"Apothekenpreise" sind ein geflügeltes Wort,das jeder schon einmal gehört hat. Wie Einkaufspreis, Rabattverträge und Steuern zur Preisbildung wirklich beitragen und welche Auswirkungen dies auf die Versorgung vor allem bei den derzeitigen Lieferengpässen hat, zeigt der nachfolgende Beitrag.
Wie ein Arzneimittelpreis gebildet wird, hängt davon ab, ob es sich um ein verschreibungspflichtiges (Rx) oder um ein rezeptfrei erhältliches (Non-Rx) Arzneimittel handelt. Bei ersteren sind die Preise staatlich reguliert, bei letzteren herrscht freie Preisbildung, sofern das Arzneimittel nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkasse abgegeben wird. Für Rezepturen und Tierarzneimittel gelten besondere Regeln. Die sogenannte Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) regelt die Preisbildung aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel und schränkt somit die freie Marktwirtschaft ein, damit alle Patientinnen und Patienten bzw. die Versicherungen und Krankenkassen immer denselben Preis für das benötigte Arzneimittel bezahlen. Dieser staatlich geregelte Preis gilt immer, egal ob in einer Apotheke auf dem Land oder in den Ballungszentren, zu jeder Uhrzeit, auch im Notdienst nachts oder am Wochenende, und auch wenn Medikamente aufgrund von Lieferproblemen nur schwer zu bekommen sind. Apotheken dürfen die Preise für Arzneimittel nicht nach Marktlage hochsetzen. Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ist somit ein zentraler Pfeiler der flächendeckenden Arzneimittelversorgung.
Rezeptpflichtige Arzneimittel
Der Abgabepreis eines rezeptpflichtigen Arzneimittels spiegelt zahlreiche gesetzlichen Vorgaben wieder, die sich kontinuierlich ändern und ist deshalb sehr komplex aufgebaut. So sind zur finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen für pharmazeutische Hersteller und Apotheken Abschläge und Rabatte festgelegt. Auch die Patienten werden durch die Arzneimittelzuzahlungen an der Finanzierung der Arzneimittel beteiligt. Die Beispielrechnung für ein Fertigarzneimittel (Tabelle unten) verdeutlicht, wie sich der Apothekenverkaufspreis zusammensetzt und zeigt auch, dass die Krankenkassen durch Rabatte und Abschläge effektiv deutlich weniger zahlen als der Arzneimittelpreis, der aufgrund der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehen ist.
Mißverhältnisse
Anhand dieser Beispielrechnung kann man sehen, dass die Apotheken 9,92€ Honorar bekommen. Was die Beispielrechnung nicht aufzeigt, sind die zahlreichen zusätzlichen Leistungen, die die Apotheken finanzieren müssen. Zuvor müssen noch den gesetzlichen Krankenkassen 2 € Rabatt gegeben werden. Die übrigbleibenden 7,92 € stehen im klaren Missverhältnis zu den 11,90 € Mwst., die der Staat erhält. Der Staat verdient also mehr als die Apotheke an der Abgabe eines Arzneimittels. Wenn man dann noch betrachtet, dass die Apotheke selbst das Inkasso der Zuzahlungen der Patienten übernehmen muss und die von den Apotheken beauftragten und bezahlten Apothekenabrechnungszentren für das Eintreiben der Abschläge der pharmazeutischen Hersteller verantwortlich sind, sieht man am großen Aufwand und der sehr umfassenden Verantwortung der Apotheken, dass die Arzneimittelversorgung auch wirtschaftlich gesehen sicher ist. Dabei ist die vorrangige Aufgabe der Apotheken die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Patienten und nicht die wirtschaftliche Balance der Krankenkassen zu sichern.
Und wichtig: Apotheken erhalten ihre Vergütung vorrangig aus der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Dabei erbringen sie eine Vielzahl an Leistungen, für die es gar kein oder nur ein eingeschränktes Honorar gibt. Daher dienen die festen Abgabepreise neben der Gleichbehand-lung der Patienten mittelbar auch der Absicherung des Apothekenbetriebes und der sonstigen pharmazeutischen Tätigkeit des Apothekenteams für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.
Rabattverträge
Früher gingen Apotheker mit dem Rezept an den Medikamentenschrank; heute wählen sie mithilfe der Datenbank, die in die Software integriert ist, das richtige Rabattarzneimittel aus. Seit 2007 können Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge für die preisgünstigere Abgabe von Arzneimitteln abschließen. Es gibt rund 36 000 kassenspezifische Rabattverträge, die vorschreiben, welche Versicherten welches Präparat von welchem Hersteller erhalten können. Wenn Apotheken das nicht bei jeder Abgabe peinlich genau beachten, droht der Apotheke eine Retaxation, d.h. die Krankenkasse erstattet der Apotheke nicht nur nicht das Honorar für Abgabe und Beratung, sondern bringt zusätzlich noch den kompletten Einkaufswert des Medikaments der Apotheke in Abzug – obwohl der Patient mit dem medizinisch und pharmazeutisch richtigen Arzneimittel versorgt wurde. Diese ungerechtfertigt hohe und auch die Apotheke enorm belastenden Nullretaxationen lehnen die Apotheken ab. Durch die Kritik der Apotheken ist jüngst auch die Politik besonders aufmerksam geworden. Daher besteht die Hoffnung auf eine baldige Gesetzesänderung.
Enormer Mehraufwand für Apotheken
Allein durch die Umsetzung der Rabattverträge sparen die Apotheken den Krankenkassen Jahr für Jahr über fünf Milliarden Euro. Die Berücksichtigung der zunehmenden Anzahl der Verträge bedeutet für die Apotheken einen hohen administrativen Mehraufwand. So müssen die Apotheken täglich über sechzehn Millionen Datensätze in der Apotheken-EDV verarbeiten, um Rabattverträge den Krankenkassen, Herstellern und Arzneimitteln zuzuordnen.
Vertragsänderungen, die zum Wechsel eines gewohnten Präparates eines Herstellers auf das eines anderen führen, erzeugen vermehrt Verunsicherung bei der Arzneimitteltherapie, insbesondere bei älteren Menschen. In der Apotheke wird so der Beratungsaufwand enorm gesteigert, zumal in den Apotheken aufgrund des demografischen Wandels immer mehr alte, sehr alte und hochbetagte Menschen beraten werden. Zusätzlich können Probleme auftreten, wenn das Rabattarzneimittel nicht lieferbar, aktuell nicht vorrätig ist oder gegen ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Herstellers ausgetauscht werden muss. Hinzu kommen mögliche Unverträglichkeiten des Patienten gegen einen bestimmten Hilfsstoff oder Anwendungsprobleme aufgrund der Arzneiform.
Lieferengpässe von Arzneien
Antibiotika, Blutdrucksenker oder Fiebersäfte und -zäpfchen für Kinder und jüngst auch zahlreiche Insuline: Viele Patienten haben schon die Erfahrung machen müssen, dass ein benötigtes Medikament nicht mehr verfügbar ist. Einer Umfrage unter der Mitgliedsapotheken des Apothekerverbandes Nordrhein e.V. hat ergeben, dass mittlerweile fast jedes zweite Rezept von Lieferengpässen betroffen ist.
Von einem Lieferengpass spricht man, wenn eine über zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer üblichen Auslieferung oder eine erhöhte Nachfrage, die das Angebot übersteigt, vorliegt. Ein Versorgungsengpass wiederum liegt vor, wenn gleichwertige Alternativarzneimittel nicht zur Verfügung stehen. Lieferengpässe sind seit Langem ein Problem, vor dem Apotheken schon seit über einem Jahrzehnt warnen. Durch Krisen wie der Corona-Pandemie, den weltweiten Lieferkettenproblemen, der Inflation und den sprunghaft gestiegenen Energiekos-ten haben sich diese aktuell noch einmal erheblich verschärft. Wir gehen davon aus, dass dies auch noch eine geraume Zeit so bleibt und noch schlimmer werden könnte, denn zahlreiche Hersteller haben jetzt schon angekündigt, weitere Arzneimittel nicht mehr zu produzieren.
Versorgung sichergestellt
Trotz der dramatischen Lieferengpässe ist das Ziel der Apotheken vor Ort, niemanden unversorgt zu lassen. Dazu leisten Apothekenteams einen hohen, nicht vergüteten Mehraufwand, der in normalen Zeiten, wenn alle Medikamente verfügbar wären, gar nicht nötig wäre. Apothekerinnen und Apotheker müssen jetzt mit ihrem Fachwissen diese schwierige Lage meistern und die Versorgung unter diesen Rahmenbedingungen weiter sicherstellen, damit aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe für Patienten entstehen. Dabei nutzen Apothekerinnen und Apotheker folgende Möglichkeiten:
- Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, sucht das Apothekenteam vor Ort nach anderen vergleichbaren Präparaten. Durch vorausschauende Bestellung und aufwändige Abfrage von Lieferengpässen bei Großhändlern und Herstellern wird versucht, möglichst alle Mittel zu ersetzen.
- Stehen bestimmte Darreichungsformen einer Arznei nicht zur Verfügung, klärt die Apotheke in welcher anderen Form der Wirkstoff außerdem produziert wird und so alternativ verabreicht werden kann.
- Steht kein vergleichbares Medikament mit anderem Wirkstoff zur Verfügung, kann der Apotheker gemeinsam mit dem Arzt über eine mögliche Therapieanpassung beraten.
- Manche Präparate, wie beispielsweise Fiebersäfte, kann der Apotheker bei Vorlage eines entsprechenden Rezepts selbst herstellen (Rezeptur).
Dank einer erleichterten Abgaberegelung seit Beginn der Corona-Pandemie dürfen Apotheken bei Lieferengpässen vergleichbare Medikamente ohne die Vorlage eines neuen Rezeptes abgeben. Diese Regelung galt zunächst befristet bis zum 7. April 2023 und soll bis zum 31.07.2023 verlängert werden. Da aber weiter von erheblichen Lieferproblemen bei vielen Arzneimitteln ausgegangen werden muss, ist es wichtig, dass diese Regelung weiter grundsätzlich bestehen bleibt, damit aus den erheblichen Lieferproblemen kein Versorgungsnotstand wird.
Engagiert für bestmögliche Versorgung
Für eine gute Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung, insbesondere auch der aktuell schon über 10 Millionen Diabetes-Patienten in Deutschland, ist das zur ärztlichen Therapie ergänzende heilberufliche Engagement von Apothekerinnen und Apothekern prinzipiell unverzichtbar. Über wichtige Aufgaben, wie insbesondere die individuelle Beratung zur richtigen Anwendung von Arzneimitteln, hinaus bieten Apotheker und Apothekerinnen seit Juni des Jahres 2022 neue pharmazeutische Dienstleistungen wie den Interaktionscheck an sowie zusätzliche Möglichkeiten in der individuellen Betreuung, damit betroffene Patienten mit Diabetes, die mit dem Arzt vereinbarten Therapieziele erreichen.
Apotheken vor Ort kein Kostentreiber
Allein durch die Umsetzung der Rabattverträge ergeben sich für die Krankenkassen Einsparungen in Höhe von über 5 Mrd. Euro pro Jahr. Durch das Inkasso der Zuzahlungen der Patienten in den Apotheken erhalten die Krankenkassen weitere 2,3 Mrd. Euro. Zusätzlich treiben die von den Apotheken bezahlten Apothekenrechenzentren für die Krankenkassen Jahr für Jahr etwa 1,7 Mrd. € durch die gesetzlich vorgeschriebenen Herstellerrabatte ein. Einsparungen von mindestens 10 Milliarden Euro, die Apotheken selber erbringen bzw. für deren Inkasso die Apotheken sorgen, stehen nur 5,5 Mrd. € an Apothekenhonorar gegenüber. Apotheken sparen also weit mehr als sie kosten! Dabei ist die umfangreiche Beratungstätigkeit bei leichten Erkrankungen für die Bürger, die nicht den Arzt konsultieren, noch gar nicht mitgerechnet. Dadurch, dass die Arzneimittelpreisverordnung seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten nur minimalistische Anpassungen erfahren hat, steigt das Gesamthonorar der Apotheken so geringfügig, dass mittlerweile die Verwaltungskosten der Krankenkassen mehr als doppelt so hoch liegen.
Schwierige Rahmenbedingungen
Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen, der vielen pharmazeutischen, aber wie oben auch dargestellten, fiskalischen Aufgaben der Apotheken brauchen Apotheken dringend eine wirtschaftliche Stärkung und eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung. Denn mit einer Arzneimittelpreisverordnung von gestern kann man die Versorgungsansprüche einer älter werdenden Generation von heute kaum noch und in Zukunft schon gar nicht bewältigen. Apotheken vor Ort sind keine Kostentreiber im Gesundheitswesen, sondern tragen als zentrale Säule der Gesundheitsversorgung auch ganz entscheidend zur wirtschaftlichen Stabilität des Gesundheitswesens bei.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (5) Seite 11-14