Gesetz: Pharmazeutische Dienstleistungen sind durch das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz gesetzlich festgeschrieben. Vor-Ort-Apotheken haben dadurch die Möglichkeit erhalten, Patienten Angebote zur Gesundheitsförderung zu unterbreiten. Carina John berichtet.

Mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wurde der Anspruch von Patient:innen auf pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) gesetzlich festgeschrieben. Dabei handelt es sich um Leistungen, die über die Information und Beratung im Rahmen der Arzneimittelabgabe hinausgehen. Die pDL umfassen insbesondere Maßnahmen der Apotheken zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie.

Mit dem Startschuss der fünf neuen pharmazeutischen Dienstleistungen im Juni 2022 haben Vor-Ort-Apotheken also die Möglichkeit erhalten, ihren Patient:innen niederschwellige Angebote zur Gesundheitsförderung zu unterbreiten.

Qualifikationsvoraussetzungen

Die fünf Dienstleistungen können von unterschiedlichem Personal in der Apotheke je nach Ausbildungs- bzw. Studienhintergrund und entsprechender Qualifizierung angeboten werden (siehe
Tabelle).

Die standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck darf vom gesamten pharmazeutischen Personal erbracht werden, inklusive Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) und PTA im Praktikum. Zur Inhalativa-Schulung ist nur pharmazeutisches Personal mit abgeschlossener Berufsausbildung berechtigt. Die Apothekerkammern bieten entsprechende Fortbildungen an, um die Kollegen bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Dienstleistungen zu unterstützen.

Umfangreichere Dienstleistungen

Die drei umfangreicheren Dienstleistungen "Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation", "Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten" sowie "Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie" basieren auf einer Medikationsanalyse, die nur von Apotheker:innen mit entsprechender Zusatzqualifikation durchgeführt werden darf.

Als entsprechende Qualifikationsvoraussetzung gilt die erfolgreiche Teilnahme an der Fortbildung "Medikationsanalyse, Medikationsmanagement als Prozess" gemäß Curriculum der Bundesapothekerkammer, die ebenfalls seitens der Apothekerkammern angeboten wird.

Als gleichwertige Qualifikationen werden derzeit weitere Fort- bzw. Weiterbildungen akzeptiert:

  • ATHINA-Schulung (zudem ARMIN, Apo-AMTS, Medikationsmanager BA KlinPharm)
  • Weiterbildung Allgemeinpharmazie
  • Weiterbildung Geriatrische Pharmazie

Die Medikationsanalyse im Detail

Die Apothekerschaft hat in einem Grundsatzpapier im Juni 2014 erstmals detailliert die Leistungen beschrieben, die hinter den Begriffen ‚Medikationsanalyse‘ und ‚Medikationsmanagement‘ stehen müssen.

Zudem wurde eine entsprechende Leitlinie verabschiedet, welche die Verfahrensweise bei der Durchführung der Medikationsanalyse Typ 2a nach dem Grundsatzpapier zur Medikationsanalyse und zum Medikationsmanagement der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände beschreibt.

Die Medikationsanalyse ist die strukturierte Analyse der aktuellen Gesamtmedikation des Patienten und umfasst im Falle des Typs 2a (siehe Abbildung):

  • die Erfassung der verordneten und der vom Patienten erworbenen Arzneimittel (OTC)
  • ergänzt durch im Patientengespräch gewonnene Informationen,
  • die Evaluation manifester und/oder potenzieller arzneimittelbezogener Probleme (ABP),
  • die Erarbeitung möglicher Lösungen für die arzneimittelbezogenen Probleme,
  • sowie die Vereinbarung von Maßnahmen mit dem Patienten und gegebenenfalls mit dem/den behandelnden Arzt/Ärzten.

Zusätzliche Unterstützung durch ATHINA

Der überwiegende Teil der Apothekerkammern bietet bereits seit vielen Jahren das Qualifizierungskonzept ATHINA (Arzneimitteltherapiesicherheit in Apotheken) an, um das Medikationsmanagement in der öffentlichen Apotheke zu etablieren und Apotheker:innen auf ihrem Weg dorthin zu begleiten.

Mit der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen wurde die Medikationsanalyse nun fest im Gesundheitswesen verankert – sie wird seitens der Krankenkassen als "Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation" honoriert.

Die bereits erwähnte Qualifikationsmaßnahme zur Medikationsanalyse gemäß BAK-Curriculum veranschaulicht die Struktur der Medikationsanalyse und stellt ein gutes Rüstzeug für die Durchführung der Dienstleistung dar.

Kolleg:innen, die sich weitere fachliche Unterstützung im Bereich Erkrankungen, Therapie und Leitlinien sowie in der Arzt- und Patientenansprache wünschen, erhalten im weiterführenden ATHINA-Konzept entsprechend vielfältige Unterstützungsangebote.

Komplexere Dienstleistungen

Die anderen komplexeren Dienstleistungen umfassen die "Erweiterte Medikationsberatung" unter Berücksichtigung der Besonderheiten der oralen Antitumortherapie bzw. der immunsuppressiven Therapie nach Organtransplantation. Bei Bedarf erhält der Patient bzw. die Patientin ein weiteres Beratungsgespräch 2 bis 6 Monate im Anschluss an die Medikationsberatung.

Die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) hat entsprechende Curricula zu diesen beiden Dienstleistungen verabschiedet, die für freiwillige, themenvertiefende Fortbildungen zur Verfügung stehen. Fortbildungen auf dieser Grundlage bzw. in Anlehnung daran werden von mehreren Apothekerkammern umgesetzt bzw. geplant.

Neben den hier beschriebenen Pflichtschulungen und weiterführenden Fortbildungsangeboten, die auf entsprechenden Curricula der Bundesapothekerkammer basieren, können Apothekerinnen und Apotheker auf eine Vielzahl an Fortbildungsmaßnahmen zu den pDL zurückgreifen. Hierbei handelt es sich nicht nur um allgemeine Seminare bzw. Webseminare zu fachlichen Themen sondern ebenfalls um individuell zugeschnittene Formate. So können Apothekenteams im Rahmen von individuellen Teamcoachings erleben, wie sie die Arbeitsumgebung in der Apotheke sowie entsprechende Arbeitsmaterialien bestmöglich einsetzen können, um die pDL zeiteffizient und lösungsorientiert durchzuführen. Die genauen Inhalte können vom Apothekenteam mitgestaltet werden.

Apothekenteams sind somit fachlich und strukturell gerüstet, um die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen anzubieten und die Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimitteltherapie der Patienten hiermit zu verbessern.


Autor:
Carina John
PharmD
Apothekerkammer Nordrhein
Abteilungsleiterin AMTS


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (5) Seite 16-18