

Noch nie dagewesene Innovation und Dynamik

Nephrologische Erkrankungen gewinnen daher auch gesellschaftlich an Relevanz: Die Menschen werden immer älter und der Anteil der Menschen mit Diabtes und/oder mit Bluthochdruck ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich angestiegen, sodass man trotz Präventionsbemühungen auch mit einem Anstieg an nierenkranken Menschen rechnen muss. Das Gesundheitsministerium NRW schätzt auf Basis eines Gutachtens zur Krankenhausreform, dass die Nephrologie zukünftig um 13 Prozent wachsen wird.

Dem Anspruch als Zukunftsfach wird die Nephrologie inhaltlich gerecht. „Noch nie war Innovation in der Nephrologie so greifbar und noch nie deutete sich eine solche Dynamik in unserem Fachgebiet an wie derzeit. Diese Entwicklung aufzugreifen und zu befördern, ist unser Ziel beim diesjährigen Jahreskongress, dem ersten in einem für die Nephrologie vermutlich sehr spannenden Jahrzehnt: Nephrologie 2020“, betont Professor. Dr. Kai-Uwe Eckardt von der Berliner Charité, einer der Tagungspräsidenten des Kongresses.

SGLT-Hemmer: „sensationelle aktuellen Daten“

So wird in Hinblick auf neue medikamentöse Ansätze von „sensationellen aktuellen Daten“ zum Einsatz sogenannter SGLT-Hemmer berichtet, die ursprünglich zur Diabetes-Behandlung entwickelt wurden und nun die Relevanz von in der Niere verankerten Krankheitsmechanismen für die kardiovaskuläre Prognose unterstreichen.

Außerdem bereichern neue Aldosteron-Blocker für Diabetes-Patienten mit chronischer Nierenerkrankung vermutlich die Auswahl unter verschiedenen Therapieoptionen. Damit gilt es, zukünftig rationale Kombinations- und/oder Stufentherapien für Nierenkranke mit Diabetes mellitus zu entwickeln.

Sogenannte HIF-Prolylhydroxylase-Hemmer werden derzeit in großen Studienprogrammen zur Behandlung der renalen Anämie, einem Mangel an roten Blutkörperchen aufgrund einer chronischen Nierenerkrankung, getestet, nachdem im vergangenen Jahr für die Entdeckung der biologischen Grundlagen der Medizin-Nobelpreis vergeben wurde.

„Einer der drei Preisträger, Sir Peter Ratcliffe, britischer Nephrologe und Professor an der University of Oxford, wird im Rahmen des Kongresses über die Relevanz der Entdeckung eines ubiquitären zellulären Sauerstoffsensors für die Medizin berichten. „Dieser Plenarvortrag ist eines der wissenschaftlichen Highlights des Kongresses“, ist sich Prof. Eckardt sicher.

Neue Verfahren und Methoden kurz vor der Einführung

Ebenfalls in enormer Bewegung ist ein Thema, das ihm besonders am Herzen liegt: die sogenannten seltenen Erkrankungen, die in der Nephrologie in der Summe gar nicht selten sind. Entsprechend viele Patienten warten auf wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Umso erfreulicher ist, dass es „noch nie in diesem Bereich so viele klinische Studien gab wie zurzeit“, berichtet der Kongresspräsident.

Gerade im Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen liegt auch für die Nephrologie ein großes Potenzial in der Genetik – genetische Untersuchungen und Interpretation der Ergebnisse werden in die klinische Routine Einzug nehmen. Prof. Ali Garavi aus New York, ein weltweit anerkannter Experte auf diesem Gebiet, wird ebenfalls einen Plenarvortrag halten.

Hohes Potenzial haben auch Methoden, die kurz davorstehen, in die Klinik Einzug zu finden. Dazu gehört die sogenannte Einzelzellsequenzierung, die völlig neue Einblicke in gestörte Zellfunktionen liefern kann. Aber auch die Entwicklung von Nierenorganoiden in der Petrischale aus einzelnen Zellen kann die Erkenntnisse über Nierenerkrankungen und mögliche Therapieoptionen verbessern. Beide Themen werden ebenfalls in Plenarvorträgen von Prof. Nikolaus Rajewky (Berlin) und Prof. Melissa Little (Melbourne) aufgegriffen.

Auch beim Thema Dialyse gibt es neue Innovationen

Auch bei der Dialyse, in der Vergangenheit oft als „stagnierend“ kritisiert, haben Neuentwicklungen im Bereich von Mikroelektronik und Nanotechnologie nun das Potenzial, Blutreinigungsverfahren erheblich zu verändern, um den Patienten die oft belastende Prozedur zu erleichtern.

Unter sieben verschiedenen Themenpfaden des anspruchsvollen Kongress-Programms 2020 konnte ein Pfad ausschließlich mit der Darstellung von Ergebnissen aus acht Forschungsverbünden aus dem deutschsprachigen Raum gestaltet werden − ein mehr als deutliches Zeichen für die Positionierung der Nephrologie als ein Zukunftsfach des neuen Jahrzehnts.

Veranstaltungshinweis
„Nephrologie 2020“ – 12. Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) vom 1. bis 4. Oktober im Estrel Congress Center Berlin.

Weiterführende Informationen: www.nephrologie2020.de


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)