Patientinnen und Patienten haben seit Sommer 2022 einen gesetzlichen Anspruch auf neue pharmazeutische Dienstleistungen in der Apotheke. Ziel ist es, die Arzneimittelversorgung bei bestimmten Erkrankungen zu verbessern. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten.

Ich nehme ja so viele Medikamente ein. Da fällt es manchmal schon schwer, den Überblick zu behalten. In meiner Stammapotheke wurde ich auf das neue Angebot der Medikationsberatung angesprochen. Ich wusste gar nicht, dass jeder Versicherte so etwas einmal im Jahr in Anspruch nehmen kann. So wie eine Vorsorgeuntersuchung bei Medikamenten!", berichtet Diabetikerin Frau H.

Schon seit einigen Jahren bieten Apotheken zusätzliche Dienstleistungen für ihre Patienten an, zum Beispiel Ernährungsberatung, Gesundheitsmessungen oder Medikationsanalysen, sie waren allerdings bisher meistens kostenpflichtig. Dass Mitarbeiter in Apotheken einen wichtigen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit leisten können, hat auch die Politik erkannt. So dürfen Apotheken seit Juni 2022 bestimmte pharmazeutische Dienstleistungen für Patienten erbringen, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern. Welche Dienstleistungen?

Standardisierte Risikoerfassung: hoher Blutdruck

Etwa 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden unter Bluthochdruck, auch viele Diabetiker sind davon betroffen. Wird nicht ausreichend behandelt, steigt das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Organschäden deutlich an. Wer Medikamente gegen Bluthochdruck verschrieben bekommt, sollte sich deswegen regelmäßig vergewissern, dass seine Werte ‚im grünen Bereich‘ liegen. Die standardisierte Blutdruckmessung in der Apotheke hilft dabei. Wer dauerhaft blutdrucksenkende Arzneimittel einnimmt, hat alle zwölf Monate Anspruch auf die intensive Messung in der Apotheke. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse. Da der Blutdruck schwanken kann, werden drei Messungen nacheinander durchgeführt. Der Mittelwert aus der zweiten und dritten Messung bildet dann ein verlässlicheres Ergebnis. Die Werte werden in einem Formular (s. Bild nächste Seite) dokumentiert und entweder an den Arzt oder an den Patienten weitergegeben. Ändert sich etwas an den Blutdruckmedikamenten kann diese Messung auch vor Ablauf der Jahresfrist erneut in Anspruch genommen werden. Ziel ist es, Patienten mit hohen Blutdruckwerten zu identifizieren und zum Arzt zu schicken, um weitere Gesundheitsrisiken zu senken. "Als ich mein Medikationsgespräch in der Apotheke geführt habe, wurde mir auch mein Blutdruck gemessen. Ich nehme bereits seit Jahren Blutdrucktabletten. Selbst messe ich nur selten, weil ich mich auch nicht verrückt machen will. Aber in der Apotheke wurde das professionell gemacht. Es ist dann auch ein gutes Gefühl, wenn die Werte in Ordnung sind. Die Ergebnisse habe ich später meiner Ärztin gezeigt. Bei meiner Bekannten wurden zu hohe Blutdruckwerte ermittelt, sie erhielt dann eine Anpassung der Tabletten", so eine Patientin.

Einweisung in die Anwendung von Inhalationsgeräten

Die korrekte Inhalationstechnik ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Therapie von Atemwegserkrankungen. Fehler bei der Anwendung können die Wirksamkeit der Medikamente einschränken. Die Schulung der Inhalationsgeräte basiert auf den Vorgaben der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma und COPD unter Verwendung der Arbeitshilfen der Bundesapothekerkammer (BAK) und trägt dazu bei, die Erkrankung besser zu behandeln. Wer von seinem Arzt Inhalativa verordnet bekommen und im vergangenen Jahr keine intensive Einweisung mit praktischer Übung erhalten hat, kann mit Unterstützung der Krankenkasse ein Training in der Apotheke in Anspruch nehmen. Insbesondere wer ein neues Gerät erhält, profitiert von der Schulung, die eine Demonstration der Anwendung und das Üben der Inhalation beinhaltet. Auch Kinder ab sechs Jahren haben die Möglichkeit, sich in der Apotheke schulen zu lassen.

Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation

Diese Dienstleistung umfasst eine intensive Beratung zu allen Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, die ein Patient mit Polymedikation einnimmt. Von Polymedikation wird gesprochen, wenn jemand fünf oder mehr Arzneimittel dauerhaft einnimmt. Diese Situation kennen viele Diabetiker. Neben- und Wechselwirkungen, falsche Dosierungen oder fehlerhafte Anwendungen können die Wirksamkeit der Medikation einschränken oder sogar zusätzliche Beschwerden auslösen. Die Apotheke hilft dabei, solche Probleme zu vermeiden. Dieses Angebot dürfen nur geschulte Apotheker mit entsprechendem Qualifikationsnachweis erbringen. In einem strukturierten Gespräch zwischen Apotheker und Patient werden zunächst alle Arzneimittel erfasst. Danach folgt die Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS-Prüfung) und es wird ein aktualisierter Medikationsplan erstellt. Bei Bedarf und mit der Einwilligung des Patienten wird der behandelnde Arzt hinzugezogen. Ziel soll sein, dass sich der Patient nach dem Gespräch besser mit seinen Arzneimitteln auskennt und sich sicher fühlt. Anspruchsberechtigt sind Versicherte in der ambulanten, häuslichen Versorgung, die aktuell und voraussichtlich auch über die nächsten 28 Tage mindestens fünf Arzneimittel in der Dauermedikation anwenden. Die Dienstleistung darf alle 12 Monate, bei erheblichen Umstellungen erneut vor Ablauf der 12-Monatsfrist erbracht werden. Wenn mindestens drei neue/andere Arzneimittel innerhalb von vier Wochen als Dauermedikation eingeführt werden, beginnt die 12-Monatsfrist neu. Viele Menschen mit Dabetes nehmen mehr als fünf Medikamente ein. Neben den Antidiabetika kommen häufig Herz-Kreislaufmedikamente noch dazu. Da den Überblick zu behalten, wann welche Tablette eingenommen werden soll, was bei der Einnahme mit den Mahlzeiten zu beachten ist, ist gar nicht so einfach. Wenn verschiedene Ärzte Arzneimittel verschreiben und nicht voneinander wissen, dann ist es gut, wenn in der Apotheke einmal alles zusammengeführt und geprüft.

Es gibt noch zwei weitere komplexe Dienstleistungen, für Patienten mit Antitumortherapie und Immunsuppressiva nach Organtransplantation.

Dokumentation

Die Pharmazeutischen Dienstleistungen werden von der gesetzlichen und auch der privaten Krankenkasse kostentechnisch übernommen. Dazu leistet der Patient mehrere Unterschriften in der Apotheke, mit denen datenschutzrechtliche Aspekte, die Einwilligung, dass die Leistung von dieser Apotheke erbracht werden darf, und die Quittierung der Leistung belegt werden.

Regelleistung

Prinzipiell können alle Apotheke die Pharmazeutischen Dienstleistungen erbringen, wenn sie die Vorgaben erfüllen. Um die Abläufe in den Apotheken professionell zu etablieren, werden aktuell Schulungsangebote für Apothekenmitarbeiterinnen zum Manager Pharmazeutische Dienstleistung von der Bundesapothekerkammer angeboten. Diese speziell ausgebildeten Apothekenmitarbeiterinnen sind in den Apotheken dafür verantwortlich, dass jeder weiß, wie die Dienstleistungen den Patienten vorgestellt und erbracht werden müssen. "Unsere Patienten kennen die Apotheke häufig nur aus dem Blickwinkel, dass sie bei uns ihre Rezepte einlösen und die Medikamente abholen. Tatsächlich können wir als Heilberufler unseren Patienten noch einiges mehr anbieten. So wird in vielen Apotheken mittlerweile geimpft und getestet."

Die neuen Pharmazeutischen Dienstleistungen müssen den Patienten noch bekannter gemacht werden. Sie tragen zur Gesundheitsprävention und Arzneimitteltherapiesicherheit bei. Ich gehe davon aus, dass nach einer gewissen Anlaufphase die meisten Apotheken diese besonderen Angebote etabliert haben. Davon profitieren alle – die Ärzte, die Apotheken und besonders natürlich unsere Patienten!", zieht eine überzeugte Apothekerin ihr Fazit.


Autor:
Dr. Katja Renner
Apothekerin Wassenberg


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (5) Seite 22-25